Verkehr: Herr Böntner, unser letztes persönliches Interview fand 2017 anlässlich des Spatenstichs für Ihr Lager in Ennshafen statt. Im vergangenen Jahr wurden Sie dann zum Logitik-Manager 2021 gewählt und konnten auch geschäftlich eine erfolgreiche Bilanz ziehen. Was hat sich seitdem getan und was planen Sie für 2023?
Karl Böntner: In Ennshafen hatten wir inzwischen schon einen weiteren Spatenstich, denn die Halle von damals wurde bereits erweitert. Und wir sind gerade dabei, in unmittelbarer Nähe zu unserem Standort weitere Flächen anzukaufen. Wir planen, dort zu expandieren und unsere Hallenkapazität für Gefahrgut um weitere rund 12.000 Palettenplätze aufzustocken. Für nächstes Jahr steht dann auch die komplette Sanierung und Erweiterung des Standorts in Wien an.
Das große Ziel für 2023 ist jedoch die Konsolidierung, denn wir sind in diesem Jahr massiv gewachsen. Das heißt, dass wir vor allem im Personalbereich vom Lagerarbeiter bis hin zu den Führungskräften unseren Personalstand anpassen müssen. Das ist wegen des Arbeitskräftemangels ohnehin eine Herausforderung. Auch im Bereich Digitalisierung werden wir weiter investieren. Denn dieses Jahr ist das Geschäft wie eine Tsunamiwelle über uns hereingebrochen.
Ein Wachstum in dieser Größenordnung ist aber nur möglich, wenn alle an einem Strang ziehen. So etwas ist zwar wirtschaftlich hervorragend, bringt aber die Mitarbeiter an ihre Leistungsgrenzen. Denn wenn der Arbeitsaufwand so deutlich ansteigt, dann führt das auch zu häufigeren Fehlern und damit zu einem Qualitätsverlust. Deswegen stehen die Themen Personal und Qualität im kommenden Jahr an oberster Stelle.
Die Gefahrgutlogistik hat sich also als Wachstumsbranche erwiesen. Wo genau kommt dieser Boom her?
Böntner: Ein Auslöser ist das derzeit allgegenwärtige Thema der steigenden Rohstoffpreise. Denn dadurch haben die Kunden begonnen, Rohstoffe in einem hohen Maß zu bunkern. Ein zweite Ursache liegt darin, dass es Geschäftsfelder gibt, die aufgrund der aktuellen Entwicklung besonders gut laufen. Dazu zählt alles, was mit Lithium-Ionen-Akkus zu tun hat, also Speichermedien jeglicher Art, wie zum Beispiel für die Photovoltaik (besonders von privaten Verbrauchern). Der Transport von Lithium-Ionen-Akkus ist vor allem in großen Mengen heikel, weil man gefährliche oder potenziell brandverursachende Schäden äußerlich schlecht erkennen kann und sie daher spezielle Schutzmaßnahmen brauchen. Dieser Bereich erlebt derzeit einen ungeahnten Höhenflug, getrieben durch Themen wie Sorge vor einem Blackout- und Klimawandel. Da sprechen wir von Steigerungsraten von fast 400 Prozent! Das hat auch unsere Kunden überrascht.
Erschwerend kommt dazu, dass der Großteil dieser Waren aus China kommt. Das Problem mit den dortigen Lockdowns war, dass die Ware abwechselnd entweder gar nicht oder auf einmal in Riesenmengen angeliefert wurde. Wir sind ja für den Import an sich nicht verantwortlich, aber teilweise bearbeiten wir derzeit Lieferungen mit einem Auftragsdatum aus dem Frühsommer ...
Wie hat sich bei Ihnen in der Gesamtschau die Corona-Zeit ausgewirkt? Ende des vergangenen Jahres berichteten Sie, dass die Pandemie-Phase Ihrem Unternehmen nicht viel anhaben konnte.
Böntner: Wir sind erfreulicherweise ohne jegliche Probleme durch die gesamte Pandemie-Zeit gekommen. Es hat aber die ganze Logistikbranche von der Pandemie profitiert – nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem, was ihren Ruf anbelangt. Unsere Kunden – und ich spreche hier nicht nur als Unternehmer, sondern auch in meiner Eigenschaft als Funktionär der Wirtschaftskammer – haben gesehen, wie wichtig wir als Logistiker sind. Die Haltung, dass wir nur notwendige Erfüllungsgehilfen der Industrie sind, hat sich grundlegend geändert. Man hat die Bedeutung der Transportwirtschaft für die Zusammenarbeit erkannt und damit ist die Wertschätzung der verladenden Wirtschaft und des Handels für uns Logistiker gestiegen. Man merkt das in allen Gesprächen und auch in Preisverhandlungen. Es geht nicht mehr – so wie früher – ausschließlich um den Preis, um ein paar Cent hier und dort. Heute ist der Faktor „Zuverlässigkeit“ viel wichtiger. Und die Tatsache, dass man überhaupt einen Partner hat, der gut mit einem zusammenarbeitet, ist mittlerweile auch viel entscheidender, als ob etwas um fünf Euro mehr kostet.
Welchen Stand hat die Branche Ihrer Ansicht nach bei der Politik?
Böntner: Politisch gesehen hat die Transportbranche einen völlig anderen Stand – da ist sie nicht gut angeschrieben. Ich finde es bedenklich, dass alle Maßnahmen, wie beispielsweise der Lobautunnel oder der Ausbau von Autobahnen, mit dem Argument „Klimawandel“ einfach pauschal verurteilt werden. Wir tun von unserer Seite wirklich viel, wir suchen das Gespräch und versuchen uns als Branche zusammen mit der Nutzfahrzeugindustrie ständig einzubringen.
Aber von Seiten der Politik ignoriert man hier sehr gerne die alltäglichen Realitäten und kreiert – ohne uns einzubinden – Zukunftsszenarien, die so gar nicht umsetzbar sind. Ob man jetzt elektrifiziert fährt oder mit Wasserstoff, ist wieder ein ganz anderes Thema, das uns die Zukunft zeigen wird. Und ich bin der Letzte, der sich weigert, alternative Antriebstechnologien einzusetzen. Aber selbst, wenn ich mich jetzt beispielsweise dazu entschließen würde, unsere gesamte Flotte auf E-Lkw umzustellen, dann ist einfach Fakt, dass derartige Fahrzeuge für den Gefahrguttransport gar nicht zugelassen sind. Und so etwas passiert immer dann, wenn man sich nur mit einem Ausschnitt des Gesamtproblems beschäftigt.
Wie sehr sind Sie von der Energiepreissteigerung betroffen?
Böntner: Was den Dieselpreis anbelangt, der sich verdoppelt hat, arbeiten wir in unseren Verträgen bereits seit vielen Jahren erfolgreich mit Floater-Tarifen. Damit können wir gut umgehen. Die Versechsfachung des Strompreises ist aber eine ganz andere Geschichte. Hier haben wir (wie viele andere auch) einen Energiepreiszuschlag eingeführt. Durch eine transparente und auf Partnerschaft basierende Kommunikation haben wir den Zuschlag bei allen unseren Kunden durchgebracht. Denn diese haben ja das gleiche Problem und geben ihrerseits Aufschläge weiter, bis sie letztendlich den Endkunden treffen. Derartige Erhöhungen kann der Einzelne nicht schlucken und so landet das Problem am Ende des Tages bei der breiten Masse der Konsumenten.
Vielen Dank für das Gespräch!