Das von der EU-Kommission vorgestellte ‚Fit-For-55‘-Paket enthält schwerwiegende Vorgaben zur Ökologisierung des Verkehrssektors und der Logistik, mit weitreichenden Folgen für den Wirtschaftsstandort.Durch steigende CO2- und Energiepreise wird der Kostendruck auf die Transport- und Logistikbranche stark zunehmen. Damit einhergehend sind auch Teuerungen von Waren für den Konsumenten zu befürchten. „Die zu erwartenden Mehrkosten für Transport werden allerdings ohne jeglichen Ökologisierungseffekt verpuffen, wenn es nicht rasch gelingt, für den Umstieg auf emissionsfreie Antriebsarten eine konkrete Roadmap zu erarbeiten und dafür auch die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen“, so Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbandes Spedition & Logistik. Hierfür brauchen die Unternehmen dringend konkrete Alternativen, auf die sie ausweichen können und eine ausreichende Kapitaldecke, um sie beschaffen zu können.
Steuereinnahmen aus dem Verkehrssektor zurückgeben
Staatliche CO2-Einnahmen aus dem Güterverkehr müssten deshalb von der EU und den Nationalstaaten in Form von Förderprogrammen ohne Abstriche an den Verkehrssektor zur Investition in ökologisch verträgliche Fahrzeug-, Technik- und Infrastruktur-Innovationen zurückfließen. „Die Logistikbranche drängt längst selbst nach Lösungen zur Ökologisierung. Wesentlich ist dabei allerdings auch, die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Konkrete Transportlösungen zur Minderung des CO2-Ausstoßes dürfen dabei nicht durch staatliche Eingriffe erzwungen werden, sondern müssen auch weiterhin den Betrieben überlassen bleiben, die dazu im Gegensatz zur Politik auch das Know-how haben“, merkt Oliver Wagner, Geschäftsführer des Zentralverbandes Spedition & Logistik an.
Alternativlösungen zum Diesel-Lkw kommen nur langsam voran
Wie aktuelle Studien von Univ.-Prof. Sebastian Kummer und seinem Team der WU Wien belegen, wird der Straßengüterverkehr in den kommenden Jahrzehnten die Hauptlast des weiterhin wachsenden Güterverkehrsaufkommens tragen. Selbst bei 2,2 % jährlichem Anstieg des Schienengüterverkehrs kann laut Wissenschaft die Bahn das Gesamtwachstum nicht auffangen.
Die Studienautoren haben errechnet, mit welchen Maßnahmen bis wann ein Null-Emissions-Ziel erreicht werden könnte. Mit den kumulierten Einsparungspotenzialen von Batterieelektrik (-34 %), LNG (-17 %), Wasserstoff (-9 %), Ladekapazitätssteigerungen (-4 %), angepassten Fahrverboten (-3 %) sowie Leichtbau und Aerodynamik würde der Zielwert bis 2030 noch deutlich verfehlt. Trotz dynamischer Veränderung der einzelnen Hebel wäre auch Österreichs Ziel von null Emissionen im Jahr 2040 noch außer Reichweite. Das Null-Emissions-Ziel 2050 der EU könnte hingegen vor allem durch einen Anstieg der Effekte von Wasserstoff und Batterieelektrik sowie einen Mix an schon heute verfügbaren Technologien erreichbar sein. Alexander Friesz: „Im Moment fehlen uns noch die breit einsetzbaren Alternativlösungen zum Diesel-LKW, mit Ausnahme von LNG (Liquefied Natural Gas) das sofort CO2-Emissionen reduzieren könnte. Im Schwerverkehr und auf der Langstrecke sind batteriebetriebene Lkw derzeit ineffizient. Um hier Bewegung zu schaffen, müssen alternativen Technologien wie Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe und LNG sofort massiv ausgebaut und gefördert werden“.
Europaweit einheitliche Lösungen bei alternativer Tank- und Ladeinfrastruktur
Wichtige Impulse setzt die vorgesehene EU-Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID). Die Vorgabe der EU-Kommission, einheitliche Zielwerte für den Aufbau einer Tank- und Ladeinfrastruktur für alle Mitgliedsstaaten verbindlich vorzuschreiben, ist grundsätzlich begrüßenswert. Die Speditions- und Logistikbranche operiert international, so dass alternativ angetriebene Nutzfahrzeuge überall in Europa auf eine standardisierte Infrastruktur treffen müssen. Wichtig ist es deshalb, dass die Zielwerte in den Mitgliedstaaten vor allem entlang der TEN-T-Korridore konsequent umgesetzt, regelmäßig unter Einbeziehung der Nutzer evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden.
Stakeholder in konkrete Roadmap einbinden
‚Fit-For-55‘ ist das weltweit ambitionierteste Klimaschutzpaket. Die Umsetzung muss sich, trotz Dringlichkeit, an der tatsächlichen Verfügbarkeit von Alternativen orientieren. „Wenn die gesetzten Ziele 2030 ohne große Schäden an unserer Volkswirtschaft erreicht werden sollen, muss die Politik endlich auch in Österreich beginnen die konkreten Umsetzungsschritte und Maßnahmen in einer Roadmap, gemeinsam mit den betroffenen Stakeholdern festzulegen. Frau Verkehrsministerin Gewessler ist hier aufgefordert europäische Zielsetzungen, wie den von der Kommission vorgegebenen Aufbau von Lade- und Bedankungsinfrastruktur für alternative Antriebe, wie z. B. Wasserstoff im Schwerverkehr aktiv voranzutreiben und diese Technologien zu fördern“, so Friesz.