Wie planen die ÖBB, ihre Güterverkehrskapazitäten in den nächsten Jahren auszubauen?
Unser Ziel muss ganz klar sein, mehr Güter auf die Schiene zu bekommen. Dafür haben wir unterschiedliche Hebel: von Investitionen in das Schienennetz über Bauprojekte wie die Koralmbahn oder der Brenner Basistunnel bis hin zur Digitalisierung von Wagen, Strecken und Prozessen. Bis 2040 soll sich so die Leistungsfähigkeit unseres Systems Bahn verdoppeln. Aber: Extremwetterereignisse, wie wir sie kürzlich erlebt haben, werfen uns natürlich in unseren Bemühungen zurück. Während der Lkw kurz nach dem Hochwasser Güter wieder auf der Straße transportieren konnte, reparieren wir noch immer die verheerenden Schäden an unseren Tunnelanlagen, Bahnhöfen und Strecken.
Unsere Kundenbetreuer im Güterverkehr sind im laufenden Austausch mit all unseren Kunden und suchen nach Wegen und Mitteln, trotz Streckensperren die Güter ans Ziel zu bringen. So haben wir es geschafft, zum Beispiel die Erzzüge zur voest und die Zuckerrübenzüge zur Agrana auf Schiene zu halten. Die Versorgungssicherheit für Industriebetriebe und damit die Menschen in Österreich zu gewährleisten, gehört für uns zur Tagesordnung, genauso Kunden von der Schiene zu überzeugen. Das stellt uns auch in normalen Wetterphasen vor Herausforderungen, denn neben den unausgeglichenen Wettbewerbsbedingungen zwischen Straße und Schiene müssen wir auch die starke nationale Fragmentierung unseres Systems abbauen und europäischer werden. Mein Leitsatz gilt nach wie vor: Einen Zug durch Europa zu fahren, muss so einfach sein wie beim Lkw. Europa braucht mehr Bahn und die Bahn braucht mehr Europa.
Wie wollen Sie den grenzüberschreitenden Güterverkehr in Europa verbessern?
Wir haben noch ein großes Potenzial für die Schiene in Europa. Der Modalanteil liegt hier aktuell bei ca. 18 Prozent. In Österreich sind wir mit rund 28 Prozent europäischer Musterschüler. Für die Rail Cargo Group sind Österreich und Ungarn die beiden Heimmärkte, aber 80 Prozent unserer Transporte finden international statt, wir fahren durch ganz Europa und bis nach China. Was viele nicht wissen: Wir sind der zweitgrößte Bahnlogistiker in Europa. Und mit dieser Positionierung braucht es natürlich eine internationale Herangehensweise. Ein wichtiger Schritt ist die Optimierung unserer internationalen Produktionskonzepte, also zum Beispiel den Einsatz von Personal und Lokomotiven. Wir betrachten nicht mehr jedes Land in Europa für sich, sondern erarbeiten ein durchgängiges länderübergreifendes Konzept. Daher erweitern wir auch stetig unser Eigentraktionsnetzwerk, denn es stellt einen Wettbewerbsvorteil dar.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei den ÖBB?
Zu unseren erklärten Zielen zählt es, Abläufe zu automatisieren, sie einfacher und schneller zu gestalten und analoge, aufwändige und teure Prozesse durch digitale Lösungen zu ersetzen. Ein gutes Beispiel ist die Digitale Automatische Kupplung (DAK). Ihre Etablierung wird den Schienengüterverkehr europaweit schneller, sicherer und wettbewerbsfähiger machen. Wir bekommen über die DAK auch mehr Kapazität im Netz, weil wir auf einer bestehenden Infrastruktur einen dichteren Takt fahren können.
Wir investieren in innovative Asset- und digitale Systemlösungen, um unseren Kunden Echtzeitinformationen über ihre Lieferungen zur Verfügung zu stellen. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung haben wir mit MIKE gesetzt. Dieser digitale Assistent ist die durchgehende Digitalisierung unserer internen Prozesse, aber schafft auch Schnittstellen zu unseren Kunden durch Funktionen wie das Verfolgen von Sendungen, das Aufgeben von Transportaufträgen und das Planen von Kapazitäten.
Welche Innovationen sind für die letzte Meile geplant?
Wir sehen regelmäßig, dass vor allem kleine und mittelständische Unternehmen auf die nachhaltige Schiene setzen wollen, aber am Unternehmensstandort kein eigenes Anschlussgleis besitzen. Kosten und Aufwand dafür schrecken sie oft ab. Diese Hürde überwinden wir nun gemeinsam mit unserem multimodalen Angebot: Denn wir holen die Ware per Lkw ab, schlagen diese für den Hauptlauf auf die Schiene um und kümmern uns auch in der letzten Meile darum, dass die Güter per Lkw sicher zum Zielort gebracht werden. Wir kümmern uns Tür-zu-Tür um die gesamte Lieferkette und erreichen dadurch auch neue Kundensegmente. So fahren mittlerweile auch Bier und Limonade aus Ostösterreich die erste und letzte Meile mit dem Lkw und über die lange Distanz auf dem Zug.
Dafür haben wir auch eigene Aufbauten, die einfach und schnell vom Lkw auf den Zug und zurück umgeschlagen werden können – ohne Portalkräne und große Terminals. Zum Einsatz kommen hier zum Beispiel Wechselaufbauten der RCG, auch „Curtainsider Swap Bodies“ genannt. Sie sind auf Zug und Lkw einsatzfähig sowie universell verladebar und schließen damit die Lücke zwischen Straße und Schiene. Darüber hinaus läuft bei uns auch ein Innovationsprojekt zum selbstfahrenden Güterwagen zur flexibleren Bedienung der letzten Meile.
Welche Investitionen planen Sie in den nächsten Jahren?
Die Investitionen in die Schieneninfrastruktur und in das System Bahn betragen laut Rahmenplan 21,1 Milliarden Euro für den Zeitraum 2024-2029, diese kommen auch dem Güterverkehr zugute. Und auch bei der ÖBB Rail Cargo Group stehen in den nächsten Jahren einige Investitionen an. Mittelfristig werden rund 400 Millionen Euro in Güterwagen und zugehöriges Equipment investiert. Ebenso viel geht in neue und umgebaute Loks für den Güterverkehr. Rund 60 Millionen Euro fließen in den kommenden sechs Jahren alleine bei unserer Rail Cargo Group in den Bereich IT. Denn nur mit einem Schienengüterverkehr, der fit für die Zukunft ist, können wir mehr Güter auf die Schiene bringen.
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