Die berufliche Laufbahn von Werner Hecking ist beachtlich. Sein Lebenslauf weist Stationen beim Bundesheer, Bundeskanzleramt, bei Siemens KWB, Magna Powertrain und nun auch bei der Steiermarkbahn und Bus GmbH auf, wo er im Februar dieses Jahres die Geschäftsführung übernommen hat. Seitdem bringt er neuen Wind in das zu den Steiermärkischen Landesbahnen gehörige Unternehmen. Als Quereinsteiger hat er einen anderen Blick auf den Bahnbetrieb, den er noch als zu anachronistisch und protektionistisch geprägt und mit viel zu vielen Barrieren beladen wahrnimmt. Die vielen unterschiedlichen technischen Vorschriften in den einzelnen Ländern gestalten beispielsweise den grenzüberschreitenden Güterverkehr alles anders als harmonisch. Hier brauche es dringend einen Abbau der Barrieren, wenn mehr Güter auf die Schiene kommen sollen.
Es brauche konkrete Schritte
Die Bahn hat in Österreich im Vergleich zu vielen anderen Ländern einen sehr günstigen Modal Split mit mehr als 30 Prozent Marktanteil. In anderen Ländern liegt der Bahnanteil am Gesamtgüterverkehr bei 18 bis 20 Prozent, in einigen Ländern liegt er sogar noch weit darunter.
Hecking hat den vom BMK präsentierten Masterplan Güterverkehr 2030 schon gelesen. Die darin formulierten Maßnahmen für mehr Bahngüterverkehr goutiert er zwar – die Art, wie diese umgesetzt werden sollen, beschreibt er jedoch als nebulös. „Wir müssen Taten und konkrete Schritte setzen, damit beim System Bahn etwas weitergeht“, lautet sein Ansatz. Das Bahngeschäft ist ein völlig anderes als der Lkw-Verkehr. Sicherheit und Kontrolle im Bahnbereich hält der Manager für gut und recht, „aber wir müssen als Bahn moderner werden und mit einem attraktiven Angebot zum Kunden gehen“.
Die Steiermarkbahn hat im Vorjahr rund 1,7 Millionen Tonnen auf ihrem Schienennetz transportiert, das derzeit 128 Kilometer in der Steiermark umfasst. Ihr Geld verdient das Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Ganzzug- und Anschlussbahnverkehren sowie mit dem Kombinierten Verkehr, mit dem sich Hecking für die Zukunft große Chancen ausrechnet. Doch Geld lässt sich immer schwerer verdienen, weil Transporte nach der Corona-Pandemie spürbar weniger geworden sind. Einer der Gründe dafür: Viele Firmen haben sich sicherheitshalber Pufferlager angelegt, um bei potenziellen Lieferverzögerungen produktionsseitig nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Daher gibt es derzeit weniger Transporte und auch einen sichtbaren Trend in Richtung Near-Shoring.
Den bisherigen „Klassenkampf“ zwischen der Schiene und der Straße will der Manager beendet sehen, denn der Lkw ist im Güterverkehr essenziell und wird es auch weiterhin bleiben. Aber: „Alles, was mit dem Lkw transportiert wird, kann auch mit der Bahn befördert werden“, so Hecking. Auf die Symbiose der beiden Verkehrsträger kommt es an und diese will die Steiermarkbahn gemeinsam mit anderen privaten österreichischen Eisenbahngesellschaften mit einem geplanten nationalen, standardisierten Netzwerk für den Kombinierten Verkehr voranbringen.
Neues Netzwerk
Dieses neue Netzwerk soll im nächsten Jahr Realität werden und versteht sich als wettbewerbsfähiges Angebot für mehrere Marktsegmente. Mit einem täglichen Nachtsprung-Netz zwischen den wichtigsten österreichischen Kombi-Terminals soll mehr Cargo auf die Kombi-Schiene kommen. Mit abgestimmten Zugverbindungen sollen die Kombi-Sendungen in internationale kontinentale und maritime Relationen eingebunden werden.
Mit einem Erweiterungsnetzwerk rund um die Terminals will man Güterströme auch aus der Abfallwirtschaft integrieren. Nutzer können Slots über eine neutrale Plattform im Netzwerk einbuchen. Bis 18 Uhr eingelieferte Sendungen sollen am nächsten Tag ab sechs Uhr morgens im Empfängerterminal bereitstehen. Es soll dabei mit Einfach-Traktion gefahren werden, wobei Hybrid-Maschinen und fixe Wagengruppen zum Einsatz kommen sollen.
Das Auslastungsmanagement erfolgt über ein transparentes Risk-Sharing-Modell zwischen Nutzern und Leistungserbringern; vertreiben sollen das Angebot im Netzwerk Spediteure, Operateure und Terminalbetreiber. Zwei Bahnunternehmen machen bei diesem Netzwerk schon fix mit, mit weiteren sei man gerade in Verhandlungen. Eins steht schon fest: Die ÖBB werden hier nicht mitmachen.
Was die Fahrtgebiete betrifft, so sind zwei Nord-Süd-Zugverbindungen geplant: von Villach über St. Michael nach Wien und von Graz über St. Michael nach Wels. Auch eine Süd-West-Verbindung von Graz über Villach nach Salzburg und Hall in Tirol ist angedacht, wobei die Adriahäfen Koper und Triest via Graz und Hall in Tirol sowie die europäischen Nordhäfen via Salzburg an das Netzwerk angebunden werden sollen. Die Terminals Bludenz und Wolfurt werden in weiterer Folge durch eine Kapazitätsaufstockung der bestehenden Verbindungen in das Netzwerk eingebunden.
Modal Split von 40 Prozent möglich
Dieses Netzwerk-Konzept wird unter Einbindung des Fachverbands Schienenbahnen in der Wirtschaftskammer Österreich entwickelt. „Das Konzept kann mit wenigen Zügen befriedigt werden, und die Auslastung des Netzwerks ist der Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg“, liest man im Konzept-Entwurf. Derzeit im Laufen sind eine vertiefende Untersuchung der betrieblichen Machbarkeit, eine detaillierte Untersuchung in den genannten Marktsegmenten, die Ausarbeitung eines Modells für die Betreiberstruktur und natürlich auch die Suche nach potenziellen Projektpartnern.
Ein solches Konzept würde helfen, den Modal Split zugunsten der Bahn in Österreich auf 40 Prozent zu pushen, ist Hecking überzeugt: „Ich bin ein Fan des Kombinierten Verkehrs. Die Steigerung des Modal Splits ist nur mit ihm möglich.“ Noch mehr Bahn ist schließlich die Vision der Verkehrspolitik und so werde dieses Konzept im Klimaschutzministerium dann auch goutiert. Hecking hält es für wünschenswert, wenn die öffentliche Hand mit Fördermitteln dieses Netzwerk zum Laufen bringt, denn eine Anschubfinanzierung werde es trotz starkem Willen und Einsatz der involvierten Partner wohl brauchen. Österreich will bis 2040 in allen Bereichen klimaneutral sein – für Hecking ein legitimes Ziel, aber um dieses auch zu erreichen, braucht es nicht wohl formulierte Worte, sondern konsequente Schritte zur konkreten Umsetzung. Von der ab nächstem Jahr kommenden CO2-Bepreisung im Lkw-Güterverkehr erwartet man sich bei der Steiermarkbahn einen Verlagerungseffekt in Richtung Bahn. Ob das so kommen wird, muss sich noch zeigen.