Verkehr: Herr Schwarz, wie hat sich das vergangene Jahr für DPD entwickelt?
Rainer Schwarz: 2021 haben wir einen Umsatz von 276 Millionen Euro gemacht – 18,3 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Wir haben 66,5 Millionen Pakete zugestellt – etwa die Hälfte B2C. Im Vergleich zum Jahr zuvor entspricht das einem Wachstum von in etwa 16,5 Prozent. Während des Lockdowns, der sich über eine lange Zeit gezogen hat, ist die Zahl der Online-Bestellungen enorm gestiegen, und das haben wir gespürt. Es gab Monate, in denen wir 50 Prozent Wachstum im Vergleich zur Vorjahresperiode hatten. Das hat für uns bedeutet, dass jedes Fahrzeug, mit dem Pakete zugestellt werden konnten, auf der Straße war. Das war schon eine echte Herausforderung, weil wir natürlich auch auf unsere Mitarbeiter und Fahrer geachtet haben. Aufgrund der unterschiedlichen Sicherheitsmaßnahmen ist die Produktivität leicht gesunken. Um ein Beispiel zu nennen: Normalerweise haben zwei bis drei Mitarbeiter einen Lkw entladen und die Pakete auf das Förderband gelegt. Während der Pandemie war nur ein Mitarbeiter dafür zuständig. Wir mussten also oft die Produktivität herunterschrauben, um unser Personal zu schützen; eigentlich hätten wir aber mehr Mitarbeiter einteilen müssen, um das Wachstum stemmen zu können.
Und wie hat sich das erste Halbjahr 2022 gestaltet?
Schwarz: Es war natürlich ab-sehbar, dass der Wachstumstrend vom Vorjahr nicht auf Dauer halten kann. Wir liegen aktuell bei minus drei Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021. Wenn man diese Zahl aber mit der Zeit vor Corona vergleicht, dann sieht man immer noch ein großes Wachstum.
Wie wirken sich die enorm gestiegenen Energiepreise auf das Geschäft aus?
Schwarz: Wir spüren die Energiepreise vor allem in unserem Verteilzentrum in Oberösterreich, wo wir mit einer Verdreifachung der Preise rechnen müssen – das muss man erstmal verdauen. Wir haben schon seit etlichen Jahren einen Energie- bzw. Treibstoffzuschlag für unsere Kunden eingeführt, den wir dann (wenn es notwendig war) regelmäßig „gecheckt“ haben. Aktuell geschieht das in kurzen Zeit-abständen – bei manchen Kunden müssen wir sogar in sehr kurzen Abständen schauen, wie sich der Preis entwickelt.
Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie eigentlich mehr Mitarbeiter benötigt hätten. Wie sieht denn die Personalsituation aktuell aus?
Schwarz: Derzeit ist es sehr herausfordernd. Man hört aus vielen Branchen, dass ihnen Mitarbeiter fehlen. Ich frage mich nur, wo diese Leute hingehen, wenn überall Personal benötigt wird? Wir als DPD suchen Personal und versuchen zu vermitteln, dass wir auch in Krisenzeiten eine sichere Branche sind. Wir haben letztes Jahr aktiv mit Employer-Branding-Aktivitäten begonnen, und zwar auch auf allen Kanälen und in den sozialen Medien – sogar in Videospielen waren wir präsent, in denen wir Jobanzeigen geschaltet haben. Um neue Mitarbeiter zu finden, müssen wir beginnen, über alternative Arbeitskonzepte nachzudenken, und damit meine ich Teilzeitbeschäftigungen oder sogar nur das stundenweise Zustellen von Paketen. Das haben wir im ländlichen Raum bereits erprobt – dort haben Menschen am Abend dann zwei Stunden lang Pakete zugestellt. Aber das kann man nur koordinieren dank der Digitalisierung. Wir haben eine App, über die man Zustellungen abwickeln kann.
Mit dem Thema Personalmangel bzw. -verfügbarkeit hängt auch die Frage nach den Kapazitäten zusammen.
Schwarz: Wir hatten viele Anfragen von Großkunden, die wissen wollten, ob wir ihnen die benötigte Kapazität zu der Peak-Zeit rund um Weihnachten garantieren können. Das war nämlich für alle Unternehmen sehr schwierig. Jetzt haben aber alle ihre Kapazitäten ausgebaut und das Thema ist derzeit eher, das Volumen zu halten.
Apropos Kapazitäten: Wir haben einen Ausbauplan, der bis ins Jahr 2025 reicht und vorsieht, dass unser Sortierzen-trum in Hörsching ausgebaut wird, womit die Kapazität um ein Drittel erweitert wird. Aber auch im Raum Wien und Niederösterreich wird ausgebaut. Wir wollen in der Gegend um Wiener Neustadt herum und im Norden Wiens jeweils eine zusätzliche Niederlassung eröffnen. Wir werden auch in St. Pölten und Tirol ausbauen. Wir setzen dabei auf Sub-Depots. Diese sind zwar etwas kleiner als unsere bisherigen Niederlassungen, aber so bekommt man leichter Flächen für unsere Expansionspläne. Wir gehen also diesen Weg, um kleinere Depots zu bauen, die aber sozusagen infrastrukturell verbunden sind mit den großen Depots. Das zu bauende Sub-Depot in Wiener Neustadt wäre zum Beispiel mit unserem großen Depot in Leopoldsdorf bei Wien verbunden. Auch der Einsatz von E-Fahrzeugen wird auf diese Weise wesentlich einfacher funktionieren.
Gutes Stichwort: Welche Erfahrungen haben Sie denn mit E-Fahrzeugen gesammelt?
Schwarz: Wir setzen natürlich auf E-Mobilität. Allerdings sind unsere Erfahrungen hier doch gemischt. Denn: Wir haben hohe Anforderungen an die Fahrzeuge. Wir brauchen Volumen und eine gewisse Reichweite, weil unsere Niederlassungen alle außerhalb der Stadt liegen. Es hat eine Weile gedauert, bis Fahrzeuge auf dem Markt waren, die für uns in Frage kommen. Aber: Es kann bis zu 18 Monate dauern, bis man das Fahrzeug vom Hersteller bekommt. Das wird dann mit den Sub-Depots besser funktionieren, weil wir auch kleinere bereits verfügbare Fahrzeuge nutzen können. Bis 2025 wollen wir in den Landeshauptstädten allerdings mit E-Fahrzeugen zustellen.
Sie haben auch die Digitalisierung angesprochen. Wo geht die Reise hin in diesem Bereich?
Schwarz: Unsere Branche kann gar nicht mehr funktionieren ohne die Digitalisierung. Man denke da einfach nur an den Datenaustausch. In Zukunft werden wir uns auch mit der Automatisierung beschäftigen müssen, vor allem in unserem Sortierzentrum.
Vielen Dank für das Gespräch!