Die Logistik zählt zu den Branchen, die bereits seit Jahren über einen dramatischen Mangel an Fachkräften klagen. Und mittlerweile sind es nicht nur Fachkräfte, sondern überhaupt Arbeitskräfte, die in bestimmten Bereichen fehlen wie der sprichwörtliche Bissen Brot. Als mögliche Lösung für dieses Problem hört man in letzter Zeit häufiger das Schlagwort „Employer Branding“. Doch was genau steckt hinter diesem modernen Managementbegriff? Ist das wirklich ein strategisches Konzept, das halten kann, was es verspricht?
War for Talents
Den Kampf um die besten Arbeitskräfte gibt es schon seit Jahrzehnten. Bereits in den späten 1990er-Jahren war man sich der Tatsache bewusst, dass es in einem kompetitiven Markt mit einer aufgrund des demografischen Wandels immer älter werdenden Bevölkerung zunehmend schwieriger wird, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und diese dann auch zu halten. Also mussten Strategien her, wie man als Arbeitgeber besser wahrgenommen wird und sich gegenüber anderen so positioniert, dass die Entscheidung der besten Kandidaten zugunsten des eigenen Unternehmens fällt. Die Arbeitgebermarke war geboren. Denn Strategien, die bei der Markenbildung von Qualitätsprodukten gegenüber Konsumenten bereits gut funktioniert hatten, wurden jetzt auf die Vermarktung des Unternehmens gegenüber seinen Kandidaten übertragen.
Internationale Konzerne als Vorreiter
Große und global tätige Unternehmen sind schon recht früh auf den Employer-Branding-Zug aufgesprungen. Dort waren ab Anfang der 2000er-Jahre unter der Federführung von HR-Abteilungen ganze Projektgruppen damit beschäftigt, das Unternehmen mithilfe einer gezielten Markenstrategie bei den Bewerbern ins rechte Licht zu rücken. Im KMU-Bereich ist Employer Branding als Methode erst wesentlich später angekommen, fehlt es doch meistens an den notwendigen HR-Ressourcen, um diesen doch recht aufwendigen Prozess anzustoßen. Außerdem hat sich in vielen Fällen gezeigt, dass der ursprünglich sehr populäre Weg eine Arbeitgebermarke über reine Marketinginstrumente zu etablieren, auch gerne mal nach hinten losgehen kann.
Kultur, Werte und Normen
Denn bevor man sich nach außen entsprechend darstellen und sich auch von den Wettbewerbern am Arbeitsmarkt abgrenzen kann, ist es erst einmal notwendig, das eigene Unternehmen mit all seinen Stärken und Schwächen wirklich gut zu kennen. Und für diesen Blick nach innen braucht es die Mitarbeit der Basis. Damit die im Unternehmen beschäftigten Menschen jedoch ehrliches Feedback geben, muss ihnen dafür zuerst einmal die passende Möglichkeit und ein sicherer Rahmen geboten werden. Denn wer kann – abseits von weichgespülten Mission&Vision-Statements – die tatsächlich gelebte Unternehmenskultur besser beurteilen als die direkt Betroffenen? Und wer kennt die im Unternehmen vorhandenen Werte und Normen genauer als diejenigen, die Tag für Tag mit ihnen zu tun haben? Da trennt sich schnell die Spreu vom Weizen und lässt sich schnell feststellen, ob innere Realität und Präsentation nach außen übereinstimmen.
Authentisch muss es sein
Ist das nämlich nicht der Fall, dann ist man gewonnene Mitarbeiter genauso schnell wieder los, wie man sie mit schöngefärbtem Marketing anwerben konnte. In Zeiten von Social Media und Online-Arbeitgeberbewertungen will man sich so etwas sicherlich nicht antun. Denn ist die Selbstdarstellung des Unternehmens nicht authentisch und finden die Bewerber in ihrem Job nicht das Umfeld und die Rahmenbedingungen vor, für die sie sich aufgrund einer Arbeitgebermarke entschieden haben, dann fliegt das heutzutage schneller auf, als einem lieb ist. Es ist gerade in Branchen mit Fachkräftemangel sicherlich sinnvoll, in ein professionelles Employer Branding zu investieren; aber nur dann, wenn man gleichzeitig bereit ist, auch Zeit und Energie in die Entwicklung einer arbeitnehmerfreundlichen Unternehmenskultur zu stecken.