1,3 Millionen Reisende, 269 Millionen CHF (ca. 279 Millionen Euro) Gewinn, 9,9 Prozent Mehreinnahmen beim Personenverkehr, 92,5 Prozent Pünktlichkeit trotz 20.000 Baustellen, Verschuldung auf 11,3 Milliarden CHF (ca. 11,7 Milliarden Euro) gesunken, alle Investitionen aus dem Cashflow finanziert: Das Geschäftsjahr 2023 der SBB strotzt nur so vor frohen Botschaften und Superlativen. Erstmals in der Post-Covid-Ära schreiben die SBB wieder schwarze Zahlen. Diese erfreuliche Performance geht in erster Linie aus einem Rekordstand an Fahrgästen und aus stattlichen Gewinnen aus den SBB Immobilien hervor. Es erstaunt daher auch nicht, dass die Verantwortlichen zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Ewiges Sorgenkind bleibt defizitär
Bei der Sparte Güterverkehr der rückverstaatlichten SBB Cargo sieht die finanzielle Lage deutlich weniger rosig aus. Zwar verbesserte sich das Ergebnis 2023 von SBB Cargo Schweiz gegenüber dem Vorjahr um 148 Millionen CHF auf –40 Millionen CHF (ca. –46 Millionen Euro). Doch das ist vorwiegend auf Wertberichtigungen von 2022 zurückzuführen. Die Verkehrsleistung reduzierte sich gegenüber dem Vorjahr um 7,5 Prozent. Haupttreiber waren laut SBB der Preisdruck, das strukturelle Defizit im Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) und die konjunkturelle Abkühlung.
Unklar bleibt nur, wie hoch dieses sogenannte strukturelle Defizit im EWLV tatsächlich beziffert werden soll. In der politischen Debatte sprechen die SBB von 80 bis 100 Millionen CHF (ca. 83 bis 103 Millionen Euro), im Geschäftsbericht 2023 stehen 40 Millionen CHF. Hat die SBB Cargo im Ganzzugsverkehr einen Gewinn von 40 bis 60 Millionen CHF (ca. 46 bis 62 Millionen Euro) generiert?
Rekordresultate und Milliardenhilfe – wie passt das zusammen?
Auf diese Frage gibt Peter Füglistaler, Direktor beim Bundesamt für Verkehr (BAV), in seinem Kommentar auf LinkedIn eine plausible Antwort: „Ich weiß es nicht.“
Dass es den SBB finanziell gut geht, ist tatsächlich löblich. Schließlich wünschen sich die Verlader starke Partner im Transportgeschäft. Trotzdem halten wir vom VAP an unserer Position fest: Die finanzielle Schieflage von SBB Cargo darf nicht mit der notwendigen Modernisierung und Umgestaltung des EWLV verwechselt werden. Im Januar 2024 hat der Schweizer Bundesrat in seiner „Botschaft zum Gütertransportgesetz“ zu Recht Maßnahmen für die Modernisierung des flächendeckenden EWLV beantragt. Statt eines Sanierungsbeitrags an den EWLV fordern wir eine gezielt eingesetzte degressive und befristete Überbrückungsfinanzierung für eine nachhaltige Transformation des EWLV Richtung Eigenwirtschaftlichkeit. Nur so kann sich der EWLV modernisieren und wachsen.
Unternehmerische Verantwortung gefragt
Derzeit bespricht das Schweizer Parlament die „Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (Nachhaltige Finanzierung der SBB)“. Demnach soll der Bund die pandemiebedingten Defizite der SBB im Fernverkehr übernehmen.
„Wieso soll der Bund, der gerade lineare Kürzungen und Verzichtsplanungen angekündigt hat, mit Steuergeldern ein Staatsunternehmen unterstützen, das Rekordresultate erreicht? Hier appelliere ich eindringlich an die unternehmerische Verantwortung der Akteure“, erklärt dazu VAP-Präsident und Ständerat Josef Dittli.
Über den VAP Verband der verladenden Wirtschaft
Der VAP fördert seit 1912 den Schienengüterverkehr. Mit einer aktiven Verkehrspolitik setzt er sich dafür ein, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, die Schieneninfrastruktur und die Logistikstandorte so zu optimieren, dass die Schiene als Teil der multimodalen Logistikwelt auch in Zukunft eine lohnende Verbindung bleibt – im Interesse der Umwelt sowie des Lebens- und Wirtschaftsraums Schweiz.
Der VAP vertritt rund 300 Unternehmen der verladenden Wirtschaft und Logistik aus der Schweiz und dem angrenzenden Ausland. Diese betreiben 850 Anschlussgleise und Terminals, Umschlagseinrichtungen, Traktionsmittel und 45.000 private Güterwagen. Mit seiner praxisorientierten Verbands- und Beratungstätigkeit hilft der VAP den Verladern und der Logistikbranche zudem, den Aufwand für den Gütertransport auf der Schiene zu minimieren.