Bis 2051 wird der Verkehr überall in Deutschland zunehmen, besonders stark im Güterbereich. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, steigt hier die Verkehrsleistung um die Hälfte – von 679 auf 990 Milliarden Tonnenkilometer. Der Lkw bleibt dabei das dominierende Verkehrsmittel und nimmt an Bedeutung weiter zu (+54 Prozent Zuwachs auf der Straße). Der Güterverkehr auf der Schiene legt um ein Drittel zu, während die Wasserstraße stagniert.
Individualverkehr
Der Personenverkehr wird um 13 Prozent auf fast 1.400 Milliarden Personenkilometer in 2051 ansteigen. Bei den einzelnen Verkehrsträgern gibt es starke Zuwächse, beim Bahn- und Luftverkehr von über 50 Prozent, auch der Radverkehr legt spürbar zu (+36 Prozent), während der Straßenverkehr nur geringfügig wächst. Dennoch bleiben Auto und Motorrad mit Abstand beliebtestes Fortbewegungsmittel der Deutschen. Mehr als zwei Drittel aller Wege werden damit zurückgelegt.
„Ausbau aller Verkehrsträger“
Bundesminister Dr. Wissing kommentiert die Ergebnisse wie folgt: „Ich richte meine Verkehrspolitik an den tatsächlichen Begebenheiten aus, an Zahlen, Daten und Fakten und nicht an politischem Wunschdenken. Die Ergebnisse der neuen Langfrist-Verkehrsprognose machen deutlich: Der Verkehr in Deutschland wird in jeder Hinsicht zunehmen. Um einen Verkehrsinfarkt zu verhindern, brauchen wir jetzt dringend das Deutschlandtempo für den Ausbau aller Verkehrsträger – auch der Straße. Ich kämpfe dafür, dass die Menschen in unserem Land frei bestimmt ihren Mobilitätsbedürfnissen nachkommen können und unsere Wirtschaft wächst – auch dank einer guten Verkehrsinfrastruktur.“
Güterstrukturwandel: weniger Kohle, mehr Sendungen
Ausschlaggebend für die starke Zunahme des Verkehrs auf der Straße ist ein Strukturwandel im Güterverkehr. Durch die Energiewende gibt es einen starken Rückgang bei Massen- und Energiegütern wie Kohle, Koks, Mineralölprodukte und Erzen, die bisher vor allem auf Schiene und Wasserstraße transportiert wurden.
Großes Wachstum gibt es bei Gütern, die überwiegend auf der Straße befördert werden. Hierzu zählen Postsendungen (+200 Prozent), Sammelgüter (+91 Prozent) sowie Stückgüter, z.B. Nahrungs- und Genussmittel (+29 Prozent).
Ein vollbeladener Zug, der zuvor rund 2.000 Tonnen Kohle transportierte, erreicht mit Stückgut nur einen Bruchteil hiervon. Bei gleicher zurückgelegter Transportstrecke verliert die Bahn daher Anteile im Modal Split. Dieser gibt Auskunft über die prozentualen Anteile der Verkehrsmittel an der gesamten Verkehrsleistung. Trotz Annahme von ambitionierten Ausbauplänen stößt die Bahn an die Grenzen der Leistungsfähigkeit und kann die zusätzlichen Verkehre nicht aufnehmen.
Bauboom mit Folgen
Deutschland steht des Weiteren vor einem klimaneutralen Umbau der mehr als 19 Millionen Wohngebäude. Dächer und Wände müssen gedämmt, Heizungen und Fenster ausgetauscht werden. Dies erzeugt einen Baustellenverkehr in neuen Dimensionen. Die Anlieferung vor Ort wird nicht mit der Bahn oder dem Binnenschiff erfolgen können.
Neues Instrument der Verkehrsprognose
Mit der neuen Gleitenden Langfrist-Verkehrsprognose reagiert das BMDV auf neue Dynamiken im Verkehrsbereich. Sie ermöglicht erstmals einen Blick in das Verkehrsgeschehen bis ins Jahr 2051 und wird künftig jedes Jahr basierend auf neuen Daten und absehbaren Entwicklungen aktualisiert.
Bewertung des BGL
Der Lkw muss noch mindestens bis zur Mitte des Jahrhunderts die Hauptlast des Güterverkehrs in Deutschland tragen. Darin bestätigt die BMDV-Prognose die Grundaussage früherer Studienergebnisse von Umweltbundesamt, Ökoinstitut und Agora Verkehrswende, auch wenn diese zu geringeren Lkw-Marktanteilen kamen. Die Lkw-Verkehrsleistung dürfte dabei von 2019 bis 2051 um 54 Prozent zunehmen. Eine Entlastung durch die Schiene ist dabei nur in begrenztem Maße zu erwarten, da u.a. Bahn-affine Massengüter wie Kohle in der Folge klimapolitischer Entscheidungen marginalisiert werden und der vom Konsumentenverhalten getriebene Lkw-affine Online-Handel weiterhin stark zunehmen wird.
Jegliche Infrastruktur instand setzen und den KV fördern
„Diese Verkehrsprognose von Bundesminister Wissing muss die Bremser in der Bundesregierung endlich wachrütteln! Wir haben in Deutschland marode Brücken, einen akuten Fahrermangel und der Netzausbau für Ladeinfrastruktur liegt in weiter Ferne. Die Lösungen dieser Probleme liegen auf dem Tisch. Ihre Umsetzung muss jetzt mit Hochdruck angegangen werden! Unsere Lkw fahren nicht nur so zum Spaß durch die Gegend, sie haben Güter zu transportieren, mit denen sie die tagtägliche Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft sicherstellen! Dabei werden wir auch in Zukunft das Hauptwachstumssegment im Güterbahntransport – den sogenannten Kombinierten Verkehr Straße–Schiene – in seiner Weiterentwicklung mit Nachdruck unterstützen“, kommentiert BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt.
Zustimmung für Wissings Herangehensweise
„Der BGL begrüßt es zudem ausdrücklich, dass die Maxime des Bundesverkehrsministers lautet, seine Verkehrspolitik an den tatsächlichen Begebenheiten, an Zahlen, Daten und Fakten und nicht an politischem Wunschdenken auszurichten. Wir können jeden Euro Steuergeld nur einmal ausgeben – und das sollten wir bedenken, bevor die Versorgungsketten reißen und wir auf britische Zustände zusteuern“, warnt Engelhardt abschließend.
Bewertung des VDV
„Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) kritisiert die am Freitag veröffentlichte Gleitende Langfrist-Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums als Zementierung einer rückwärtsgewandten Verkehrspolitik“, erklärt VDV-Präsident Ingo Wortmann.
„Stillstand statt Fortschritt bei der Verkehrswende!“
„Was wir hier erleben, ist das Gegenteil von fortschrittlicher und die Zukunft gestaltender Verkehrspolitik. Anstatt mit entsprechenden Maßnahmen die nötigen Rahmenbedingungen für mehr klimafreundlichen Güter- und Personenverkehr auf der Schiene zu verbessern, lehnt man sich zurück und tut so als wäre das alles unveränderbar.
Aber das Gegenteil ist der Fall: Es ist die Aufgabe des Bundesverkehrsministers, die Verkehrspolitik in diesem Land aktiv zu gestalten, um den Verkehrssektor für die Erreichung der Klimaschutzziele entsprechend aufzustellen – und nicht den Status quo zu zementieren und zu verwalten.“
Der Wille fehlt
„Wenn die Prognose zu der Erkenntnis kommt, dass die Ziele der Verkehrswende in Gefahr sind, nicht erreicht zu werden, dann muss man entsprechend stärker gegensteuern. Wir müssen als Gesellschaft die Klimaziele auch im Verkehrssektor erreichen, dazu braucht es mehr Gestaltungswillen und weniger Trendprognosen!“, fordert der VDV nachdrücklich.