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„Es ist ein Irrweg, man könne das Fliegen global verbieten“

Foto: Flughafen Wien
„Wir brauchen von der EU rasch einheitliche Standards für die Wiederaufnahme des Flugverkehrs“, sagt Günther Ofner.
Foto: Flughafen Wien

Günther Ofner, Vorstandsdirektor der Flughafen Wien AG und Logistik-Manager 2019, über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Luftfahrtbranche. Er rechnet frühestens 2022 oder 2023 mit einer Normalisierung. Als neues Service bietet der Flughafen Corona-Tests innerhalb von zwei Stunden an.

Im März 2020 waren die Auswirkungen der weltweiten Covid-19-Krise auch am Flughafen Wien deutlich zu spüren: Das Passagieraufkommen ging um 65,8 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres auf 808.454 Reisende zurück. Beim Frachtaufkommen gab es ein Minus von 12,7 Prozent im Vergleich zu März 2019. Gründe genug, den Vorstandsdirektor des größten rot-weiß-roten Flughafens zu interviewen.

Verkehr: Wie wird die Luftfahrtbranche nach Corona aussehen?
Günther Ofner:
Wir müssen wohl noch einige Zeit mit dem Virus leben. Solange das der Fall ist, wird es nur ein vorsichtiges, schrittweises Hochfahren des Passagierverkehrs geben. Voraussetzungen dafür sind allerdings international einheitliche Standards bei den Vorkehrungen, die getroffen werden müssen, um sicher und gesund fliegen zu können. Das betrifft z. B. Maskenpflicht, Abstände im Flugzeug, vorgeschriebene Untersuchungen bzw. Tests für Passagiere und Crews und vieles mehr. Erst wenn es wirksame Medikamente und eine Immunisierung mittels einer Impfung gibt, wird es wieder zu einer Normalisierung kommen, also ab 2022 oder 2023. Mittelfristig sehe ich durchaus wieder ein deutliches Wachstum – die Notwendigkeit und die Lust auf Mobilität werden auch Corona überdauern.

Welche Konsequenzen wird das für den Flughafen Wien haben?
Ofner:
Wir werden viele Maßnahmen setzen, um bei Flugreisen die Gesundheit zu schützen – von zusätzlicher Hygiene und Desinfektion über Maskenpflicht am Plexiglasschalter, Temperaturmessung durch die Gesundheitsbehörde bis hin zum neuen Service, am Flughafen innerhalb von zwei Stunden einen BCR-Corona-Test durchführen zu lassen. Der massive Geschäftseinbruch erzwingt aber auch ein scharfes Sparprogramm – alle unsere rund 6.800 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit; alle nicht zwingend notwendigen Investitionen wurden verschoben, die Dividende für 2019 wurde gestrichen. Der Office Park 4 wird aber fertiggestellt sowie auch der Umbau im Terminal 2 und die Vergrößerung des Speditionsgebäudes. Welche weiteren Sparmaßnahmen zudem erforderlich sein werden, hängt davon ab, wie lange die Krise andauert.

Sie haben zuletzt ein Sparprogramm für 2020 verabschiedet. Welche Folgen ergeben sich daraus für den Flughafen Wien?
Ofner:
Aus heutiger Sicht wird auch 2021 betroffen sein hinsichtlich weiterer massiver Sparprogramme in allen Bereichen; aber es wird auch offensive Ankurbelungsbemühungen geben, um die Passagierzahlen und die Frachtmengen möglichst rasch wieder hochzubringen. In diesem Zusammenhang werden besondere Schwerpunkte auch die Vermarktung des hochwertigen Office Park 4 und des neuen Konferenzzentrums sein sowie die Ansiedlung weiterer neuer Betriebe und eines neuen Hotels.

Brauchen wir zukünftig die 3. Piste überhaupt noch?
Ofner:
Da ich mittelfristig wieder Wachstum bei Passagieren und Fracht erwarte, wird auch früher oder später die Kapazitätsgrenze der Infrastruktur erreicht werden – also ja: Eine 3. Piste werden wir brauchen. Aber wann genau das sein wird, kann derzeit nicht vorausgesagt werden.

Wird sich das Image der Luftfahrt, das bisher aufgrund der Klimadiskussion ramponiert wurde, durch die speziellen Hilfsflüge im Cargo-Bereich verändern?
Ofner:
Die Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern und Schutzausrüstungen war nur durch viele Frachtflüge möglich; das hat eindrucksvoll bewiesen, dass die Luftfahrt unverzichtbar ist. In der Klimadebatte wird die Luftfahrt aber überdimensional angeprangert, denn sie ist nur für rund 2,7 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Es ist ein Irrweg zu glauben, dass man das Fliegen global verbieten könne – der richtige Lösungsansatz ist der künftig vermehrte Einsatz von synthetischem, CO2-neutralem Kerosin. Um dieses allerdings kostengünstiger erzeugen zu können, sind zusätzliche Forschungsanstrengungen notwendig.

Wie wird sich der Cargo-Standort am Flughafen Wien heuer entwickeln?
Ofner:
Funktionierende Luftfrachtströme waren und sind nach wie vor essenziell, um dramatische Versorgungskrisen während der Pandemie zu vermeiden. Das Luftfrachtaufkommen ist aktuell mengenmäßig zurückgegangen, sollte sich aber wieder erholen, sobald es mit der Wirtschaft wieder aufwärtsgeht. Die globalen Logistikstrategien werden sicher Lehren aus den Erfahrungen der Pandemie ziehen; wir erwarten, dass ausreichende Bevorratung eine größere Rolle spielen wird, vor allem wenn es um die Versorgung mit besonders sensiblen Gütern geht. Dabei wird uns auch unser temperaturreguliertes Pharmahandling zu Gute kommen.

Welche Bedeutung hat die AUA für den Flughafen Wien? Ist eine Verstaatlichng der AUA unvermeidbar?
Ofner:
Österreich erarbeitet 60 Prozent seines BIP im Export; 16.000 österreichische Unternehmen haben in Osteuropa investiert; rund 380 internationale Unternehmenszentralen mit über 20.000 Beschäftigten haben ihren Sitz in Ostösterreich; 75 Prozent der Touristen kommen mit dem Flugzeug; rund 220 neue Betriebe haben sich zuletzt in Österreich angesiedelt – d. h., ohne ein funktionierendes Luftverkehrsdrehkreuz ist all das in Gefahr, denn die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts leidet ohne gute Flugverbindungen dramatisch. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte man kein geeignetes Instrument ausschließen.

Was müsste von Seiten der heimischen Regierung für die Luftfahrtbranche getan werden?
Ofner:
So wie in allen anderen Ländern ist es auch bei uns unerlässlich, den unverschuldet in die Krise geratenen Unternehmen beizustehen, was die Regierung ja auch nach Kräften versucht.

Welche Anstrengungen müssten von Seiten der Europäischen Kommission für die Luftfahrt unternommen werden?
Ofner:
So rasch als möglich einheitliche Standards für die Wiederaufnahme des Flugverkehrs entwickeln und umsetzen.

Welche erste Lehren ziehen Sie aus der Coronakrise?
Ofner:
Die Welt muss sich besser gegen Pandemien schützen. Corona war nicht das letzte Virus, das dem Menschen gefährlich werden könnte. Und es wäre wünschenswert, dass die Menschen Vorbeugung ernster nehmen, z. B. durch eine deutlich höhere Impfquote, etwa auch gegen die Grippe.

Vielen Dank für das Gespräch!


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