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H₂-Pionier im Praxistest

Für DACHSER unterwegs im Wissenschaftshafen von Magdeburg: der Hyundai XCIENT Fuel Cell mit Wasserstoffbrennstoffzellen-Technologie.
Fotos: DACHSER
Fahrer mit Pioniergeist: Stefan Heinze muss auf seinen Touren immer auch viele Fragen beantworten.
Fotos: DACHSER

Bei DACHSER in Magdeburg ist seit über eineinhalb Jahren ein Schwerlast-Lkw mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie im Einsatz. Der lokal emissionsfreie Lkw stellt im Zweischichtbetrieb seine Alltagstauglichkeit im Nah- und Fernverkehr jeden Tag unter Beweis.

Es ist eng an Tor 11. Links steht bereits ein Sattelzug, rechts eine Wechselbrücke. Das exakte Rückwärtsrangieren mit dem Dreiachser ist für Stefan Heinze allerdings kein Problem. Alltagsroutine in einer Logistikanlage. Ungezählte Male hat der 43-jährige Berufskraftfahrer das schon gemacht. Wie all die anderen Kollegen, die hier tagtäglich – oft im Minutentakt – am Umschlaglager des DACHSER Logistikzentrums Magdeburg mit ihren Lkw und Sattelzügen ein- und ausfahren. Und doch ist etwas anders als beim sonstigen Rangieren auf der Anlage an der Wörmlitzer Straße. Stefans Lkw fährt nahezu geräuschlos, nur der Warnpiepser beim Rückwärtssetzen ist zu hören.
Der 27-Tonner mit Anhänger sieht aus wie ein gewöhnlicher DACHSER-Lkw, dunkelblaue Kabine, gelb-blauer Kofferaufbau. Ein Aufkleber an der Seite markiert jedoch den entscheidenden Unterschied: „h2truck“ steht da, eingerahmt von den Logos der Förder- und Entwicklungspartner. Das „H“ steht für Wasserstoff und leitet sich aus Hydrogenium ab, lateinisch für der „Wassererzeuger“.

Verteilerverkehr und Rundlauf
Stefan ist einer von drei Fahrern des Hyundai XCIENT Fuel Cell – der erste serienmäßige Schwerlast-Lkw mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb, den DACHSER hier im Herzen von Sachsen-Anhalt in den Regelbetrieb integriert hat. Tagsüber rund 180 Kilometer im Verteilerverkehr, nachts mit Food-Logistics-Einheit auf dem Anhänger als 42-Tonnen-Gespann im Rundlauf zwischen Magdeburg und Berlin-Schönefeld, jeweils 290 Kilometer pro Schicht.

Hohe CO₂-Einsparpotenziale
Der „Dicke“, wie die Fahrer den Wasserstoff-Lkw liebevoll nennen, ist eigentlich ein Elektro-Fahrzeug, das seine Energie aus zwei Brennstoffzellen bezieht. In einer elektrochemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff erzeugen diese Strom und treiben einen 350 Kilowatt (ca. 480 PS) starken Elektromotor an.
„Als Teil unserer Klimaschutzstrategie beschäftigen wir uns intensiv mit alternativen Antrieben und Kraftstoffen. Wir wollen deren Entwicklung aktiv unterstützen“, sagt Alexander Tonn, Chief Operating Officer (COO) Road Logistics bei DACHSER: „Wir sehen Potenzial in der Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie. Diese nun im Logistik-Alltag auf Herz und Nieren testen zu können, ist ein wichtiger Schritt für uns.“

Seit 2018 auch elektrisch unterwegs
DACHSER verfolgt eine langfristige Klimaschutzstrategie und treibt mit dem Fokus auf Effizienz, Innovation und integrative Verantwortung gemeinsam mit Kunden und Partnern den Wandel hin zu einer nachhaltigeren Logistik voran. Bereits seit 2018 setzt das Unternehmen batterieelektrische Fahrzeuge unter anderem im Rahmen des nachhaltigen Stadtbelieferungskonzepts „DACHSER Emission-Free Delivery“ ein. Die Fahrzeugflotte mit alternativen Antrieben wird stetig weiter ausgebaut, insbesondere auch im Langstreckentransport.

Feldversuch seit 2023
Die Gelegenheit ergab sich, als letztes Jahr in unmittelbarer Nachbarschaft zum DACHSER Logistikzentrum Magdeburg nahe der A2 eine öffentliche Wasserstofftankstelle ihren Betrieb aufnahm. Christian Schäckel, Leiter der Niederlassung, sah darin eine Chance: „Das passt doch sehr gut zur Nachhaltigkeitsstrategie von DACHSER“, dachte er sich und begann sogleich mit Fuhrparkleiter Jens Horstmann die Möglichkeit eines Feldversuches auszuloten. Fast zeitgleich brachte Hyundai mit dem XCIENT Fuel Cell erste Schwerlast-Lkw mit Wasserstoffbrennstoffzellen-Technologie auf den Markt. DACHSER nahm das zum Anlass, zusammen mit der H2 Green Power & Logistics GmbH und dem Lkw-Vermieter H2 Delivery Truck Pool GmbH & Co. KG einen eigenen Feldversuch über eine Laufzeit von acht Jahren zu starten. Am 2. Mai 2023 ging es los.

Infrastruktur noch in den Kinderschuhen
„Das ist erst einmal eine Umstellung“, berichtet Stefan Heinze. „Der Wasserstoff-Lkw verlangt einen anderen Blick aufs Fahren als beim Diesel. Die Kraftübertragung ist viel direkter, da muss man schon dosiert beschleunigen, dass bei so viel Drehmoment des Elektromotors beim Anfahren nicht die Räder durchdrehen. Und dann muss man natürlich den Wasserstofftank im Blick haben, die Erreichbarkeit einer Tankstelle und sogar den Tank-Standard 350 oder 700 bar, denn der ist noch nicht einheitlich geklärt. Mit leerem Tank unterwegs stehen zu bleiben, ist eine Havarie. Reservekanister gibt es nicht.“
Gilt die Ladeinfrastruktur für die batterieelektrische Lkw europaweit noch als sehr ausbaufähig, steckt die Versorgung mit grünem Wasserstoff noch komplett in den Kinderschuhen. Aktuell gibt es für Lkw kaum Tankstellen und nur wenig verfügbaren „grünen“ Wasserstoff – laut Online-Datenbank H2stations.org gab es bis Ende 2023 in Europa 265 Wasserstofftankstellen, davon eignen sich etwa 40 Prozent für Pkw und auch Lkw. Damit ist allerdings auch die Wirtschaftlichkeit des Wasserstoff-Antriebs noch nicht gegeben, zumal die Anschaffungskosten nochmal deutlich über den von batterieelektrischen Fahrzeugen liegen. Um den Wasserstoff-Pfad dennoch im Rahmen seiner Klimaschutzstrategie offenzuhalten, finanziert DACHSER das H₂-Pilot-Fahrzeug in Magdeburg aus seinen Forschungs- und Innovationsaktivitäten heraus.
Sich von den wenigen vereinzelten Wasserstofftankstellen allzu weit fortzubewegen, ist derzeit keine Option. „Für unseren Feldversuch haben wir Strecken mit entsprechender Versorgung gewählt“, erklärt Fuhrparkleiter Jens Horstmann. „Die Wasserstoff-Tankstellen in Magdeburg und Berlin-Schönefeld sichern den laufenden Schichtbetrieb ab. Aber klar, wenn die Tankstellen mal Lieferengpässe haben, hängen wir natürlich an deren Tropf. Aber das passiert glücklicherweise nur sehr selten.“

31 Kilogramm Wasserstoff-Gas
Bevor es auf Tour zu den Kunden geht, fährt Stefan Heinze an der Wasserstoff-Tankstelle vor. Anstellen muss er sich hier nicht. Hinter der Fahrerkabine hat der Truck sieben Wasserstofftanks aufgereiht. Sie werden mit gasförmigem Wasserstoff mit einem Druck von 350 bar betankt – Pkw tanken bei 700 bar, man kommt sich also an der Tankstelle nicht ins Gehege. „Das geht ganz einfach und unkompliziert wie bei einer gewöhnlichen Diesel-Zapfsäule“, sagt Stefan Heinze, als er die Zapfpistole mit der Tankkupplung verbindet. „In etwa 20 Minuten sind die sieben Drucktanks in der Regel befüllt, bei sehr niedrigen Temperaturen dauert es etwas länger.“ 31 Kilogramm Wasserstoff-Gas fasst der H₂-Truck. Der durchschnittliche Verbrauch liegt bei zirka sieben Kilogramm Gas pro 100 Kilometer. Ein Kilogramm Wasserstoff kostet zehn bis fünfzehn Euro.

Viele Fragen – viele überraschende Antworten
Auf seiner Tour muss der DACHSER Fahrer immer wieder Fragen der Kunden zu seinem außergewöhnlichen Lkw beantworten. Wie funktioniert das mit dem Wasserstoff? Wie fährt sich der Lkw? Ist das gefährlich? Warum engagiert sich DACHSER auf diesem Feld? Stefan Heinze erklärt das Fahrzeug und sein Konzept gerne: „Nein, gefährlicher als ein anderer Lkw ist das nicht, bei einem Crash würde der Wasserstoff über Sollbruchstellen einfach nach oben ‚abgasen‘. Im Tank ist Gas, keine Flüssigkeit und statt Abgas gibt es destilliertes Wasser. Insgesamt ist das Fahren viel leiser und vibrationsfreier, entspannter, also wie gemacht fürs Fahren in innerstädtischen Umweltzonen. Das könnte wirklich ein guter Weg in eine emissionsfreie Zukunft sein …“

Ganzheitliches Projekt, das noch Überzeugungsarbeit leisten muss
„Stefan, René und Dirk, unsere drei Fahrer auf dem Wasserstoff-Lkw, brennen für die neue Technologie. Sie haben Lust auf die Vorreiterrolle im nachhaltigen Transport der Zukunft. Und sie begeistern sich aus vollem Herzen für das Erlebnis eines völlig neuen Fahrens“, stellt Fuhrparkleiter Jens Horstmann fest. Er weiß aber auch, dass viele andere Fahrer der neuen Technologie noch mit Skepsis gegenüberstehen. „Da schwingt doch immer wieder eine gehörige Portion Respekt vor dem Unbekannten mit“, meint Jens Horstmann. „Für die Überzeugungsarbeit braucht es die positiven Erfahrungen direkt aus dem Fahreralltag. Mit bloßer Theorie ist es nicht getan.“
Und so ist der Wasserstoff-Lkw-Feldversuch für das Team um Jens Horstmann ein ganzheitliches Projekt: „Jetzt muss sich die Technologie in der Praxis bewähren. Gleichzeitig wird sie auch hinsichtlich ihrer Akzeptanz bei Fahrenden und den Kunden kritisch gecheckt.“  Ein Biosafthersteller aus dem Magdeburger DACHSER Kundenkreis habe gleich Gefallen an der klimafreundlichen Transport-Technologie gefunden. „Wir sollten Materialien für Festivals des Unternehmens ausschließlich mit dem ‚Neuen‘ ausliefern“, berichtet Jens Horstmann. „Da gab es dann gleich Bilder und Videos bei Instagram und Tiktok zu sehen.“


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