Wenn Sie auf das letzte Jahr zurückblicken, was hat Sie am meisten beschäftigt?
Da gibt es zwei große Themenbereiche: Der erste ist unser Einstieg in die Luftfracht. Wir sind mit dieser neuen Abteilung seit Anfang des Jahres operativ in Betrieb gegangen. Es hat natürlich eine Weile gedauert, bis dieser Bereich richtig angelaufen ist, jetzt befinden wir uns aber auf einem kontinuierlichen Wachstumskurs. Wir haben bereits jede Woche konstante Fixgeschäfte, bei denen wir bestimmte Destinationen anfliegen. Wir profitieren hier von guten Synergien mit unserem Bestandsgeschäft, denn wir holen die Ware mit unserem Landverkehrsteam beim Kunden ab, transportieren sie zum Flughafen Wien und checken sie dort für den Transport in die ganze Welt ein. Wir sind in geringerem Umfang natürlich auch umgekehrt im Warenimport tätig, jedoch machen in beiden Fällen die Pharmatransporte mehr als 80 Prozent unseres Luftfrachtgeschäfts aus.
Nutzen Sie auch das Pharmaterminal am Flughafen Wien?
Wir sind mittlerweile sogar einer der Hauptauftraggeber des Pharma Handling Center. Hier hat sich der Flughafen Wien über die Jahre sehr stark als Drehscheibe für pharmazeutische Produkte positioniert. Es wurde diesbezüglich erheblich in die Standortinfrastruktur investiert, was zur Folge hatte, dass viele Airlines wie die Emirates oder Korean Airlines Wien direkt anfliegen. Auch mit Lufthansa oder Austrian verfügen wir über ein gutes Streckennetz mit Unternehmen, die entsprechende Pharmaservices anbieten. Damit sind wir auf dem österreichischen Markt sehr gut aufgestellt. Wir sind dabei hauptsächlich für stark exportorientierte mittelständische Pharmaunternehmen tätig und liefern für sie nach Asien, Nord-, Zentral- und Südamerika und auch nach Afrika. Denn Mittelstandsunternehmen haben ein Interesse daran, mit Partnern wie uns auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Big Pharma wendet sich eher an die globalen Big Player der Branche.
Wie haben Sie noch vor im Luftfrachtgeschäft?
Im Luftfrachtbereich wird sich im kommenden Jahr bei uns noch einiges tun, die Nachfrage nach individuellen Transportlösungen steigt. Daher haben wir unser Team gerade erweitert. Denn unsere Kunden erwarten von uns eine entsprechende
persönliche Serviceleistung. Niemand will mit einem Chatbot kommunizieren – gerade im Luftverkehr, wo Lieferketten sehr komplex sind und es so viele Variablen gibt: den Lkw im Vorlauf, den Handlingagenten, den Zoll, die Airline mit allen Umschlägen, der Empfangsagent und so weiter. Bei so komplexen Lieferketten wünschen sich Kunden einfach jemanden, der für sie da ist und sich um alles kümmert.
Und was war das zweite Highlight des Jahres?
Im Februar des heurigen Jahres haben wir unsere TAPA-TSR1-Zertifizierung erlangt. Das ist die höchstmögliche Sicherheitszertifizierung im Landverkehr. Damit transportieren wir seitdem regelmäßig extrem hohe Warenwerte im Landverkehr.
Das ist natürlich ein sehr aufwendiger Prozess, aber wenn einmal mehrere Millionen Euro auf einen Lkw verladen werden, dann hat das alles seine Berechtigung. Das ist eine sehr gute Ergänzung unseres Portfolios und ein interessantes Standbein.
Welche Besonderheiten haben Sie heuer noch beobachtet?
Man hört ja sehr viel davon, dass sich die Wirtschaft in der Rezession befindet, dass die Transportvolumina zurückgehen zurückgehen und dass in der Branche sogar eine Marktbereinigung stattfindet. Ich bin jetzt sehr froh darüber, für die Pharmaindustrie tätig zu sein, denn das ist ein krisensicheres Geschäft und wir konnten in diesem Jahr sogar ein Wachstum verzeichnen. Was ich auch noch beobachten konnte, ist, dass sich im zweiten Halbjahr der Arbeitsmarkt in der Branche verändert hat. Man bemerkt, dass einige Unternehmen Personal abbauen. Ich bekomme deutlich mehr ausgezeichnete Bewerbungen auf den Tisch, was in den letzten Jahren definitiv nicht der Fall war. Einen gut ausgebildeten, fähigen Disponenten zu finden, war heuer so leicht wie schon lange nicht mehr.
Gab es noch andere erfolgreiche Projekte?
Wir haben dieses Jahr auch Fortschritte im Bereich Digitalisierung gemacht. In einem Projekt haben wir zur Automatisierung bestimmter bisher manuell abgewickelter Prozessschritte, wie beispielsweise der Auswertung und Kontrolle der Temperaturverläufe, nach unseren Anforderungen Softwarelösungen programmieren lassen. Damit haben wir unsere Mitarbeiter durch den Einsatz einer digitalen Technologie von repetitiven Aufgaben entlastet und Kapazitäten für anderes freigemacht. Wir haben auch ein Pilotprojekt gestartet für den digitalen Frachtbrief. Wir haben uns für eine Plattform entschieden und hier bereits mehrere Testfahrten erfolgreich durchgeführt. Es wird aber sicherlich noch dauern, bis das in der Breite anwendbar sein wird. Mich freut es, dass wir nicht mehr so viele Frachtbriefe ausdrucken müssen und wir auch in Sachen Transparenz damit ganz andere Möglichkeiten haben.
Was sind Ihre Pläne für 2025?
Wir haben unsere Organisationsstruktur angepasst und sind damit für einen weiteren Wachstumskurs gut gerüstet. Ein großes Ziel für mich ist es, unsere Innovationskraft weiter zu steigern. Dafür führen wir mit Kunden und Partnern immer wieder sogenannte „Kreativworkshops“ durch. Wir wollen in diesem Bereich auch mit Universitäten, Fachhochschulen oder Start-ups kooperieren, um Ideen zu sammeln und auszuprobieren, damit vielleicht auch einmal zu scheitern, aber viel dabei zu lernen. Was uns aufgrund unserer Größe zwar noch nicht direkt trifft, aber für unsere Kunden ein großes Thema werden wird, ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das wird uns nächstes Jahr sicherlich beschäftigen. Außerdem habe ich immer ein Auge auf die Entwicklung der verfügbaren Transportkapazitäten. Das wird uns vielleicht noch nicht im nächsten Jahr treffen, aber sobald die Wirtschaft in Europa wieder anzieht und in den Wachstumsmodus übergeht, kommt da ein Problem auf uns zu. Aktuell profitieren wir von der Rezession und den damit geringeren Transportvolumina. Ich werde nicht müde, davor zu warnen, dass uns bei einem Aufschwung der derzeit nicht so spürbare Fahrermangel massiv treffen wird. Ich bin sicher, dass wir in so einem Fall nicht nur mit Kapazitätsengpässen, sondern auch mit einer anderen Preisgestaltung rechnen müssen.