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„Die Praxisorientierung steht bei uns besonders im Vordergrund“

Foto: Lukas Lorenz
Um den Fahrermangel zu senken, müssen neue Zielgruppen wie Frauen und junge Menschen angesprochen und begeistert werden. Letztere könnte man mit der Entwicklung neuer Antriebstechnologien und ihrer aktiven ­Beteiligung daran gewinnen, so Karl-Martin Studener, Geschäftsführer ÖAMTC Fahrtechnik.
Foto: Lukas Lorenz

Karl-Martin Studener, Geschäftsführer der ÖAMTC Fahrtechnik, hat zwar kein Geheimrezept, wie man den Mangel an Fahrern beseitigen kann, dafür aber ein paar sehr vernünftige Ideen. Dazu gehört auch die Berufsfahrer-Akademie, die er im Interview mit Verkehr genauer vorstellt.

Verkehr: Herr Studener, in Österreich fehlen bis zu 10.000 Lkw-Fahrer. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Gründe dafür?
Karl-Martin Studener:
Zunächst einmal gibt es da die logische demografische Entwicklung: Sehr viele Berufskraftfahrer gehen in Alterspension und es kommen nicht genug (junge) Menschen nach, die diese offenen Positionen besetzen. Man hätte auch früher erkennen können, dass es zu diesem Problem kommen wird. Hier müssen Maßnahmen gesetzt werden. Ein weiterer Faktor, der zu dieser Zahl beiträgt, ist die ­Attraktivität des Berufs. Es ist nicht so, dass der Beruf selbst nicht attraktiv wäre, es ist eher so, dass die Wahrnehmung der ­Attraktivität nicht vorhanden ist. Mit diesem Job verbindet man das Bild eines Fahrers, der das Wochenende auf der Raststätte irgendwo an der Autobahn verbringt. Aber das entspricht nicht der Realität. In Österreich sucht man Fahrer, die die tägliche Versorgung sicherstellen. Das sind Jobs, die in der Früh beginnen und am Abend enden. Es ist also ein Job, der aufgrund der Arbeitszeiten durchaus attraktiv ist, aber nicht so wahrgenommen wird.

Was müsste man tun, um diesen Beruf für junge Menschen attraktiver zu machen?
Studener: Wir müssen neue Zielgruppen dazu bringen, diesen Beruf in Erwägung zu ziehen. Das müssen primär junge Leute und auch Frauen sein. Es wird nicht ohne diese zwei Gruppen gehen. Man muss also überlegen, wie man diese beiden Gruppen richtig anspricht. Dazu braucht es ganz klare Botschaften, die Arbeitszeiten, Entlohnung, Berufsumfeld und Angestelltenverhältnis thematisieren. Junge Menschen wollen aber auch wissen, was sie im Beruf erwartet, welche Aus- und Weiterbildungmöglichkeiten es gibt und welche Karrierechancen sie haben. All das muss man klar kommunizieren, aber die gegebenen Versprechen dann auch einhalten.

Gibt es weitere Möglichkeiten, potenzielle Zielgruppen anzusprechen?
Studener:
Ich kann von einer ganz speziellen Erfahrung berichten: Wir haben oft Frauen in den Fahrtechnikzentren, die Fahrsicherheitstrainings absolvieren. Wenn Frauen dort die Möglichkeit haben, in einen Lkw zu steigen, dann ist das für sie ein besonderes Erlebnis, vor allem wenn dann am Gelände noch eine Runde in Begleitung gefahren wird. So wird die Angst vor dem großen Fahrzeug schnell genommen.
In Bezug auf junge Leute könnte man auch besonders betonen, dass sich die Transportbranche in der Transformationsphase befindet und dass E-Lkw und Lkw mit alternativen Antrieben im Kommen sind. Junge Menschen könnten dann aktiv diesen Transformationsprozess aktiv mitgestalten.

Die ÖAMTC bietet nun mit der Berufsfahrer-Akademie praxisorientierte Ausbildungsprogramme für Berufsfahrer an. Wie wird das Angebot angenommen und wie viele Personen bilden Sie jährlich aus?
Studener:
Das ist ein Projekt, das wir aus zwei Gründen begonnen haben: Zum einen weil der Bedarf nach Berufsfahrern gegeben ist. Wir möchten unbedingt dabei sein und ein entsprechendes Ausbildungsprogramm anbieten, damit das Thema nicht an der Fahrtechnik vorbeigeht. Die Fahrtechnik möchte immer am Puls der Zeit richtige Aus-und Weiterbildungen anbieten, und da gehört es dazu, dass wir neben den Bereichen Zweirad, Motorrad, Pkw und Lkw auch wirklich inhaltlich neue Dinge bringen. Deshalb haben wir die Praxisausbildung für Berufsfahrer in unser Programm aufgenommen.
Zum Zweiten: Die Ausbildung braucht Zeit und ist ressourcen-, sprich personalintensiv: Wir haben einen Betreuungsschlüssel von 1:2. D.h.: Ein Fahrsicherheitstrainer ist für zwei Auszubildende zuständig; daher sind unserere Kapazitäten, also wie viele Personen wir wirklich ausbilden können, begrenzt – sie bekommen aber durch dieses Trainer-Auszubildende-Verhältnis die qualitativ beste Ausbildung, die es gibt. Basis ist allerdings, dass der zukünftige Fahrer bereits bei einem Unternehmen angestellt ist und im Rahmen des Angestelltenverhältnisses diese Ausbildung absolviert. Außerdem wird das Programm vom AMS gefördert. Im Rahmen des Trainings gehen wir in Absprache mit dem Unternehmen auf die spezifischen Inhalte ein, die der Auszubildende in seinem Unternehmen benötigt; im Ideal­fall wird die Ausbildung dann auch bereits mit den Fahrzeugen des zukünftigen Arbeitgebers durchgeführt. Spezifische Inhalte können z.B. sein: Wo befinden sich die anzufahrenden Be-und Entladestellen? Wie wird dort die Rampenfahrt bewerkstelligt? Welche Routenplanung ist am sinnvollsten? Wie funktioniert die Ladungssicherung für spezifische Güter, die von diesem Unternehmen transportiert werden? Wir legen besonders großen Wert auf eine starke Praxisorientierung.

Wie ist die Ausbildung generell aufgebaut?
Studener:
Die ersten beiden Monate der Ausbildung dienen dem Führerscheinerwerb. Sollte jemand den C- oder C/E-Führerschein noch nicht haben, sind wir dem Unternehmen bei der Auswahl der Fahrschule behilflich, begleiten den Kandidaten und bereiten ihn auf die Fahrschule vor. Wir sprechen auch mit der Fahrschule, damit die Ausbildungsinhalte und die Anzahl der Fahrstunden sowie die Ausbildungstage in der Fahrschule richtig zugeschnitten sind – das funktioniert alles in dem Dreieck Fahrschule, Unternehmen und Fahrtechnik. Wir sprechen miteinander und können so den zeitlichen Ablauf optimieren und inhaltlich das Richtige trainieren. Wir unterstützen die Kandidaten auch in der Vorbereitung auf die Prüfung, stehen ihnen zur Seite für Fragen. Es gibt immer die Möglichkeit, mit dem Trainer Rücksprache zu halten, denn das Ziel ist es natürlich, dass alle den Führerschein auch tatsächlich schaffen. Die Kandidaten, die bis jetzt bei uns waren, haben den Führerschein auf Anhieb geschafft. Bisher haben heuer sechs Personen unsere Ausbildung absolviert und sind bereits bei den jeweiligen Unternehmen tätig.
Ich möchte nochmal betonen, dass wir großen Wert auf das Praxistraining legen und dabei Themen wie Ladungssicherung und das Bedienen eines digitalen Kontrollgeräts intensiv mit den Kandidaten bearbeiten . Denn man muss ja bedenken, dass heute eine Person schon nach zehn Fahrstunden in ein Fahrzeug einsteigt, das einen Wert von 150.000 Euro und mehr hat – dazu kommt der Wert der Ladung. Es ist uns besonders wichtig, dass von uns ausgebildete Fahrer am Ende auch wirklich in allen Bereichen sattelfest sind.

Wie sieht aktuell die Unfall-Statistik von Lkw aus? Kann man sagen, dass, weil es weniger Fahrer gibt, auch weniger Unfälle passieren?
Studener:
Wenn man die Unfall-Statistik liest, muss man differenzieren. 2021 hat es z. B. 1.354 Unfälle in Österreich mit Lkw-Beteiligung gegeben – nur bei 782 davon ist auch der Lkw der Verursacher. Gemessen an den gefahrenen Kilometern ist die Unfallhäufigkeit bei Lkw geringer als bei Pkw. Aber Lkw-Unfälle sind meist mit schwereren Folgen verbunden und dementsprechend medial präsenter. Um solche Unfälle zu reduzieren, sind regelmäßige Weiterbildungen wichtig, v.a. auch in Bezug auf die Ladungssicherung.

Welche Trainings bieten sich außerdem in puncto Fahrsicherheit an?
Studener:
Eigentlich ganz viele unterschiedliche Sachen wie die ADR (Gefahrgut)-Schulung oder die C- und D95-Kurse, die im Rahmen der Grundqualifikations- und Weiterbildungsverordnung (GWB) durchgeführt werden müssen.
Aber hervorheben möchte ich unsere Brems- und Fahrsicherheitstrainings, die mit dem Lkw des Fahrers praxisorientiert durchgeführt werden. Wir bieten auch Anhänger-Trainings an; daneben haben wir sogenannte „Fachbetriebe-Intensivtrainings“ im Programm, die auf gewerblich genutzte Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen zugeschnitten sind und bei denen die Bereiche Fahrsicherheit und Ladungs­sicherung parallel behandelt werden – ein Paradebeispiel dafür wäre der Wagen des Installateurs mit seinem im Laderaum eingeschlichteten Werkzeug.

Sie haben vorhin auch die E-Mobilität und alternative Antriebe angesprochen: Wie sehen die Reaktionen der Fahrer auf diese Technologien aus?
Studener:
Ich glaube, dass prinzipiell jeder an diesen Themen interessiert ist. Die Frage ist nur, wie weit wir von der Implementierung der Technologie entfernt sind. Wenn ich weiß, dass es irgendwann in ferner Zukunft Wasserstoff-Lkw geben könnte, dann denke ich nicht permanent daran. Das Interesse, solche Fahrzeuge kennenzulernen, ist aber jedenfalls vorhanden. Im Rahmen der Ausbildung an der Berufsfahrerakademie unternehmen wir mit den Fahrern eine Exkursion zu einem befreundeten Unternehmen, das E-Lkw baut. An diesem Tag können sie dann diese Fahrzeuge kennenlernen und sich detailliert  informieren.

Vielen Dank für das Gespräch!


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