Die Logistik-Branche muss sich heute beinahe täglich auf neue Veränderungen in den Supply Chains einstellen, nicht zuletzt geschuldet den politischen Krisenherden an zahlreichen Orten dieser Welt, die Transportwege völlig durcheinanderwirbeln können, wie zahlreiche Beispiele zeigen. „Die Logistik steht vor wirklich großen Herausforderungen und wir alle warten auf eine handlungsfähige neue EU-Kommission, die voraussichtlich ab Anfang Dezember ihre operative Tätigkeit aufnehmen wird“, stellte Roman Stiftner, Präsident der Bundesvereinigung Logistik Österreich (BVL), beim gut besuchten 20. Steirischen Logistik-Tag + Automotive Day 2024 in der Firmenzentrale der Energie Steiermark fest. Zu den großen Herausforderungen zählen seiner Einschätzung nach die hohen Standortkosten in Österreich, der Standortwettbewerb unserer Heimat gegenüber anderen Ländern sowie die Entbürokratisierung. Es braucht Wertschöpfung in Österreich, damit man nachhaltig agieren könne, und die häufig prognostizierte Transformation leidet unter den gerade nicht rosigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die am besten mit dem nüchternen Wort Rezession beschrieben werden können.
Energiewende
Am Logistik-Tag nahmen Vertreter der regionalen Logistik-Branche als auch Verlader, Bankenvertreter sowie Wissenschaftler und Forscher teil. Damit wurde ein breiter Bogen gespannt. Martin Graf, Chef der Energie Steiermark, erklärte, wie sich sein Unternehmen auf die Transformation einstellt. Im Rahmen einer Umfrage bei 22 potenten steirischen Industrieunternehmen wurde herausgearbeitet, welcher Energiebedarf sich in naher Zukunft abzeichnen wird. Nahezu alle befragten Unternehmen wollen den Gasverbrauch um 90 Prozent senken und zeigen sich empfänglich für alternative Energien, wie beispielsweise Photovoltaik. „Wir stellen uns darauf ein und investieren heuer 400 Millionen Euro in den Ausbau alternativer erneuerbarer Energie-Systeme“, so Graf. Dass dabei das Thema E-Mobilität und Bereitstellung der passenden Ladestationen landesweit ganz oben steht auf der Agenda, versteht sich von selbst.
KI dominiert
Die Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Transformations-Prozesse. „Sie ist das Beste, was uns passieren kann“, schwärmte Bernhard Hadatsch, Projektleiter bei Toyota Material Handling Austria. KI ist in der Intralogistik nicht mehr wegzudenken. Selbstlernende Roboter und schwarmintelligente Flurförderfahrzeuge dominieren mittlerweile viele Intralogistik-Zentren. Dazu kommen Drohnen, die koordinierende Funktionen übernehmen, während die Roboter in die Regale greifen und Produkte völlig autonom in die Kommissionierbox transferieren.
Aus Sicht von Toyota Material Handling sind in Europa KI-gesteuerte Lagerprozesse und intelligente Lagerhäuser die Zukunft. In Asien hingegen setzt man auf autonome Roboter, Drohnen, IoT und KI für die Supply-Chain-Optimierung.
Paketlawine meistern
Viel zu kommissionieren hat die Österreichische Post in ihren zahlreichen Logistik-Zentren. Allein im relativ neuen Logistik-Hub in Kalsdorf bei Graz werden täglich 300.000 Pakete umgeschlagen und den Empfängern mittels E-Fahrzeugen zugestellt. „Wir sind mehr als nur Post“, betonte Martin Kohlmayer, Leiter des Kalsdorfer Logistik-Zentrums. 200 Millionen Pakete hat die Post im Vorjahr in Summe befördert und der Trend zeigt weiter nach oben. Im ersten Halbjahr 2024 hat das Post-KEP-Geschäft um 13 Prozent zugelegt, und unterm Strich macht sich das auch in der Post-Bilanz bemerkbar. 1,4 Milliarden Euro Umsatz erzielte die Post im Vorjahr mit dem Paketgeschäft.
Ein enger Logistik-Partner ist die Post für das traditionsreiche Grazer Kaufhaus Kaster & Öhler, das neben stationären Geschäften auch mit Webshops in der DACH-Region kräftig Flagge zeigt und alle online eingekauften Produkte mit der Post auf der B2C-Schiene zustellen lässt. „Die Post macht es gut“, bescheinigt Eustachius Kreimer, Bereichsleiter Logistik bei Kastner & Öhler. Wichtig ist für ihn hierbei der interaktive Datentausch mit der Post.
Den „Regelwald“ erkunden
Nicht gerade zuträglich sind die vielen Regulierungen, mit denen Unternehmen heute konfrontiert und die gefälligst zu beachten sie „verdammt“ sind, weil sonst Konsequenzen drohen. UNO, WTO, OECD, EU oder nationale Gesetze – alle diese (und weitere) Institutionen produzieren Regeln für den Wirtschaftsverkehr. Sie alle zu überblicken, fällt gerade mittelständischen bis kleinen Unternehmen schwer, so Wolfgang Posch, Universitätsprofessor und Departmentleiter an der Montanuniversität Leoben: „Nur 30 Prozent der Unternehmen kennen heute die für sie aktuell geltenden Vorschriften.“ Und das sind meist Großunternehmen, die über das entsprechende Personal im Haus verfügen, um Licht ins Dunkel der „Regelwälder“ zu bringen. Dabei sind viele kleine Unternehmen genauso betroffen, auch wenn für sie ob ihrer betrieblichen Größe und Rahmenbedingungen diese Regeln nicht zutreffen würden. Aber: „Wenn ein solches Unternehmen Komponenten an Volkswagen in Deutschland liefert, ist es von den Regeln genauso betroffen“, erklärt Posch.