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„Wir erreichen den gleichen Output mit weniger Personal“

Fotos: Verkehr / Diva Shukoor
Wilhelm Leithner ist schon über 40 Jahre in der Tiefkühllogistik tätig.
Fotos: Verkehr / Diva Shukoor

TKL hat kürzlich ein neues und stark automatisiertes Hochregallager für Tiefkühlprodukte eröffnet. Verkehr hat es besichtigt und mit Geschäftsführer Wilhelm Leithner über neue Kapazitäten, E-Lkw und Wünsche an die Politik gesprochen.

Sie haben vor wenigen Wochen Ihr neues Tiefkühl-Hochregallager eröffnet. Schrittweise wird der Betrieb hochgefahren. Können Sie
ein wenig darüber erzählen und auch erklären, warum ein Ausbau notwendig war?

Beginnen wir mal am Anfang. Wir haben schon vor Corona gemerkt, dass wir an unserem bestehenden Standort in Wien zu wenig Lagerplätze für Tiefkühlpaletten haben. Wir haben lange Zeit aus Flächenmangel in Wien an anderen Standorten in ganz Österreich, sogar in Bratislava, zwischengelagert, was natürlich bedeutet, dass zusätzliche Kosten entstehen, da jede Palette zweimal entladen wird: einmal im Zwischenlager und einmal in Wien, wo alles kommissioniert wird. Hier kommen aber auch Nachhaltigkeits-Bedenken ins Spiel, denn jede Fahrt, die ich vom Zwischenlager zum Standort in Wien einsparen kann, ist ein Gewinn für die Nachhaltigkeit – ein zweiter Grund für den neuen Standort. Und der dritte Grund war: Wir hatten am bestehen-den Standort kaum Kapazitäten für die Kommissionierung von Tiefkühlprodukten. Teilweise haben wir, wenn Saison war, rund um die Uhr gearbeitet und haben eine Entlastung gebraucht.

Mit der Planung für den neuen Standort haben wir 2020 begonnen. Hierfür haben wir unterschiedliche Standortmöglichkeiten geprüft, uns aber dann letztlich für dieses Grundstück entschieden. Dass es sich gleich auf der gegenüberliegende Straßenseite von unserem bestehenden Lager befindet, hat unheimlich viele Vorteile, weil es die Steuerung, Personalplanung, Personaleinsatz usw. wesentlich vereinfacht. Baubeginn war dann im April 2022. Das war natürlich schon anspruchsvoll, weil das Gebäude 35 Meter hoch ist und ein ordentliches, sattes Fundament braucht. 10.000 Kubikmeter Beton und 1.000 Tonnen Bewehrungsstahl stecken da drinnen. Die Halle hat eine Nutzfläche von 4.000 Quadratmetern und 17.800 Paletten-Stellplätze.

Der wesentliche Punkt bei der Planung war aber, kompakt zu bauen. Ein Tiefkühllager benötigt bekanntlich Energie und je kompakter das Gebäude ist, umso besser kann man hier haushalten.

Der neue Standort scheint schon stark automatisiert zu sein.
Das ist er auch. Unser Ziel war es nicht nur, mehr Kapazitäten und damit mehr Flexibilität zu erreichen, sondern auch moderne Kommissioniertechnik einzusetzen, die sozusagen nur einen Kontakt mit dem Produkt erfordert. Am bestehenden Standort gibt es eine klassiche AB-Zone, dort wird gepickt und dann gepackt. Im neuen Lager fährt ein CaddyPick von Swisslog autonom durch das Lager; das ist ein Tragkörper für Roll- und Euro-Paletten. Dieser bleibt dann vor dem zu kommissionierenden Artikel stehen. Der Picker bekommt die Information, wie viele Kartons er nehmen und auf das CaddyPick stellen soll. Damit wäre die Aufgabe des Pickers erledigt, das CaddyPick übernimmt dann den Transport zur Abholstation.

Unser Wareneingangssystem ist State of the Art und völlig automatisiert. Mit dem Gabelstapler fährt man die Palette auf das Förderband, das System scannt die Palette und definiert einen Stellplatz im Hochregal. Das CaddyPick holt die Palette anschließend ab und fährt sie zum Lager.

Das heißt, Sie kommen am neuen Standort auch mit weniger Personal aus?
Genau. Wir erreichen den gleichen Output wie am „alten“ Standort, und das mit etwa 30 Prozent weniger Personal, was ökonomisch wichtig ist, weil Personalkosten im Tiefkühllager ein intensiver Faktor sind. Es wird aber auch immer schwieriger, Personal zu finden – seien es IT-Techniker, Mitarbeiter im Lager oder Lkw-Fahrer. Auch das spricht für mehr Automatisierung.

Sie haben vorhin erwähnt, dass ein Tiefkühl-Hochregallager sehr viel Energie braucht. Sie haben auf dem Dach der bestehenden Lagerhalle eine Photovoltaik-Anlage, mit der Sie schon einen beträchtlichen Teil des Eigenbedarfs decken. Ist eine solche Anlage auch auf der neuen Tiefkühlhalle installiert worden?
Ja, wir haben selbstverständlich auf unserer gesamten Dachfläche Photovoltaik-Anlagen installiert, mit denen wir 600.000 Kilowattstunden pro Jahr produzieren können. Das ist zwar nur etwa ein Drittel der am Standort benötigten Energie, aber es hilft uns trotzdem ökonomisch und ökologisch.

Wenn wir schon beim Thema Energie sind: Bei unserem letzten Gespräch waren Sie dem Einsatz von E-Lkw in der Tiefkühllogistik gegenüber sehr skeptisch. Nun gibt es sogar batterieelektrische Lösungen sogar für den Schwertransport. Hat sich Ihre Meinung mittlerweile geändert?
Nein, denn mit den momentanen Reichweiten ist es für die Logistik von Tiefkühlprodukten nicht sinnvoll, auf E-Fahrzeuge umzusteigen. Es ist aber auch eine Frage des Gewichts: Ein E-Lkw hat schon eine schwere Batterie, und wir brauchen für unsere Zwecke auch noch einen Tiefkühl-Aufbau. Da geht einiges an Gewicht drauf und es bleibt vom 18-Tonner-Lkw dann zu wenig Gewicht für die Touren, die wir täglich fahren müssten, übrig. Das heißt, dass ich grob geschätzt 50 Prozent mehr Fahrzeuge brauchen würde, um die gleichen Touren zu fahren, als mit herkömmlichen, aber sehr effizienten Lkw. Dazu kommt, dass E-Lkw wesentlich teurer sind. Da helfen dann auch die Förderungen der Regierung kaum noch.

Ich kann mir schon vorstellen, dass es für die innerstädtische Belieferung irgendwann sinnvolle Konzepte geben wird, im Moment ist das allerdings wenig realistisch.

Die neue Regierung steht noch nicht, hätten Sie aber schon vorab einen Wunsch an den oder die zukünftige:n Verkehrsminister:in?
Es wird jedenfalls den schnellstmöglichen Bau des Lobau-Tunnels brauchen, um die Infrastruktur zu entlasten. Zudem wäre es endlich an der Zeit, die berüchtigte Nacht-60er-Regelung abzuschaffen. Für die Politik wirkt das wie eine Lappalie, aber so langsam zu fahren, ist für Berufskraftfahrer echt ermüdend – und das sage ich aus eigener Erfahrung, da ich manchmal aus Interesse auch eine Tour fahre. Außerdem kostet dieses Verbot ja tagtäglich Geld: Es gehört abgeschafft.

Eine Sache noch, die allerdings nicht spezifisch für die Logistikbranche gilt: Man könnte auch mal an der Entlastung der Arbeitskosten schrauben!


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