Herr Erkara, im letzten Jahr haben Sie den zehnten Geburtstag Ihres Unternehmens gefeiert. Wie ist es zur Gründung gekommen?
Und warum haben Sie den Fokus Ihrer Tätigkeiten auf die Türkei gelegt?
Irgendwie bin ich aufgrund meines Backgrounds und meiner Sprachkenntnisse für dieses Geschäft und diese Region prädestiniert. Bevor ich Bulung im Jahr 2012 gegründet habe, war ich über ein Jahrzehnt in der Logistikbranche tätig und dort von Anfang an in die Türkei-Geschäfte involviert. Ich konnte in dieser Zeit viele Erfahrungen sammeln, die ich dann später für Bulung eingesetzt habe. Bulung ist übrigens ein alttürkisches Wort und bedeutet frei übersetzt ins Deutsche: vier Ecken und acht Himmelsrichtungen. Die Alttürken haben sich damals vorgestellt, dass die Welt flach und quadratisch ist sowie über acht Himmelsrichtungen verfügt. Sie haben das mit eigenen Runen dargestellt und diese habe ich in das Firmenlogo eingebaut. Den Namen Bulung habe ich also einerseits aufgrund meiner Herkunft ausgewählt, aber auch um zu verdeutlichen, dass wir von unserer Zentrale aus in alle Ecken der Welt liefern, die Türkei aber im Fokus haben.
Die Türkei ist ja auch ein Tor nach Asien, in den Nahen Osten und auch in Teile Afrikas.
So ist es. Wir bedienen über unsere Zweigniederlassungen in der Türkei – in Istanbul und Mersin – Zentral- und Vorderasien, natürlich auch die GUS-Staaten und China, den Nahen Osten sowie die Arabische Halbinsel. Die Logistikbranche in der Türkei hat sich über die Jahre stark entwickelt und wir haben diese Entwicklung immer vor Ort mitverfolgt. Unser Know-how der Region sowie des türkischen Marktes und die Tatsache, dass es nur wenige Anbieter in Europa gibt, die diese Relationen kontinental anbieten können, macht uns als Unternehmen schon einzigartig. Neben unseren Büros in Österreich und der Türkei haben wir aber auch Standorte in Bulgarien, Rumänien, Serbien – seit kurzem sind wir auch in Spanien mit einer eigenen Firma vertreten, weil 80 bis 90 Prozent unseres Geschäfts aus unserem Büro in Istanbul zwischen Spanien, Portugal, Frankreich, Marokko und der Türkei rollt. Wir wollten nie die klassische Verbindung Deutschland–Türkei bedienen, sondern in die Nische gehen. Und ist sehr erfolgreich, weil es hier einen großen Bedarf gegeben hat, nicht nur für Straßentransporte. Es gibt ja auf dem Markt reine Frächter, reine Bahn-Spezialisten oder Intermodal-Anbieter, die diese Relationen in gewissen Mengen im Angebot haben. Aber wir können alle diese Transportformen mit eigenem Equipment offerieren. Zudem haben wir auch eine sehr gute Seefracht-Verbindung.
Welche Transportmodi werden am meisten genutzt?
Die Seefracht liegt an erster Stelle, dann kommen die Straßentransporte, gefolgt von den Intermodal- und Bahn-Transporten. Wir haben 80 eigene Zugmaschinen, 200 kranbare Trailer und 300 Container, mit denen wir im intermodalen Bereich arbeiten. Wobei Intermodal bei uns nicht immer nur Straße-Schiene bedeutet, sondern auch Transporte mit der Fähre, zum Beispiel von Pendik nach Triest, umfasst. DFDS fährt beispielsweise mehrmals die Woche auf dieser Relation und wir buchen unsere Ladung dazu. Wir verwenden hier primär unsere kranbaren Trailer. Im Moment fahren wir mit der Fähre von Hafen zu Hafen und danach mit dem Lkw weiter. Wir wollen aber ab dem Hafen auch Bahnverbindungen aufbauen. In Frankreich geht es gut – da können wir direkt von Calais nach Paris mit der Bahn fahren. Aber in Spanien haben wir zum Beispiel noch nichts, daher ist unser Ziel, dort etwas aufzubauen. Hierbei bemühen wir uns, so viel möglich umweltfreundlich zu transportieren, also intermodal.
Seit dem Krieg von Russland gegen die Ukraine hat die nördliche Seidenstraße an Popularität eingebüßt. Die mittlere Seidenstraße wird seitdem präferiert, diese ist aber kaum ausgebaut. Wie blicken Sie auf das Thema?
Die Millionen an TEU, die über die nördliche Route geflossen sind, wird die mittlere Seidenstraße derzeit nicht aufnehmen können. Die chinesische Regierung und die Länder entlang der Route arbeiten schon an der Infrastruktur und an Lösungen, trotzdem reichen die Kapazitäten bei weitem noch nicht aus. Es gibt Unternehmen, die über das Schwarze Meer und die Türkei Produkte entwickelt haben, aber es mangelt hier unter anderen an Effizienz, und auch die Laufzeiten sind leider unberechenbar – man muss teilweise mit 40 Tagen rechnen. Nur: Dann kann diese Route nicht mehr mit dem Schiff konkurrieren. Das ist das Problem und da muss mehr getan werden. Von China bis zur westlichen kasachischen Grenze geht es noch gut, aber ab dem Kaspischen Meer wird es schwierig. Es gibt leider ein Bottleneck in der Region Georgien–Aserbaidschan–Türkei und es kommt hier oft zu Staus an den Terminals und Häfen – das ist alles also noch sehr ausbaufähig.
Seit Corona gibt es viele Diskussionen zum Thema Nearshoring. Hier soll der Türkei eine besonders vorteilhafte Rolle zukommen. Spüren Sie einen Trend in diese Richtung?
Aus unserer Sicht ist dieser Trend noch nicht groß. Wir haben auch damit gerechnet, dass mehr Unternehmen ihre Produktion aus China rückverlagern werden, aber es läuft nur mäßig. Es gibt natürlich schon ein paar, wie wir beobachten. Künftig werden auch mehr Produktionsstätten in der Türkei entstehen, allein deswegen, weil das Land noch über genügend Arbeitskräfte verfügt. Die Bevölkerung in der Türkei ist jung und es gibt zudem Migration aus den umgebenden Ländern; hier ist viel Billiglohn-Kapazität vorhanden, was die Türkei zu einem Gewinner in diesem Spiel macht. Dem in die Quere kommt allerdings ein wenig die politisch und wirtschaftlich eher instabile Lage in der Türkei.