Verkehr: Der Hafen Wien hat vor kurzem den 60. Geburtstag gefeiert. Können Sie kurz Revue passieren lassen, wie sich das Unternehmen entwickelt hat, welche wichtigen Geschäftsfelder wann dazugekommen sind und wo die Reise hingeht?
Andrea Buchecker: 1962 wurde die Wiener Hafenbetriebsgesellschaft gegründet. Damit wurden der Winterhafen in der Freudenau, der Alberner Hafen und der Ölhafen Lobau aus dem Magistratsverband entlassen. 1965 erfolgte die Errichtung der Zollfreizone und 1979 die Gründung der Tochterfirma WienCont Container Terminal GesmbH. Es schlossen sich noch viele weitere Meilensteine in unserer Geschichte an wie die Fertigstellung des Containerterminals (1982), die Erweiterung der Betriebsflächen am Hafen Freudenau um 22.000 m2 (2008), der Ankauf des HQ7 oder der Start des Thinkport Vienna (beides 2017), um nur einige Stationen zu nennen.
Während der Corona-Pandemie hat sich einmal mehr gezeigt, welche existenzielle Bedeutung Logistik- und Transportprozesse für unser Leben haben. Multimodale Logistikknotenpunkte wie der Hafen Wien sind gewissermaßen die Voraussetzung, dass die bestmögliche Verkehrskombination auf die Strecke gebracht werden kann. Durch den kontinuierlichen Ausbau von multimodalen Kompetenzen und das Engagement für ‚Green Logistics‘ wird der Hafen Wien weiter an Bedeutung gewinnen.
Verkehr: Welche Flächenerweiterung steht als Nächstes an?
Buchecker: Wir planen den Ausbau der bestehenden Infrastruktur im Areal des Hafens Freudenau. Dafür ist vorgesehen, im Rahmen des Projekts Landgewinnung eine Fläche von ca. 43.600 m2 im Bereich des stirnseitigen Hafenbeckenendes anzuschütten, um zusätzliche Flächen für eine betriebliche Nutzung (Container- und Autoterminal, Immobilien etc.) zu schaffen – das ist nach den Jahren 2012 und 2015, als jeweils 35.000 m2 an Land aufgeschüttet wurden, die dritte große Landgewinnung. Dadurch wird das Hafenbecken zwar kleiner, im Gegenzug kann der Hafen Wien aber die Fläche des Containerterminals erhöhen.
Verkehr: Wie gehen Sie mit dem Niedrigwasser um?
Buchecker: Da wir trimodal arbeiten, sind wir sehr flexibel und können uns auf unterschiedliche Bedingungen gut einstellen. Der Hafen Wien war im heurigen Jahr bis Anfang August nur indirekt vom Niederwasser betroffen. Insgesamt sind weniger Schiffe aus dem Westen zum Hafen Wien gekommen, was daran lag, dass zahlreiche Schiffe bereits ab Regensburg nicht mehr weiterfahren konnten und die Ware dort vor allem auf Lkw umgeladen wurde. Nach den Regenfällen Mitte August hat sich die Lage wieder entspannt. Das Hauptproblem von Niedrigwasser ist, dass der Güterverkehr nur noch einen Teil seiner Ladung transportieren kann.
Verkehr: Der Hafen hat auch einen Ausbau der Photovoltaik angekündigt und will bis 2040 klimaneutral sein. Können Sie die diese Pläne kurz erläutern?
Buchecker: An allen vier Standorten des Hafen Wien – Albern, Freudenau, Lobau und HQ7 – wurden bereits zahlreiche Projekte umgesetzt: So wird der Containerterminal schon seit 2018 mit 100 Prozent grüner Energie aus Wasserkraft versorgt. Im Mai haben wir die dritte Solaranlage am Areal eröffnet und eine vierte Solaranlage wird noch heuer projektiert. Die bis 2040 geplanten Investitionen umfassen u. a. den weiteren Ausbau klimafreundlicher Energien und die CO2-sparende Umgestaltung des Fuhrparks. An oberster Stelle steht für den Hafen Wien als multimodales Logistikzentrum aber das Ziel, noch mehr Güter vom Transport auf der Straße zur Beförderung auf die Schiene und aufs Wasser zu verlagern. Daher wird der Hafen Wien seinen Containerterminal nochmals ausbauen und 20 Millionen Euro investieren. Zudem werden weitere Landflächen im Hafen Freudenau durch Redimensionierung des Hafenbeckens gewonnen, um zusätzliche Umschlageinrichtungen ansiedeln zu können; dafür stehen zehn Millionen Euro zur Verfügung. Sieben Millionen Euro werden in neue moderne und umweltfreundlichere Kräne sowie die Umschlaginfrastruktur investiert. Weitere drei Millionen Euro sind für die Modernisierung der Heizanlagen vorgesehen.
Verkehr: Sie sind Mitglied im DamenLogistikClub, der sich für eine Vernetzung und das Empowerment der Frauen in der Logistik einsetzt. Warum ist das (nach wie vor) wichtig?
Buchecker: Weil ich immer wieder sehe, wie selbstverständlich das Netzwerken bei Männern funktioniert und wie überaus wichtig es ist, selbst gut vernetzt zu sein. Außerdem liegt uns die Förderung von jungen weiblichen Talenten am Herzen, denen man die Chance geben muss, Einblick in die reale Logistik zu nehmen. Unser Sektor ist so vielseitig und spannend – Logistik begeistert eigentlich jeden, der sich damit auseinandersetzt. Ich würde jeder Frau raten, es zu wagen.
Vielen Dank für das Gespräch!