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„Fortschritt ist die Umsetzung der Phantasie“

VNL-Obmann Franz Staberhofer lädt am 25. und 26. Juni 2014 nach Linz zum VNL Logistik-Tag (Bild: VNL)

Unter diesem Motto veranstaltet der VNL (Verein Netzwerk Logistik) vom 25. bis 26. Juni 2014 seinen Logistik-Tag. Verkehr sprach mit VNL-Obmann Franz Staberhofer über die Higlights der beiden Tage und die zukünftigen Herausforderungen im Transport und der Logistik.

Verkehr: Das Motto des heurigen Logistiktags lautet „Fortschritt ist die Umsetzung der Phantasie“. Wie kamen Sie zu diesem Titel und was steckt für Sie dahinter? Haben Österreichs Unternehmen genug Phantasie?
Franz Staberhofer: Es gibt nur dann einen Fortschritt, wenn ich auch etwas umsetze. Das ist etwas ganz Entscheidendes. Eine Idee ist noch keine Innovation – erst wenn sie zu Fleisch wird, wird sie zur Innovation und damit zum Fortschritt. Das ist es, was uns im Kern dabei getrieben hat. Am ersten Halbtag unserer Veranstaltung erzählen wir mehr über das Vorausdenken. Am zweiten Tag kommen dann die Best-Practice-Beispiele an die Reihe. Mit dieser Kombination wollten wir darauf aufmerksam machen, dass vorausgedacht werden und aber auch etwas realisiert werden muss. Nur Wolken zu schieben, ist zu wenig.

Welchen innovativen Herausforderungen müssen sich Unternehmen heute stellen?
Staberhofer: Eine der Erkenntnisse vom Weltwirtschaftsforum in Davos war, dass die Krise jetzt wirklich vorbei. Das permanente Ausrichten auf die Zukunft wird die ständige Herausforderung für die Unternehmen sein. Diese Erkenntnis in Verbindung mit der philosophischen Aussage, dass „Fortschritt nicht Bewahren der Gegenwart ist, sondern das permanente Ausrichten auf die Zukunft“, hat uns zum Titel der Veranstaltung geführt.

Wo sind Ihrer Meinung nach die großen Themen, die für alle im Transport und der Logistik Involvierten in der Zukunft wichtig sind?
Staberhofer: Das große Zukunftsthema ist, dass es kein definiertes Zukunftsthema gibt. Wir müssen in Szenarien denken. Ich behaupte jetzt einmal, dass es hier nicht darum geht, ob Szenario eins, zwei oder drei kommt. Ich behaupte sogar, dass sich die Szenarien unterschiedlich parallel abspielen werden, und zwar für verschiedene Unternehmen unterschiedlich, für verschiedene Branchen unterschiedlich und für verschiedene Regionen unterschiedlich. Wenn wir bei Regionen anfangen: Wer hätte noch vor zwei, drei Jahren gesagt, dass Amerika eine Art Reindustrialisierung erfahren wird? Wer hätte gedacht, dass Japan nun relativ bald wieder überlegt, ihre Atomkraftwerke in Betrieb zu nehmen? Für Rohstoffe lässt sich diese Entwicklung ebenfalls ablesen. Umweltvorfälle können plötzlich eine gesamte Rohstoffversorgungslinie auslöschen. Ich glaube, diese Entwicklung lässt sich auch bei den Branchen erkennen. Der größte Pkw-Absatzmarkt liegt mittlerweile in China. Jeder Automobilhersteller investiert Milliarden Summen in den chinesischen Markt für den Aufbau der Fabriken.

Was bedeutet diese Entwicklung, dass „nichts fix ist“ für ein typisch österreichisches mittelständisches KMU?
Staberhofer: Zum einen geht es darum, reaktionsfähig zu sein. Das heißt u.a. kurze Durchlaufzeiten, kurze Wiederbeschaffungszeiten, richtige Bestände, Marktentwicklungen besser antizipieren zu können und Netzwerke so aufzubauen, dass man sie auch skalieren kann – mal hat man einen engeren, dann wieder einen größeren Rhythmus. Die Produkt- ebene gilt es auch zu berücksichtigen. Ich glaube, dass hier Supply Chain Management nützliche Beiträge liefern kann. Das heißt u.a., Teile zu generieren, die es wert sind, global mitzuspielen.
Zum Beispiel liegt bei uns in unmittelbarer Nähe das BMW-Motorenwerk, das für den weltweiten Markt Dieselmotore ausliefert, weil es sich hier um wertvolle Teile handelt. Das bedeutet für die Unternehmen, entweder selber diese Vertiefung zu schaffen oder man geht in Kooperationsnetzwerke, um das gemeinsam zu schaffen. Hier können die Logistikdienstleister mitdenken.


Wie nimmt der erste Tag, der unter dem Motto „Logistik Future Lab“ läuft, Rücksicht auf diese Entwicklung?
Staberhofer: Am ersten Tag haben wir den Anspruch, dass jene Themen, die in absehbarer Zukunft relevant werden, besprochen werden. Der Mindestnutzen ist für jene, die das vorher noch nicht gehört haben, die Erkenntnis, dass es neue Themen gibt; für jene, die schon weiter sind und aktiv mitdiskutieren können, Unterstützung in der Umsetzung und im Umgang mit der Thematik, um idealerweise einen Nutzen herausziehen zu können.

Gibt es hier von Ihrer Seite Schwerpunkte?
Staberhofer: Zum Beispiel die Sequenz, wo es um den Industrie-standort in Verbindung mit Verkehrsinfrastruktur und Verkehrsträgern geht. Auch das Thema der „letzten Meile“ und die Umwelt sind Themen, die wir aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten, so u.a. die ökologische Supply Chain, die über Branchenwertschöpfungsketten versucht den CO2-Ausstoß oder ganz generell Emissionen zu reduzieren. Damit man vom „greenwashing“ wieder wegkommt und tatsächlich mit allen Beteiligten über verschiedene Wertschöpfungsstufen hinweg analysiert, was man essentiell verbessern kann. Dieses Thema ist derzeit vielleicht noch nicht ganz dringlich, wird aber sicher in Zukunft enorm an Bedeutung gewinnen.

Welche gut funktionierenden Beispiele einer übergreifenden Wertschöpfungskette können Sie mir nennen?
Staberhofer: Der Blumenmarkt in Amsterdam umfasst 900.000 Quadratmeter und bringt rund 10 Millionen Stück Schnittblumen pro Tag hervor. Das Übergreifende ist, dass er 5.000 Genossenschaftern gehört. Sie haben sich gefragt, wie sie ihre Kapazitäten ideal auslasten können. Ein Drittel aller Schnittblumen dürfen schon vorab auf Termin verkauft werden. Während der Versteigerung (sie erfolgt im 3-Sekunden-Takt) kann schon die freiwerdende Transport- und Lagerkapazität genutzt werden. Die Großhändler werden mit einem vollautomatisierten System versorgt.

Können Sie mir noch ein erfolgreiches Beispiel nennen?
Staberhofer: Ein weiteres Beispiel ist das „Driver center distribution system“ in Amerika, wo es einen noch größeren Lkw-Fahrermangel als in Europa gab. Eigentlich sind Distributionsnetzwerk-Optimierungen darauf ausgelegt, die optimalen Routen zu wählen. Damit habe ich einen ökologischen und einen ökonomischen Gewinn. Bei einem Fahrermangel funktioniert das aber nicht mehr. Driver Center bedeutet einfach, dass der Lkw-Fahrer jeden Tag oder jeden zweiten Tag auch wieder nach Hause kommt. Damit denkt man plötzlich wieder an den Menschen.

Kann dann eine Conclusio sein, dass man in Zukunft eher mehr zusammenarbeitet?
Staberhofer: Ja, auf alle Fälle. Untersuchungen haben gezeigt, dass zu rund 93 Prozent der Kooperationen erfolgreicher sind als Nicht-Kooperationen. Das Zauberwort, dass dabei eine wesentliche Rolle spielt, heißt „Vertrauen“.

Wie tun sich aus Ihrer Erfahrung österreichische Unternehmen damit?
Staberhofer: Ein konkretes Beispiel fällt mir dazu ein – die voest­alpine. Sie haben einen Kunden- und einen Lieferantentag, weil sie zu beiden jeweils langfristige Beziehungen aufbauen und erhalten wollen. Das Motto ist hier nicht – wie in anderen Branchen: Wenn Du schon zwei Jahre für uns lieferst, bist Du ein verdächtiges Unternehmen und musst schon aus Prinzip ausgetauscht werden. Im Gegensatz zu diesem Denken ist die voestalpine mit ihrer Strategie erfolgreich. Es gibt aber in Österreich leider noch nicht viele Unternehmen, die das so leben. Die Tendenz ist aber aus meiner Sicht steigend.

Wie sieht es hier international aus?
Staberhofer: Im letzten Jahr habe ich in Norditalien zehn Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen besucht. Seit 2008 hat sich dort wenig weiterbewegt, es gab keinen Aufschwung und viele Konkurse. Ich wollte dort beobachten, wie nun die Firmen auf diese Situation reagieren. Die Antworten waren jene, die ich vorher schon gegeben habe. Jene Firmen, die überlebt und zum Teil auch sehr gut überlebt haben, sind in Netzwerke gegangen im Sinne von wertigere Teile anzufertigen und in Innovationsnetzwerke zu gehen.

Warum sollten Unternehmen am 25. Juni das „Logistik Future Lab“ besuchen?
Staberhofer: Die Botschaft lautet: „Geh hin, wenn Du Zukunftsthemen sehen und erfahren willst, wie diese umzusetzen sind, oder, wenn Du schon bei einem Thema weiter bist, mitzudiskutieren, welche Konkretisierungen und direkten Nutzen Du ziehen kannst.“ Die Zukunft ist relativ nah. Die Besucher sollen sich vor allem auch schon am ersten Tag einbringen.

Wie sollen sich die Besucher einbringen?
Staberhofer: Wir haben uns dazu einiges überlegt. Es gibt zum Beispiel ein Krawattenverbot. Es wird ein Umfeld geschaffen, damit die Leute auch animiert werden, sich zu beteiligen. Aus den USA haben wir die Methode „Design thinking“ mitgebracht. Damit wollen wir eine vollkommen neue Methode für Diskussionen anregen.

Am zweiten Tag geht es mehr um die Gegenwart und Best-Practice-Beispiele. Welche Highlights warten hier auf die Besucher?
Staberhofer: Es gibt immer einen guten Grund für Veränderung, der zum Handeln zwingt. Die Beispiele, die am zweiten Tag präsentiert werden, zeigen auf, in welchen Bereichen die Unternehmen reagieren mussten. Beim Programmpunkt „Prozessinnovation in Produktionsbetrieben realisieren“ zeigen wir ein für Österreich einzigartiges Beispiel von der Firma Schmitz Cargobull. Sie wurden schon mehrfach für ihr innovatives Produktionssystem ausgezeichnet. Trotz zahlreicher Optimierungen im Unternehmen ist die Rentabilität laufend gesunken. Schmitz Cargobull hat dann den Weg der stärkeren Einbeziehung der Mitarbeiter gewählt. Mittlerweile ist Schmitz Cargobull ein Vorzeigebetrieb in Sachen Unternehmenskultur und wurde auch dafür schon mehrfach ausgezeichnet.

Können Sie mir noch ein weiteres Highlight nennen?
Staberhofer: Im Konsumgüterbereich präsentieren wir die Multichannelfähigkeit der Firma Pfeiffer beim Thema „Konsumenten müssen kaufen können“. Hier handelt es sich um ein Kooperationsprojekt von Pfeiffer mit der österreichischen Post und der FH Steyr. Es ging darum, wie man dem Endkunden (inkl. E-Commerce für Lebensmittel) durch Nutzung der vorhandenen Infrastruktur beliefern kann – sowohl vom Bestellvorgang als auch bei der physischen Distribution.

Wie sehen Sie hier die zukünftige Entwicklung?
Staberhofer: Durch die Urbanisierung und dem gleichzeitigen Ansteigen der älteren Bevölkerung werden solche Anwendungen an Bedeutung gewinnen. Wir haben uns in den letzten Jahren auch verstärkt dem Thema Personal gewidmet und werden heuer zwei hervorragende Personalisten (einen bei der Abendgala am 25. Juni, einen am Logistik-Tag am 26. Juni) präsentieren. Dieses Thema Personal ist zum einen untrennbar mit erfolgreichem Wirtschaften verbunden und zum anderen setzen sich unsere Besucher zu einem großen Teil aus Führungskräften, Geschäftsführern und Vorständen zusammen. Es ist ganz wesentlich, auch über solche Themen zu sprechen.

Welche Anliegen verfolgen Sie mit Ihrer Veranstaltung?
Staberhofer: Wir wollen Beiträge dazu liefern, dass Unternehmen ihre Produkte leichter, schneller und erfolgreicher am Markt unterbringen. Konsequenterweise bewegen sich unsere Parallelsequenzen beim Logistik-Tag in diesem Themenbereich. Wir bringen die Beschaffung näher zum Markt. Unser Beitrag dabei ist, dass wir u.a. Einkäufer und Beschaffer ansprechen und sie verstärkt in die gesamte Lieferkette involvieren wollen. Unsere Botschaft an sie lautet: „Kommt näher zum Markt und liefert eure Beiträge.“ Wenn ich nicht weiß, was der Kunde logistisch will, dann bin ich wahrscheinlich zu teuer oder zu schlecht – entweder ich habe ein „over fullfilment“ (das man sich nicht leisten kann) oder ich erreiche nicht das, was der Kunde will.

Welche Rolle spielen dann Zusatzleistungen?
Staberhofer: Es darf am Ende nicht nur um den Preis gehen. Man muss Mehrwert stiften. Das geht in Richtung der Servicemodelle. Mehr Cash aus eigener Kraft durch Supply-Chain-Inte-gration. Am Ende geht es darum, mit innovativen Transportideen als Marktöffner zu fungieren – u.a. Dienstleistungen schneller und flexibler zu gestalten. Damit sprechen wir die gesamte Supply Chain mit Themen an, die leben und schon vorgedacht sind. Der Beweis ist, dass die Dinge funktionieren und es etwas fürs Unternehmen bringt.

Woran merken Sie, dass die zwei Tage für Sie erfolgreich waren?
Staberhofer: Ich bin sehr zufrieden, wenn sich jeder Teilnehmer etwas für sich nach Hause mitnehmen kann. Über 50 Prozent von ihnen kommen mittlerweile von außerhalb Oberösterreichs. Damit können wir wirklich von einem österreichischen LogistikTag sprechen.

Danke für das Gespräch.


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