Ab dem 1. Jänner 2023 ist laut der jüngsten Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes - ab einer Transportstrecke von 300 km mit schrittweiser Absenkung auf 100 km in Österreich - ein verpflichtender Transport von Abfällen über zehn Tonnen auf der Schiene vorgesehen. Die Fachverbände Entsorgungs- und Ressourcenmanagement sowie Spedition und Logistik sowie die Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) sehen diese Vorgaben sowohl aus rechtlicher als auch umweltpolitischer Sicht sehr kritisch. Die Bedenken werden durch ein Gutachten der Rechtsanwaltskanzlei DORDA untermauert.
Fristenregelung nicht praktikabel
Durch die neue Regelung, die künftig Abfalltransporte prioritär auf der Schiene vorsieht, haben Eisenbahnverkehrsunternehmen eine zweitägige Frist, das Angebot anzunehmen oder abzulehnen. Für den Obmann des Fachverbands Entsorgungs- und Ressourcenmanagement in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Harald Höpperger, ist diese Lösung nicht praxistauglich: „Was passiert im Fall von dringend notwendigen Ad-hoc-Lieferungen? Müssen diese dann mit einer zweitägigen Verspätung durchgeführt werden? Dies würde zu Lieferverzögerungen und wirtschaftlichen Nachteilen führen.“
Drohende Wettbewerbsnachteile
Zudem spricht die Regelung gegen die von der EU geplante Erleichterung von Abfalltransporten innerhalb der EU zur Stärkung der Recyclingprozesse. „Tritt die Regelung unverändert in Kraft, drohen den österreichischen Entsorgungsbetrieben Wettbewerbsnachteile. Die Konsequenz wäre, dass wertvolle Ressourcen nicht mehr im Land bleiben, sondern den kürzeren Weg Richtung angrenzender Länder nehmen“, erklärt Höpperger.
Verlagerung tut fast nichts für den Klimaschutz
Der Fachverband hat schon seit Monaten auf die Rechtswidrigkeit hingewiesen. Nun stärkt ein Gutachten, das von den WKÖ-Fachverbänden Entsorgungs- und Ressourcenmanagement sowie Spedition und Logistik und der Bundessparte Industrie in Auftrag gegeben wurde, die Einschätzung der Interessenvertretung.
In dem Gutachten bringt Rechtsanwalt Bernhard Müller unter anderem das Argument der CO2-Ersparnis des Umwelt- und Klimaministeriums stark ins Wanken. „Das Ergebnis bestätigt, dass die Auswirkungen für den Umweltschutz marginal sind. Aus meiner Sicht lässt sich der massive rechtliche Eingriff nicht rechtfertigen. Die zwangsweise Verlagerung der Abfalltransporte stärkt den Klimaschutz nicht bzw. nur sehr wenig. Bei der Analyse des zuständigen Ministeriums wurden weder die Anlieferung zum bzw. die Abholung vom Bahnhof und die dazugehörigen Leerfahrten berücksichtigt, wodurch gerade bei kurzen Bahntransporten eine massive Verschlechterung der Einsparung der Fall ist“, hebt Müller hervor. Außerdem gibt es laut Einschätzung des Rechtsanwaltes klare EU- und Verfassungsrechtsbrüche.
Bahnzwang = verzögerte Rohstoffströme + Verlust von Marktanteilen + Haftungsprobleme
Uwe Schmidt, Fachverband der NE-Metallindustrie / Bundessparte Industrie, bewertet die neue gesetzliche Regelung als äußerst mangelhaft: „Wir bringen mit unseren Prozessen Recycling-Rohstoffe wieder als Produkte in den Kreislauf und entsprechen damit der Forderung aus dem Green Deal, die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Durch den Bahnzwang ist jedoch eine zeitnahe und damit wettbewerbsfähige Produktionsplanung in der Lieferkette und zu den Kunden nicht mehr möglich. Besonders bei werthaltigen Abfällen wie Metallschrotten kommen darüber hinaus noch qualitative und haftungsrelevante Aspekte hinzu, die offensichtlich nicht berücksichtigt wurden. Unsere Lieferketten und wir selbst stehen im internationalen Wettbewerb. Mit dem zu erwartenden Mehraufwand bei Abwicklung, Reklamationsbearbeitung und allgemeinen Kosten werden wir erhebliche Stoffströme und Marktanteile verlieren. Wir selbst sind große Fans des Bahntransports und liefern mehr als 60 Prozent unserer Produkte per Bahn aus - aber nur dort, wo es Sinn macht.“
„Verlagerung ist faktisch nicht möglich“
Laut Obmann des Fachverbandes Spedition und Logistik, Alexander Winter, ist die Auslastung der Bahn bereits jetzt schon sehr hoch, weitere Verlagerungen können faktisch nicht bewerkstelligt werden. Weder Terminal- noch Schieneninfrastruktur-Kapazitäten sind in ausreichender Anzahl vorhanden, um die Warenströme zu bewältigen. Durch mangelnde Konkurrenz befürchten die Spediteure zudem eine einseitige Preisvorschreibung (Preisdiktat).
Keine Bahnkapazitäten vorhanden
Neben den rechtlichen Unstimmigkeiten verweist der Fachverband Spedition und Logistik darauf, dass der Personenverkehr dem Güterverkehr auf den wichtigen Verkehrsstrecken immer vorgezogen werde. „Sollten Abfälle künftig mit der Bahn transportiert werden, bedarf es einer massiven Aufrüstung des Angebots. Ansonsten ist dieses Vorhaben nicht umsetzbar“, erklärt Winter und ergänzt: „Die vorhandenen Gütermengen lassen sich nicht so ohne Weiteres auf die Schiene verlagern. Es sind ganz einfach keine Kapazitäten vorhanden. Zudem haben die Betriebe einen erhöhten Verwaltungsaufwand aufgrund der digitalen Abfragen und verlieren wertvolle Zeit. Dies sind keine optimalen Voraussetzungen, um die Straße zu entlasten und die Umwelt zu schonen.“
Branchenvertreter fordern nun das Umweltministerium auf, das Gesetz nochmals auf Rechtmäßigkeit und Praxistauglichkeit zu prüfen.