Der VPI fordert mehr Digitalisierung und fairen Wettbewerb. Was erwarten Sie konkret?
Die Digitalisierung ist eine Voraussetzung für die Automatisierung und diese wird auf mittlere bis lange Sicht einen wesentlichen Schub in der Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs bringen. Übrigens mit einer Win-win-Situation für den Sektor und den Staat: Ein im fairen Wettbewerb stehender und damit eigenwirtschaftlicher Schienengüterverkehr ist dann auch nicht mehr von staatlichen Förderungen abhängig und wird das politische Ziel des CO2-neutralen Verkehrs massiv unterstützen. Bis dahin müssen die eklatanten Wettbewerbsnachteile anderer Verkehrsträger ausgeglichen werden, wenn wir wollen, dass die Schiene ihren Anteil am Güterverkehr hält bzw. ausbaut. Wenn man beispielsweise Ländergrenzen betrieblich auf der Schiene so einfach passieren kann wie der Straßengüterverkehr, dann haben wir vieles richtig gemacht und man muss man sich um die Entwicklung des Schienengüterverkehrs keine allzu großen Sorgen mehr machen. Nur davon sind wir leider noch weit entfernt.
Wie präsentiert sich gegenwärtig das Marktumfeld in Ihrer Branche und was sind die Herausforderungen?
Alles, was nicht (mehr) in den Häfen und Terminals ankommt, ist auch kein Transportsubstrat für die Schiene, und das wirkt sich vor allem auf die Intermodalen Verkehre aus. Hier schlägt sich die Wirtschaftslage am schnellsten durch, im positiven wie im negativen Sinne. Die hohe Inflation und das dadurch ausgelöste geringere Konsumverhalten haben ihren Anteil an diesen Entwicklungen, die hohen Stromkosten im Vergleich zu den geringeren Dieselkosten haben sich zusätzlich im Wettbewerb der Verkehrsträger Straße/Schiene niedergeschlagen. Diese Energiekostensituation hat die Wettbewerbsfähigkeit der Straße im Vergleich zur Schiene unterstützt. Generell zu beobachten ist eine gewisse Verschiebung der Güterströme, ausgelöst durch externe Faktoren wie der Ukraine-Krieg, die Energiewende etc. Neben diesen Einflussfaktoren sind die Folgen von Infrastrukturengpässen in bestimmten Ländern wie Deutschland ein mittlerweile ernsthaftes Hindernis für die Entwicklung im Sektor. In einem investitionsintensiven Umfeld wie der Güterwagenbeschaffung sorgt auch die aktuelle Zinssituation für unruhige Zeiten, aber hier bahnt sich hoffentlich eine Entspannung an.
Ist die Digitale Automatische Kupplung (DAK) eine Revolution für Wagenhalter oder gibt es eher Bedenken, ob ein solches Großprojekt überhaupt Chancen hat?
Wir merken, dass die Diskussion rund um die DAK in unserem Sektor angekommen ist. Was mir dabei auffällt, ist der zum Teil fehlende Gesamtzusammenhang. Damit meine ich, dass die DAK viel zu oft isoliert nur als technische Komponente betrachtet wird und nicht als eine der Voraussetzungen für den Weg der Digitalisierung und Automatisierung. In der Diskussion geht aus meiner Sicht manchmal ein wenig die Perspektive verloren, warum wir an der DAK arbeiten, nämlich um am Ende deutlich leistungsfähiger zu sein.
Zwangsläufig müssen in einem solchen Großprojekt viele technische, organisatorische und auch finanzielle Schwierigkeiten gelöst werden, damit man die erwarteten Ziele auch erreichen kann. Wir sind zuversichtlich, dass eine realistische Umsetzung möglich ist und wollen dem Projekt eine echte Chance geben. Positiv zu erwähnen ist der Umstand, dass alle Stakeholder so gut wie selten zuvor an einem Strang ziehen und wir gemeinsam schon viel weitergebracht haben. Die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung ist den meisten bewusst. VPI-Mitglieder stellen übrigens in relevantem Ausmaß Wagenmaterial und Mitarbeiter für DAK-Arbeitsgruppen zur Verfügung.
Wie kann die Automatisierung mehr Güter auf die Schiene bringen?
Es ist eigentlich ein Paradoxon. Gerade die spurgebundene Eisenbahn wäre eigentlich prädestiniert für bestimmte Aspekte der Digitalisierung und Automatisierung wie den automatisierten Fahrbetrieb. Aber die teilweise noch immer national geprägten Bahnsysteme und die damit fehlende, durchgängige Interoperabilität sowie die damit zusammenhängende Komplexität hindern uns daran. Die aufwendigen Produktionsprozesse im Verkehrsträger Schiene sind nach wie vor ein Entwicklungshemmer und eine echte Eintrittshürde für neue Kundengruppen. Es fehlt die Attraktivität. Mittel- bis langfristig werden wir, wie in allen anderen Industrien, einen entschlossenen Schritt in Richtung Digitalisierung und Automatisierung gehen müssen, um alle Beteiligten besser zu verknüpfen. Da werden wir an uns selbst im Sektor arbeiten müssen, denn die Vielzahl der Beteiligten und die noch immer nicht ausreichende Bereitschaft der Kooperation und Transparenz führen zu Ineffizienzen zwischen den verschiedenen Akteuren. Die Konsequenz: längere Transportzeiten und höheren Kosten, die die Kunden immer weniger akzeptieren. Viele Wagenhalter haben diese Notwendigkeit erkannt und sind aktiv in ihrem Einflussbereich tätig geworden, zum Beispiel durch die Bereitstellung von technischen Wagendaten, Laufleistungsinformationen oder die Herstellung von Schnittstellen zur elektronischen Übermittlung von Schadprotokollen, um nur einige zu nennen. Ganz wichtig an dieser Stelle: Neben diesen Faktoren sind wir schon heute sehr gefordert, auf den Arbeitskräftemangel zu reagieren. Für bestimmte Jobprofile, wie z. B. des Verschiebers, können heute nur mehr bedingt Menschen interessiert werden, zukünftig wird diese Funktion automatisiert werden müssen, wenn Verkehre nicht zum Erliegen kommen sollen. Hier werden die DAK und die darauf aufbauende Automatisierung der Schiene Abhilfe schaffen können.