Der größte Mobilitätsdienstleiter des Landes steht – wie viele andere Unternehmen in Österreich – vor einem Generationenwechsel. Rund ein Fünftel der aktuellen Belegschaft geht in den nächsten Jahren in Pension. Die ÖBB wollen bis 2028 18.000 neue Mitarbeiter aufnehmen. Zeit, neue Wege am Arbeitsmarkt zu beschreiten. Welche Wege zur Auswahl stehen, haben ÖBB CEO Andreas Matthä und AMS Chef Johannes Kopf vor kurzem im ÖBB Dinner Talk mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft beim Europäischen Forum Alpbach diskutiert.
ÖBB-CEO Matthä und AMS-Chef Kopf im Dialog
Die Kernfrage des Dialogs von ÖBB-CEO Andreas Matthä und dem Vorstandsvorsitzenden des AMS Österreich, Johannes Kopf, war, wie man den Herausforderungen am Arbeitsmarkt begegnen könne. „Um den Fachkräftemangel, der uns noch auf absehbare Zeit begleiten wird, zu bekämpfen, müssen wir eine Vielzahl von Hebeln in Bewegung setzen. Die wichtigste Maßnahme wären flächendeckende Ganztageskinderbetreuungsangebote in ganz Österreich, damit Frauen mehr Stunden arbeiten können, wenn sie dies auch wollen. Österreich wird weiter Zuwanderung benötigen, um den Bedarf an Fachkräften zu decken. Und auch bei geflüchteten Personen gibt es große Potenziale. Deren Integration in den Arbeitsmarkt braucht aber Zeit, gut aufgestellte Programme und entsprechende budgetäre Mittel“, unterstrich AMS-Chef Kopf, der auch die gute und intensive Zusammenarbeit mit den ÖBB betont.
Es braucht Mut, Zuversicht und neue Ideen!
Die ÖBB wollen bei der Personalsuche – neben ihren bewährten Methoden – auch neue Akzente setzen. Matthä betont: „Unser Generationenwechsel ist eine Mammutaufgabe. Um Menschen zu begeistern, die ÖBB zu ihrer beruflichen Heimat zu machen, wollen wir neue Wege beschreiten. Wir müssen Frauen mobilisieren, in technischen Berufen zu arbeiten, den Zugewanderten Chancen geben – durch Sprachkurse und Aus- und Weiterbildung. Und wir müssen stärker auf die Bedürfnisse der neuen Generation nach flexibleren Arbeitsmodellen eingehen. Darüber hinaus sollten wir auch über Modelle nachdenken, ältere Mitarbeiter länger im Job zu halten. Um in all diesen Bereichen neue Wege zu finden, brauchen wir Mut, Zuversicht und innovative Ideen.“
Testphase: FlexiFriday-Modell bei ÖBB Infrastruktur
Dem Bedürfnis nach Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben tragen die ÖBB überall dort, wo es möglich ist, mit flexiblen Arbeitszeiten Rechnung. Für Mitarbeiter mit Schichtdienst werden Dienstpläne schon jetzt so gestaltet, dass viele nur an drei oder vier Tagen pro Woche arbeiten müssen. Darüber hinaus testet die ÖBB Infrastruktur aktuell ein FlexiFriday-Modell, mit dem durch den Wegfall der Kernarbeitszeit – eben am Freitag – eine Vier-Tage-Woche möglich wird. Auch eine Ausweitung auf weitere Bereiche und Berufsbilder bei den ÖBB wird aktuell geprüft.
Volles Arbeitsmarktpotenzial nutzen
Um den Generationenwandel zu bewältigen, setzen die ÖBB darauf, auch in Zukunft das volle Potential am Arbeitsmarkt auszuschöpfen und wollen dabei neue HR-Standards setzen. So soll beispielsweise das Potenzial von Menschen mit Fluchthintergrund in Zukunft stärker genutzt werden. Deshalb bieten die ÖBB Lehrplätze für geflüchtete Jugendliche. 95 Lehrlinge sind bereits in Ausbildung, mit dem neuen Lehrjahr 2023/24 werden weitere 17 folgen. In Kooperation mit dem AMS und NGO suchen die ÖBB auch gezielt nach Frauen mit Fluchthintergrund, die Interesse an einer Ausbildung haben und unterstützen mit Sprachlernangeboten den Einstieg ins Unternehmen.
Frauenanteil weiterhin kontinuierlich erhöhen
Auch die Frauenquote im Konzern soll von aktuell 15 Prozent bis 2028 auf 17 Prozent gesteigert werden. Deshalb bieten die ÖBB unter anderem Karriereworkshops, Netzwerkveranstaltungen, Weiterbildungsangebote und Cross-Mentoring-Programme an. Besonders im Bereich der Lehrlinge, wo der Frauenanteil bereits bei 21 Prozent liegt, und im Top-Management, wo ab 1.1.2024 der Frauenanteil auf 46,2 Prozent steigt, zeigen die Maßnahmen bereits besonders gut Wirkung.
Weiterbeschäftigung über das Pensionsalter hinaus?
Auch ältere Arbeitnehmer sind ein wichtiger Faktor, um den Generationenwandel zu stemmen. Wenn Pensionisten dem Unternehmen tage- oder stundenweise erhalten bleiben, wird einerseits der Wissenstransfer sichergestellt und ansonsten offene Positionen bleiben besetzt. Die ÖBB prüfen gerade, unter welchen Konditionen und in welchen Bereichen eine Weiterbeschäftigung über das Pensionsalter hinaus sinnvoll und möglich ist.