Verkehr: Inwiefern beeinflusst der Ukraine-Konflikt die Montan Spedition? Gibt es derzeit eine nennenswerte Nachfrage nach Transporten von und in die Ukraine?
Christian Glauninger: Nachdem wir monatelang keinerlei Nachfrage verbuchen konnten, hieß es im April interessanterweise auf einmal, dass wieder Material kommt, was wir zunächst kaum glauben konnten. Aber seitdem rollen die Verkehre wieder. Wir bedienen Werke, die in der Mittel- bzw. Südukraine angesiedelt sind und anscheinend die Produktion dann doch wieder relativ rasch aufnehmen konnten. Und auch das Eisenbahnwesen in der Ukraine ist offenbar sehr krisenfest, so dass wir seit einigen Monaten wieder Produkte aus der Ukraine bekommen, die auf die Züge geladen werden, die in Richtung westliche Grenze fahren, um dort militärische Hilfsgüter abzuholen. Zwischenzeitig gerieten die Transporte zwar wieder etwas ins Stocken, aber es sind dann doch immer wieder recht große Mengen gelaufen, die auch preislich sehr interessant gewesen sein müssen, weil sie innerhalb weniger Stunden verkauft waren. Überrascht waren wir in diesem Zusammenhang allerdings auch von den Routen, die diese Waren genommen haben.
Wie sieht dieses neue Routing aus?
Glauninger: Ukrainisches Material wurde vor allem nach Südeuropa über Short-Sea-Verkehre, also über die Schwarzmeerhäfen, geliefert. Weil der Seeweg aber ja derzeit ausgeschlossen ist, geht nun alles über den Landweg, sprich über Schienen-Verkehre, und da über Zentraleuropa – auch die Mengen, die für Südeuropa, besonders für Italien, gedacht waren. Diese Routen sind neu für uns, denn bislang liefen unsere Transporte über den Westen und in den Norden bzw. eigentlich Zentraleuropa. Aufgrund dieser zwangsläufig veränderten Transportwege verzeichneten wir in puncto Ukraine in den vergangenen Monaten eine besonders starke Nachfrage vor allem auch von Neukunden, die ihre Mengen nun über die Bahn – und in dem Fall über die Westukraine, Ungarn oder die Slowakei – ziehen wollten. Aber überrascht haben uns nicht nur die neuen Wege, sondern auch die Produktmengen und -gruppen, die angefragt werden, wie Eisenerz bzw. Roheisen. Normalerweise werden diese Produkte in riesigen Mengen verbraucht und mittels Break-Bulk-Schiffen in einer Größenordnung zwischen 5.000 und 10.000 Tonnen pro Schiff gefahren. Um solche Mengen mit der Bahn zu befördern, wären mindestens zehn Züge vonnöten; weil aber die Mengen wegen der reduzierten ukrainischen Produktionskapazitäten kleiner geworden sind, ist auch deswegen das Interesse an vergleichbaren Bahntransportlösungen gestiegen.
Ende 2021 haben Sie berichtet, dass die Kunden verstärkt den Fokus auf umweltschonende Transporte legen – sicherlich auch aufgrund der künftigen CO2-Bepreisung. Bemerken Sie hier eine Veränderung, vor allem auch angesichts der steigenden Preise?
Glauninger: Nein, denn dieses Thema wird nicht mehr verschwinden. Die Schwerindustrien, mit denen wir zu tun haben, sind enorme Energie- und CO2-Emittenten. Pro Jahr werden insgesamt in Europa enorme Rohstoffmengen in Billionen-Höhe bewegt. Und angesichts der Wegstrecken, die diese zurücklegen, macht es einen eklatant großen Unterschied am CO2-Sektor, ob diese auf der Straße oder auf der Bahn gefahren werden. Außerdem sind sich alle Betroffenen bewusst, dass die CO2-Bepreisung nun wirklich fix eingeführt wird; situationsbedingt wurde sie in Österreich zwar auf Oktober verschoben, aber die Großindustrien machen sich natürlich schon länger Gedanken, wie man das möglichst unkompliziert handhaben könnte, um nur in geringem Ausmaß davon tangiert zu werden. Und die naheliegendste Lösung ist natürlich, es dem Lieferanten zu überantworten, der den Auftrag aber nur bekommt, wenn er auch CO2-schonend liefern kann. Daher werden auch viele Aufträge der Großindustrien flächendeckend am Inbound- und immer öfter auch am Outbound-Sektor nur mehr bahngeführt ausgeschrieben. Nachhaltigkeit wird damit sozusagen vorgeschrieben. Eigentlich sind kleine und mittlere Unternehmen bisher im wahrsten Sinne des Wortes auf diesen Zug ebenfalls aufgesprungen. Aber – und hier sehe ich eine Veränderung – gerade KMU wenden sich wegen der angespannten Preissituation von diesen neuen Konzepten wieder ab und konzentrieren sich auf den altbewährten Transport-Modus, wie sie ihn schon lange kennen und können, und das ist eben die Straße. Niemand versucht, gerade jetzt etwas Neues anzufangen – leider ist das keine gute Entwicklung.
Hat sich die angespannte Lage am Rohstoffmarkt auch auf das Recycling-/ Sekundärrohstoffgeschäft ausgewirkt? Bemerken Sie hier eine erhöhte Nachfrage?
Glauninger: Mit den steigenden Rohstoffpreisen, die ja nachfrage- und nicht energiepreisgetrieben waren, erlebte die Recyclingwirtschaft bis Oktober/November 2021 einen Mega-Boom. Die Mengen waren eklatant hoch, und die Ankündigung des neuen Abfallwirtschaftsgesetzes haben das Thema noch einmal zusätzlich angefacht, denn dieses schreibt ab 2023 schienengebundene Verkehre auf längeren Strecken vor. Es war sehr lukrativ, Recycling zu betreiben, und es gab daher viele Überlegungen und Ideen, wie man hier attraktive Verkehre aufstellen kann, die u.a. sehr stark schienengebunden sind. Auch wir haben diese extrem hohe Nachfrage bedienen wollen und 500 neue Container gebaut, von denen allein 140 Stück zu 100% für das Recycling-Geschäft eingesetzt werden sollten. Inzwischen ist diese Hochstimmung aber natürlich gedämpft, da sich aufgrund der hohen Energiepreise die hohen Erlöse nur mehr die Waage halten; schließlich darf man nicht vergessen, dass die Recyclingwirtschaft extrem energieintensiv ist. Aus Rentabilitätsgründen haben auch wir inzwischen einige Kapazitäten aus dem Markt genommen. Auch viele andere haben ihre Projekte in diesem Sektor erstmal auf Eis gelegt. Trotzdem gilt natürlich, dass das Thema Recycling und Kreislaufwirtschaft die Zukunft ist und die Montan Spedition dem auch Rechnung tragen will. Österreich hat eine der höchsten Recyclingquoten und dadurch einen Wettbewerbsvorteil aufgrund seines enormen Know-hows in diesem Bereich. Indem wir noch mehr Kreislaufwirtschaft betreiben, liegt außerdem die Chance, Unabhängigkeit von globalen Märkten (oder aktuell auch Despoten) zu erreichen. Aber am Ende sieht es so aus, dass wir auch hier aufgrund der Energiepreise zurückgeworfen werden.
Wie geht es mit Ihren Plänen zur Erweiterung des Terminals voran? Sicherlich werfen auch hier die aktuellen Krisen ihre Schatten voraus.
Glauninger: Derzeit stecken wir noch mitten in der Genehmigungsphase, so dass wir bisher noch nicht mit dem Bau starten konnten. Wir sind aber guten Mutes, dass wir mit der ersten Ausbauphase (drei wird es geben) im September/Oktober beginnen können. Allerdings erschwert uns natürlich auch in diesem Zusammenhang die aktuelle Preissituation die Realisierung unserer Pläne, denn derzeit kann uns keine Baufirma einen Preis nennen, der bis Baubeginn noch stehen wird. Es klingt absurd, aber ich kann derzeit nicht abschätzen, welche Kosten auf uns zukommen werden. Ich hoffe allerdings, dass zu dem Zeitpunkt, wenn wir mit dem Bau loslegen können, vielleicht genau dann die Preise wieder günstiger werden und wir ausnahmsweise einmal von dieser Entwicklung profitieren können. Jede Medaille hat schließlich immer zwei Seiten, aber schauen wir mal – a bissl was geht immer.
Vielen Dank für das Gespräch!
Hinweis:Verkehr sprach mit Christian Glauninger auch über die aktuelle Lage und Entwicklungen am Rohstoffsektor: Wie haben sich die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und die Energiekrise ausgewirkt? Welche Folgen haben die Strompreiserhöhungen für die Rohstofflogistik? Die Antworten auf diese und weitere Fragen finden Sie in der Fortsetzung dieses spannenden Interviews in der Print-Ausgabe der Internationalen Wochenzeitung Verkehr Nr. 31-35 – Erscheinungstermin: 26. August 2022!