Frachtführer und Spediteure führen Transportaufträge regelmäßig nicht selbst aus, sondern geben diese an Sub-Frachtführer weiter. Diese geben den Auftrag dann oftmals neuerlich weiter, so dass letztlich eine ganze Kette an Sub-Frachtführern vorliegen kann. In Transportaufträgen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) finden sich demgegenüber immer häufiger standardisierte Bestimmungen, wonach der Transportauftrag entweder gar nicht weitergegeben werden darf oder hierzu vorab die Zustimmung des Auftraggebers erforderlich ist. Im täglichen Dispositionsablauf finden derartige Verbote bzw. Weisungen allerdings kaum Beachtung, was zu fatalen Haftungsfolgen führen kann, wie die vorliegende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zeigt. In seiner jüngsten Entscheidung vom 9. 11. 2022, 7 Ob 115/22w, hatte der OGH die volle und unbeschränkte Haftung eines Frachtführers bejaht, der den Transportauftrag trotz Weitergabeverbot an einen Sub-Frachtführer weitergegeben hat.
Der Sachverhalt im Detail
Bei der Klägerin handelt es sich um den Warentransportversicherer des Auftraggebers. Dieser beauftragte die beklagte Frachtführerin mit dem Transport einer Maschine von Österreich nach Spanien, wobei vereinbart war, dass die Beklagte berechtigt ist, den Transport auch an andere Frachtführer zu vermitteln, und dass die Auswahl der beauftragten Frachtführer durch die Beklagte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erfolgen hat. Die Beklagte beauftragte daraufhin einen weiteren Sub-Frachtführer mit der Durchführung des Transports.
Über die AGB der Beklagten war mit dem Sub-Frachtführer ein „Weitergabeverbot“ vereinbart, gemäß dem der Auftrag nur nach vorab eingeholter Zustimmung an Dritte (sohin an einen weiteren Sub-Frachtführer) weitergegeben werden darf und der Sub-Frachtführer zudem zu überprüfen hat, ob der von ihm eingesetzte Unternehmer (konkret: Sub-Sub-Frachtführer) sämtliche Punkte der AGB der Beklagten erfüllen kann. Diesen AGB der Beklagten hat der von der Beklagten beauftragte Sub-Frachtführer allerdings nicht ausreichend Beachtung geschenkt. Da der von der Beklagten beauftragte Sub-Frachtführer über keine Transportfahrzeuge verfügte, beauftragte dieser einen weiteren Sub-Sub-Frachtführer, dies allerdings, ohne vorab die Beklagte informiert und deren Zustimmung eingeholt zu haben. Der so beauftragte Sub-Sub-Frachtführer gab den Auftrag neuerlich an einen Sub-Sub-Sub-Frachtführer ab, der den Auftrag neuerlich an einen Sub-Sub-Sub-Sub-Frachtführer weitergab.
Hoher Schadenersatz
Aufgrund der Verwendung einer Transportbörse durch einen der Sub-Frachtführer gelangten die Daten des Transportguts samt Abholort und Abholzeit zu Kriminellen. Diese holten das Ladegut anhand der Daten ab und entwendeten die Ware. Das Ladegut kam sohin nie beim Empfänger an.
Die Klägerin begehrte daraufhin von der Beklagten über 140.000 Euro an Schadenersatz und stützte ihren Anspruch auf grobes Verschulden im Sinne des Art 29 CMR. Bei Vorliegen von groben Verschulden kann sich die Beklagte nämlich nicht auf etwaige Haftungsausschlüsse bzw. -begrenzungen stützen. Die Beklagte bestritt natürlich und argumentierte unter anderem, dass der bei Verwendung der Frachtenbörse eingetretene Datenverlust an Kriminelle ein unabwendbares Ereignis im Sinne des Art 17 Abs 2 CMR begründe und seine Haftung damit ausscheide.
Strenger Maßstab an Sorgfaltspflicht
Zur Entscheidung des OGH vom 9. 11. 2022, 7 Ob 115/22w – Volle Haftung der Beklagten aufgrund des groben Verstoßes gegen das vereinbarte Weitergabeverbot: Während das Erstgericht und das Berufungsgericht der Klägerin nur die geringe Kilogramm-abhängige Höchsthaftung gemäß Art 23 CMR zusprachen, gab der OGH der Klage zur Gänze statt und verurteilte die Beklagte zum vollen Schadenersatz gemäß Art 29 CMR aufgrund des groben Verstoßes gegen das vereinbarte Weitergabeverbot:
Gemäß Art 29 CMR kann sich der Frachtführer auf die Bestimmungen der CMR, die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast umkehren, nicht berufen, wenn er bzw. die ihm gemäß Art 3 CMR zurechenbaren Sub-Frachtführer und deren Personal den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführen. Die Sorgfalt muss dabei in einem ungewöhnlich hohen Maß verletzt werden. Dasjenige muss unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall eigentlich jedem hätte einleuchten müssen. An die Sorgfalt des Frachtführers ist ein strenger Maßstab anzulegen und die äußerste zumutbare Sorgfalt zu verlangen, weshalb ein Verstoß gegen Weisungen oder ausdrückliche Vereinbarungen in der Regel ein grobes Verschulden begründet. Der Beklagten war das vereinbarte Weitergabeverbot bekannt. Dennoch blieb sie untätig und nahm durch ihr Verhalten in Kauf, dass der Transportauftrag – ohne ihre Zustimmung – in einer von ihr nicht kontrollierten Auftragskette weitergegeben werde. Die Sorgfaltsverstöße der Beklagten sowie des ihr zurechenbaren Sub-Sub-Frächters begründen die Annahme eines groben Verschuldens, führten sie doch dazu, dass die Transportware durch Kriminelle entwendet werden konnte.
Fazit
Worauf muss man also immer sehr gut aufpassen? Enthält ein Transportauftrag Bestimmungen dahingehend, dass der Transportauftrag nicht weitergegeben werden darf, hierzu vorab die Zustimmung des Auftraggebers erforderlich ist und/oder besondere Prüfpflichten einzuhalten sind, sind diese Bestimmungen grundsätzlich verbindlich. Dies gilt sowohl im Falle einer ausdrücklichen Bestimmung im Transportauftrag als auch im Falle der Regelung über AGB. Auch der Umstand eines nicht vorhandenen eigenen Fuhrparks vermag an der Verbindlichkeit derartiger Bestimmungen nichts zu ändern, wie das gegenständliche OGH-Urteil zeigt.
Sollte daher bei Erteilung eines Weitergabeverbots ein Transportauftrag dennoch an einen Sub-Frächter weitergegeben werden, ist hierfür die vorherige Zustimmung durch den Auftraggeber erforderlich. Ansonsten muss dem Weitergabeverbot bereits bei der Beauftragung ausdrücklich widersprochen werden, will sich der Frachtführer nicht der Gefahr der vollen und unbeschränkten Haftung aussetzen.