Konkret sprechen die Bundesspartenobleute die geplante Generalsanierung der deutschen Bahninfrastruktur an, die bis 2030 Sanierungsvorhaben in rund 40 Streckenabschnitten auf mehr als 4.300 km Länge umfasst. Vor allem die Modernisierung der beiden wichtigsten Bahnverbindungen mit Österreich, der Strecken Nürnberg–Regensburg–Passau sowie München–Rosenheim–Salzburg werden in den Jahren 2026 und 2027 zu massiven Beeinträchtigungen auch auf österreichsicher Seite führen.
Bis zu 140 Güterzüge täglich von Sperre in Passau betroffen
Bis zu 140 Güterzüge täglich laufen über den Grenzbahnhof Passau. Aufgrund der Totalsperre für mehrere Monate im Jahr 2026 müssen diese über erheblich längere und weniger leistungsfähige Strecken umgeleitet werden. In Summe werden fast drei Viertel des gesamten Warenaustausches mit Deutschland über den Grenzübergang Passau abgewickelt, das entspricht 20 Prozent des gesamten österreichischen Schienengüteraufkommens. „Hier gibt es zwar dankenswerterweise Bemühungen der ÖBB Infrastruktur, durch Trassenumwidmung auf österreichischer Seite eine gewisse Erleichterung zu schaffen, aber gänzlich kompensieren wird man das kaum können“, so Klacska. Und er rechnet vor: Würde man das gesamte von der Sperre betroffene Volumen auf die Straße verlagern, würde das rund 1,4 Millionen zusätzliche Lkw-Fahrten im Jahr bedeuten.
Zu wenig Ausweichrouten – 24 Millionen Tonnen Güter betroffen
„Die Bahn ist der wichtigste Verkehrsträger für Containertransporte aus und nach Österreich“, ruft Bundessparte Industrie-Obmann Siegfried Menz in Erinnerung. „So werden 98 Prozent des österreichischen Volumens von und nach Hamburg auf der Schiene transportiert.“ Zu den anderen großen Nordseehäfen Rotterdam und Antwerpen verhält es sich ähnlich. „Durch die derzeit geplanten monatelangen Teil- und Totalsperren ohne ausreichende Ausweichrouten werden rund 28 Prozent der Güter auf der Schiene nicht mehr nach und durch Deutschland transportiert werden können“, warnt Menz.
In Mengen ausgedrückt sind es 24 Millionen Tonnen Waren und Güter jährlich, die über den Grenzübergang Passau gehen. Die meisten davon werden zwischen Deutschland und Österreich transportiert, aber auch zwischen Deutschland und der Slowakei, Ungarn und Rumänien.
Viele Züge werden ausfallen – Umleitungen sehr teuer
Auf bis zu 250 Millionen – also eine Viertelmilliarde – Euro können sich die Zusatzkosten durch die Umleitung der Güterzüge, die durch die Sperre in Passau notwendig werden, summieren. „Es kommt aber noch schlimmer“, so Bundesspartenobmann Menz: „Denn bis zu 40 Ganzzüge können nämlich gar nicht umgeleitet werden. Das heißt, fast 29 Prozent der Züge fallen aus.“ Für die Industrie bedeutet das, dass Produktionseinschränkungen durch Lieferkettenprobleme drohen. Auch das Thema Kurzarbeit könnte dadurch wieder in den Vordergrund rücken.
Präventive Maßnahmen dringend notwendig
Die WKÖ-Bundessparten fordern daher, das Baustellenmanagement in Richtung kürzere Bauabschnitte auszulegen sowie dort, wo dies auch nur irgendwie möglich ist, eingleisige Sperren, statt Totalsperren vorzunehmen. „Die Aufrechterhaltung des Verkehrs muss bei der Planung von Baustellen im Zentrum stehen“, so Klacska. Zudem brauche es temporäre Maßnahmen in Österreich, um dem Problem Herr zu werden. „Dazu zählt auch die kurzfristige Aufhebung von Fahrverboten, wenn Verkehr auf die Straße verlagert werden muss“, so Klacska. Generell müsse dem Schienengüterverkehr aber mehr Priorität eingeräumt werden und Trassen, die oft nur dem Personenverkehr zur Verfügung stehen, dem Güterverkehr gewidmet werden.
Kapazitätsmanagement notwendig – Kompensationszahlungen erforderlich
Auf europäischer Ebene ist die Schaffung eines Konsultations- und Überwachungsmechanismus bei Sanierungsarbeiten im hochrangigen Schienennetz nötig, um lange Bauzeiten und Schienennetz-Ausfälle zu vermeiden. Aber auch ein vorausschauendes Kapazitätsmanagement auf Ausweichrouten sei nötig.
Zudem muss es Kompensationen geben: „Wir brauchen einerseits für die Infrastrukturbetreiber und Bahn-Unternehmen Kompensationsleistungen, wenn es zu Gesamtsperren kommt und dadurch Mehrkosten für Umleitungen, Personal etc. entstehen. Andererseits sollten auch den Transportunternehmen die Trassenentgelte für Umleitungsstrecken erlassen werden“, fordert Klacska.
Zielnetz 2040 enthält wichtige Weichenstellungen, aber auch Mankos
Zu Modernisierungen bzw. Ausbau wichtiger Routen im Bereich des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) wird es in den nächsten Jahren auch in Österreich kommen. Zum Beispiel sieht das vor kurzem präsentierte Zielnetz 2040, das Strategiepapier der Bundesregierung für das künftige Bahnnetz, den Ausbau der Pyhrn-Bahnstrecke vor. Dies ist aus Sicht der beiden Bundessparten zwar zu begrüßen. Allerdings sollte dies – anders als im Zielnetz 2040 vorgesehen - durchgehend zweigleisig erfolgen, zumal die Nord–Süd-Achse für den Güterverkehr immer mehr an Bedeutung gewinnt. Aber auch das Fehlen eines Ausbaus des zweiten Teils der wichtigen Nord–Süd-Verbindung, nämlich der Summerauer-Bahn, sollte korrigiert werden.
EU-Engagement in Sachen Schienengüterverkehr? Ausbaufähig!
In Summe begrüßt die Wirtschaftskammer Österreich das Zielnetz als wichtiges Planungsinstrument für die nächsten Jahre. „Doch so wichtig es ist, dass der Attraktivierung des Personenverkehrs ein hoher Stellenwert eingeräumt wird, so vermissen wir aber im Schienengüterverkehr wichtige Aspekte. Wir brauchen ein Commitment in Österreich und auf europäischer Ebene, dass dem Güterverkehr auf der Schiene mehr Gewicht eingeräumt wird. Es muss freie Trassen exklusiv für den Güterverkehr geben“, fordert Klacska. Aber auch beim Kombinierten Verkehr und der Rollenden Landstraße müsse im Zielnetz 2040 nachgebessert werden. „Und wenn wir das Ziel, mehr Güter mit der Bahn zu transportieren ernst nehmen, dann müssen auch die entsprechenden Terminals zur Verfügung stehen – sowohl in Österreich als auch bei den Anschlussstrecken jenseits der Landesgrenzen“, so Klacska.