Zum Auftakt des ersten Tages eröffnete Petra Seebauer, Geschäftsführerin des Logistik-Kompetenz-Zentrums (LKZ) Prien, die Veranstaltung mit einem eindringlichen Appell für „ein neues Maß an Innovation und Kooperation in der Logistik“. Sie legte einen besonderen Schwerpunkt auf die aktuellen gesellschaftlichen Multikrisen, die auch die Logistik in hohem Maße betreffen, und setzte Akzente bei Klimawandel, der Resilienz der Versorgungsketten und der notwendigen Digitalisierung. „Fertige Rezepte gibt es nicht, aber es geht um handelnde Menschen, ihre Kompetenz und ihren Mut, gemeinschaftlich neue Wege zu gehen“, betonte Seebauer.
Gemeinwohl und Stärkung der Regionen in den Fokus nehmen
Andreas Friedrich, Erster Bürgermeister der Marktgemeinde Prien und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der LKZ Prien GmbH, griff in seiner Begrüßung diesen Impuls auf und forderte eine stärkere Berücksichtigung des Gemeinwohls über die Interessen Einzelner, insbesondere in der Versorgung von Städten, Kommunen und Siedlungen. Auch Landrat Otto Lederer, Aufsichtsratsvorsitzender der LKZ Prien GmbH, postulierte in seinen Grußworten: „Wenn wir unsere Umwelt- und Klimaziele erreichen wollen, hat jeder von uns einen Beitrag zu leisten. Nur gemeinsam können wir die Herausforderungen des Güterverkehrs bewältigen, die regionale Wertschöpfung stärken und Innovationen von der Region für die Region, aber natürlich auch regionenübergreifend entwickeln und umsetzen.“
Tag 1
Panel 1
Der erste Tag gliederte sich in drei Hauptsessions: Zur Arbeitswelt, Fachkräftemangel und Digitalisierung moderierte Stephan Meyer (LOGIVISOR Institute GmbH) und widersprach dem oft unbegründeten Glauben an eine Heilwirkung durch Technologie. Die Mitglieder seines Panels – Julia Boppert (trilogIQa), Stephan Doppelhammer (Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen e.V.), Peter Wachinger (Oskar Schunck GmbH & Co. KG) und Guido Zander (SSZ Beratung) – setzten Akzente in Arbeitsbedingungen, Wertschätzung und Führungsstil sowie in der Aufwertung der ökonomischen Bedeutung der Logistik.
Panel 2
Digitale und nachhaltige Supply Chains waren das Thema des Panels von Volker Hillebrand, Hauptmoderator des zweitägigen Symposiums (Implement Consulting Group Germany GmbH). Er diskutierte mit den Experten Jörg Egretzberger (Trustbit), Bo Jensen (Nokia Oyi), Armin Neises (WAVES S.à.r.l.), Simon Rauch (Fraunhofer IIS) und Thorsten Semlinger (Marc O’Polo AG). Neises stellte einen Perspektivwechsel an und konstatierte, dass „der nachhaltigste Transport derjenige ist, der gar nicht erst stattfindet“. Semlinger sprach die ökologischen und sozialen Probleme der „Fast Fashion“ und die kritische Rolle der „Fast Logistics“ an. Jensen erklärte, warum „Daten der Schlüssel zum Erfolg sind“, Egretzberger und Rauch äußerten sich über KI: „Wer sich jetzt mit KI beschäftigt, hat einen Wettbewerbsvorteil“ und „KI alleine führt nicht gleich zu nachhaltigeren Lieferketten.“
Panel 3
Uwe Clausen von Fraunhofer IML führte eine interessante Diskussionsrunde mit Michael Andergassen (Amt für Mobilität, Land Südtirol), Georg Dunkel (Landeshauptstadt München), Matthias Groher (Institut für neue Mobilität und AllianZ-SUL), Hajo Gruber (Erster Bürgermeister der Gemeinde Kiefersfelden) und Landesrat René Zumtobel (Mitglied der Tiroler Landesregierung) über die „Mobilität im Wandel“ und setzte mit seinen Gästen sowohl Akzente in Metropolregionen und auf dem Land, insbesondere aber auch hinsichtlich länderübergreifender Probleme im Alpenraum durch den Güterverkehr. Bürgermeister Hajo Gruber aus Kiefersfelden erhielt viel Applaus für seine eindringliche Forderung, der Schiene für den Güterverkehr den Vorzug zu geben.
Tageskommentar
Den Tageskommentar moderierte Volker Hillebrand zusammen mit Klaus Krumme, Gründungsdirektor des Europäischen Zentrums für Nachhaltigkeitstransformation (euzent) an der Hochschule Rhein-Waal und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Joint Centre Urban Systems (JUS) an der Universität Duisburg-Essen. Krumme unterstrich die dringende Notwendigkeit, längst überfällige Reduktionen von Treibhausgasemissionen im Transportbereich zu erreichen, nicht nur um katastrophale ökologische, sondern auch ökonomische Folgen zu verhindern. Er verwies auf den Umstand, dass jeder investierte Euro in Vermeidung und Anpassung an den Klimawandel mindestens sechs Euro späterer Kosten gegenübersteht und wies auf eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hin. Diese prognostiziert, dass die wirtschaftlichen Kosten des Klimawandels bis zum Jahr 2050 einem globalen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 19 Prozent des globalen BIP entsprechen.
Trotz des ernsten Bildes, das durch die Dringlichkeit der Herausforderungen in allen Panels gezeichnet wurde, stand der erste Tag des Symposiums im Zeichen der Lösungsfindung und endete mit einem starken Aufruf zum Handeln und zur Überwindung bestehender Denkmuster.
Abendempfang
Den krönenden Abschluss des ersten Veranstaltungstages bildete der Empfang des bayerischen Staatsministers für Wohnen, Bau und Verkehr, Christian Bernreiter anlässlich des Symposiums LOGISTIK INNOVATIV in der Festhalle Hohenaschau zu Füßen des beeindruckenden Schlosses Hohenaschau. Trotz einiger konträrer Diskussionspunkte war der persönliche Austausch von Staatsminister Christian Bernreiter, Landesrat René Zumtobel, Landesrat Daniel Alfreider, den beiden Verbandsvertreterinnen Sabine Lehmann vom LBS und Christine Völzow von der vbw unter Moderation von LKZ-Geschäftsführerin Petra Seebauer von Offenheit und gegenseitigem Engagement geprägt, weiterhin wichtige Weichen stellen und gemeinsam Grenzen abbauen zu wollen, um die Situation im alpenquerenden Verkehr nachhaltig zu verbessern.
Tag 2
Dieser Tag stand ganz im Zeichen der Umsetzung der Energiewende und der Dekarbonisierung in der Logistik. Die Diskussionen fokussierten sich dabei nicht nur auf technische Lösungen, sondern beleuchteten insbesondere die Rolle des Menschen mit seinen Möglichkeiten und Kompetenzen, die Logistik neu auszurichten und zukunftssicher zu gestalten. Sämtliche Panels und die lebhaften Austausche mit dem Gesamtauditorium waren geprägt von einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit den Themen, einer offenen Diskussionskultur und einem durchgehenden Appell zum Handeln. Der Aufruf zum „Tun“ richtete sich kritisch-reflektiv an die anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer selbst, die Politik für die Schaffung notwendiger Rahmenbedingungen und Anreizsysteme sowie auch an die Verbraucherinnen und Verbraucher, um sich der Logistik und neuen Anforderungen wie der notwendigen Klimaneutralität bewusster zu werden.
Panel 1
Über aktuelle Herausforderungen im multimodalen Verkehr und in die Zukunft gerichtete nachhaltige Lösungen diskutierten im ersten Panel des zweiten Veranstaltungstags die Top-Experten Maximilian Altmann (ARS Altmann AG), Ingrid Felipe (DB InfraGO AG), Mario Glöckner (CargoBeamer AG), Georg Lennarz (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)), Georg W. Staller (UPM GmbH) und Jörg Stephan (Bundesministerium für Digitales und Verkehr). Klare Worte fand dabei DB-InfraGo-Vorständin für Infrastrukturplanung und -projekte Ingrid Felipe: „Die Basis für die Verlagerung auf die Schiene ist eine verlässliche Infrastruktur und die ist im Moment noch nicht gegeben.“ Insofern sei die nun beginnende Sanierung der großen Transportkorridore bei aller Schmerzhaftigkeit ob der notwendigen Streckensperrungen unumgänglich. Dafür setze man auf einen engen und konstruktiven Dialog auch mit den beteiligten und betroffenen bayrischen Unternehmen.
Dass der Erfolg des Systems Schiene entscheidend vom Zugang zur Infrastruktur abhänge, unterstrich auch Maximilian Altmann: „Mit der Initiative ‚Jeder Meter zählt – Bündnis Gütergleise“ wollen wir als Industrie darauf aufmerksam machen, dass alle Maßnahmen des Infrastrukturausbaus und der vermehrten Nutzung des Verkehrsträgers Schiene nur greifen, wenn wir Güterzüge parken können. Dies ist erforderlich, um auf Slots für die Korridore zu warten, Verzögerungen abzufedern und schnellere Personenzüge vorbeizulassen. Wir müssen solche Warte- und Dispositionsgleise ausbauen und nicht zurückbauen.“ Moderator Florian Fürle vom LKZ schloss das Panel mit den passenden Worten von Karl Valentin: „HEUTE ist die gute, alte Zeit von MORGEN. Lassen Sie uns GEMEINSAM positiv nach vorne blicken und HEUTE die Zukunft von MORGEN gestalten!“
Panel 2
Das hochkarätig besetzte Panel mit den Experten Julian Allendorf (Schmitz Cargobull AG), Gregor Frieb (Volvo Group Trucks Europe GmbH), Dominik Herzog (H2 Mobility Deutschland GmbH & Co. KG), Marc Künster (E.ON Drive GmbH), Bruno Lukas (Green Logistics Enabler), Peter Ochsenkiel (Paul Nutzfahrzeuge GmbH) und Paul Stempfle (Kögel Trailer GmbH) gaben einen Einblick über den aktuellen und zukünftigen Entwicklungsstand von alternativen Antrieben auf der Straße und Schiene und beleuchteten das breite Feld der CO2-Reduzierung unter verschiedenen Blickwinkeln. VR-Chefredakteur Gerhard Grünig, Moderator des Panels, resümierte: „Wir müssen aus dem Reden ins ‚Doing‘ kommen.“
Panel 3
Wertvolle Einblicke aus unterschiedlichsten Blickwinkeln in dem von Logivest-CEO Neumeier moderierten Panel zum Thema nachhaltige Standorte und den Beitrag zur Energiewende gaben Johannes Metzger (Metzger Spedition GmbH), Uwe Nestel (SVG Süd), Manfred Niederauer (Schüller Möbelwerk KG), Anton Steinberger (Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria) und Gerhard Uhl (Geiger Gruppe und Mitgliedsvertreter Bayerischer Bauindustrieverband e.V.). So betonte beispielsweise Uhl, dass viele Unternehmen bereits in innovative Lösungen wie regenerative Energien oder die Kreislaufwirtschaft investieren. Er forderte eine verstärkte Nachahmung, aber auch Anreize und neue Kooperationsformen, den Austausch von Daten und eine gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen und Services, um den Transformationsprozess zu beschleunigen.
Panel 4
Fehlender Lkw-Parkraum stellt ein Sicherheitsrisiko für alle Verkehrsteilnehmer dar. Durch unsachgemäßes Parken der Lkw beispielsweise in Ein- und Ausfahrten von Parkplätzen sowie in Nothaltebuchten entlang der Autobahn entsteht ein erhöhtes Unfallrisiko für alle. Welche privatwirtschaftlichen Lkw-Parkraum-Angebote zusätzlich zu den geplanten Flächen des Bundes bestehen und wie der Parkplatz der Zukunft aussehen sollte, darüber diskutierten im letzten Panel des Tages die Experten Thorsten Gutmann (KRAVAG Truck Parking), Gerhard Hauptstein (XXLKW Secure Parking Elbebrücke), Mirko Schmidt (Nagel-Group), Robert Schmidt (PANSUEVIA GmbH & Co. KG) und Josef Seebacher (Die Autobahn GmbH, Niederlassung Südbayern ). Moderatorin Anja Ludwig resümierte: „Wir dürfen nicht vergessen, uns mit den alltäglichen Herausforderungen derer zu beschäftigen, die im Transportsektor arbeiten. Die Parkplatznot der Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer auf Autobahnen ist ein drängendes Problem, das noch zu oft übersehen wird. Es ist an der Zeit, dass wir als Gesellschaft dieser Problematik mehr Beachtung schenken und GEMEINSAM Lösungen entwickeln.“
Trotz einer gewissen allgemeinen „Lernsättigung“ in Branche und Gesellschaft, wie es auch Johannes Metzger von der Metzger Spedition formulierte, betonten alle Rednerinnen und Redner die Dringlichkeit und Unausweichlichkeit der Transformation. Viele appellierten an die Politik, insbesondere bei europäischen Regelsetzungen, die Prozesse nicht zu überbürokratisieren, sondern flexibel, umsetzungsorientiert und agil zu gestalten.
Der Austausch mit den Teilnehmern hat gezeigt, dass es zwar einerseits noch viele offene Fragen zu Themen wie beispielsweise Antriebsstoffe oder die Verwendung von KI gibt, aber andererseits auch bereits viele gute Ansätze existieren, um die Zusammenarbeit weiter zu stärken, dabei auf bereits vorhandene Lösungen zurückzugreifen und so den ständig wachsenden Anforderungen von Kunden oder durch die Implementierung neuer Regularien gerecht zu werden.
Nur wenn alle zusammenarbeiten – Politik, Kommunen, Verlader, Transportunternehmen, Dienstleister und Lösungsanbieter –, kann die Dekarbonisierung erfolgreich vorangetrieben werden.
Abschluss: Aufforderung zu mehr Interaktivität und Iterativität
Klaus Krumme, Universität Duisburg-Essen und derzeit Gastprofessor für Nachhaltige Systeme an der Hochschule Rhein-Waal, dankte in seinem Abschlusskommentar allen Teilnehmenden für den offenen Austausch bis in Detailfragen der Güterverkehrswende hinein und betonte die Notwendigkeit eines veränderten, schnelleren und agileren Modus der Veränderung, um sich den Herausforderungen des zukünftig nachhaltigen Wirtschaftens zu stellen. Er plädierte angesichts aufgebrauchter Zeitpuffer dafür, starre Masterplanungen des Güterverkehrs weniger in den Vordergrund zu rücken und stattdessen in interaktiven, iterativen Formaten zwischen Logistik und Partner-Branchen, Politik, öffentlicher Hand und Verbänden zu arbeiten.
Anschauliche Beispiele für erfolgreiche Ansätze lieferte das H2-Reallabor Burghausen, vorgestellt von Anton Steinberger, bei dem 35 Partner aus Industrie, Logistik, Wissenschaft und öffentlicher Hand zusammenarbeiten, um den größten bayerischen Chemiestandort ChemDelta Bavaria klimaneutral zu gestalten. Weiterhin wurden direkte Anwendungsbeispiele wie die verkehrsvermeidenden Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in der Baulogistik von Geiger-Logistik oder die automatisierte Verladetechnik der CargoBeamer AG vorgestellt, die von der Straße auf Güterzüge übergeht und so eindrucksvolle Möglichkeiten und Chancen aufzeigt.
Über das Symposium
Das Symposium LOGISTIK INNOVATIV, das im Zwei-Jahres-Turnus in Prien am Chiemsee stattfindet, ist seit über 25 Jahren eine Institution im Bereich der Logistik und eine neutrale Plattform, die den Austausch zwischen Fachexperten ermöglicht und die beteiligten Akteure aus Wirtschaft, Kommunen, Wissenschaft, Verbände und der Politik an einen Tisch.
Über das LKZ Prien GmbH
Das Logistik-Kompetenz-Zentrum (LKZ) mit Standort in Prien am Chiemsee ist ein Innovationszentrum für Logistik, Verkehr und Mobilität mit interdisziplinärer Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft und internationaler Ausrichtung. Das LKZ-Netzwerk mit ansässigen Unternehmen und Instituten sowie weiteren Kooperationspartnern steht für höchste Kompetenz in den Bereichen Logistik, Verkehr und Mobilität. Seit über 25 Jahren entwickelt, steuert und koordiniert die LKZ Prien GmbH umfassendes Logistik-Know-how. Sie bietet ein hervorragendes und breit gefächertes Netzwerk mit Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene.
Die LKZ Prien GmbH bietet als kompetenter Experte in der Strategie-, Prozess- und Förderberatung ihre Leistungen auf nachfolgenden Kompetenzfeldern an: Digitale und nachhaltige Lieferketten & Prozesse, nachhaltiger Güterverkehr, insbesondere Kombinierter alpenquerender Verkehr und Vernetzung von Verkehrsträgern, Themen zur Energienutzung in der Logistik und klimaneutraler Mobilität, betriebliches und kommunales Mobilitätsmanagement, Themen zur Aus-/ Weiterbildung sowie Versorgungsprozesse in Kliniken, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Zudem bietet die LKZ Prien GmbH als neutraler Moderator eine Plattform für eine Vielzahl an Unternehmen aus verschiedenen Branchen, im Rahmen eines Grüne-Wiese-Konzepts kreative und umsetzbare Ideen sowie nachhaltige Innovationsprojekte in Logistik, Verkehr und Mobilität zu entwickeln und umzusetzen.