Die „Digitale Seidenstraße“ (DSR) wurde 2015, als eine Dimension von Xi Jinpings außenpolitischer Großmachtvision – der „Belt-and-Road Initiative“ (BRI) – veröffentlicht. Mehr als 150 Staaten der Welt haben mittlerweile unterschiedlichste Kooperationsabkommen mit der BRI unterzeichnet. Sie muss als zweite Runde des „Going global“-Projekts von 1999 verstanden werden, mit dem die internationale Markterschließung durch chinesische Unternehmen forciert werden sollte.
Die wichtigsten Bereiche der DSR sind die Errichtung und Wartung von Unterwasserdatenkabeln sowie die Vergrößerung des Weltmarktanteils für das Dienstleistungsspektrum des Satellitennavigationssystems Beidou, das als ernsthafte Konkurrenz zum amerikanischen GPS positioniert werden soll.
In den letzten neun Jahren wurden wichtige Ziele erreicht. Das „Digital Silk Road Center“ an der Universität von Fudan kann zufrieden sein.
Datenkabel unter Wasser
Der Startschuss für die chinesische Offensive im Bereich Unterwasser-Datenkabel fiel im Jahr 2015. Neben der DSR war es vor allem Chinas Smart-Manufacturing-Strategie, „Made in China 2025“, in der das ambitionierte Ziel von 60 Prozent Weltmarktanteil bis 2025 vorgegeben wurde. UW-Datenkabel sind von enormer
Bedeutung im geopolitischen Technologiewettbewerb, fließen durch die 520 Kabel mit insgesamt 1,3 Millionen Kilometer Länge doch 95 Prozent des internationalen Datenverkehrs.
Der Wettbewerb zwischen den USA und China zeigt Wirkung: Hatte der chinesische Anbieter HMN in den letzten vier Jahren 18 Prozent der laufenden Entwicklungsprojekte ans Netz gebracht, ist das Unternehmen aktuell nur mehr für sieben Prozent der Bauprojekte verantwortlich – gemessen an der Kabellänge, nicht der Anzahl an Projekten.
HMN ging aus dem Joint Venture zwischen Huawei und Global Marine in Großbritannien hervor und ist aktuell der viertgrößte Anbieter nach Subcom aus den USA, NEC aus Japan und Alcatel aus Frankreich. 2020 wurde das Unternehmen von der Hengtong-Gruppe übernommen – einem der weltweit Top-3-Hersteller von hochentwickelten unterwassertauglichen Glasfaserkabeln und Teil des militärisch-industriellen Komplexes in China. Seit August 2022 verfügt HMN über das PEACE (Pakistan & East Africa Connecting Europe)-UW-Datenkabel. Dieses Projekt wurde 2018 begonnen und verbindet mit einer Gesamtlänge von 12.000 Kilometern Pakistan mit Djibouti, Kenia, Zypern sowie Malta und landet in Marseille an.
Weitere chinesische Wettbewerber sind die drei Telekommunikationsgiganten China Telecom, China Unicom und China Mobile, die zusammen gegenwärtig an 31 UW-Datenkabeln Anteile halten.
Beidou als starke Konkurrenz für GPS
Am 23. Juni 2020 hat eine Trägerrakete vom Typ „Langer Marsch 3B“ den 30. und letzten Satelliten der dritten Generation von Beidou ins Weltall befördert. Damit war eines der Geheimprojekte, die im „Mittel- und Langfristigen Entwicklungsplan“ von 2006 festgelegt wurden, abgeschlossen. Beidou ist nämlich sowohl Teil der DSR als auch der „Weltraum-Seidenstraße“, von der die chinesische Führung fallweise spricht.
Beidou hat sich ab Dezember 2000 in drei Stufen entwickelt: In der ersten Stufe wurden 16 Satelliten ins All befördert. In der zweiten Stufe, ab 2012, wurde der Service für den asiatisch-pazifischen Raum verfügbar gemacht. Die ersten Teilnehmerstaaten waren Pakistan, Thailand und Laos im Jahr 2013. Zwei Jahre später wurden weitere Verträge über die Errichtung von Bodenstationen mit dem Iran und 2016 mit Saudi-Arabien unterzeichnet. Die größte Weltraumstation außerhalb der Landesgrenzen ist die Espacio Lejano in Bajada del Agrio in der Provinz Neuquén im Westen Argentiniens, die 2015 von der damaligen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner auf 50 Jahre steuerfrei an China verpachtet wurde. Ab Dezember 2018 wurde Beidou global verfügbar. Betrieben wird das System offiziell vom China Satellite Navigation Systems Committee (CSNSC), was eine zivile Nutzung vortäuschen soll. In Wahrheit untersteht das CSNSC der Armeeeinheit für Aufklärungs-, Cyber- und Informationskriegsführung – der Strategic Support Force (SSF).
Ein Bombenerfolg für China
Aus chinesischer Sicht ist Beidou das erfolgreichste Wissenschaftskooperationsprojekt mit der EU im Rahmen von Galileo. Ab 2003 wurden die technischen Grundlagen mit einer Unzahl europäischer Partner entwickelt. Auch österreichische Wissenschaftler haben – einer Analyse der Universität Prag zufolge – mit 58 Forschungsprojekten zwischen 2006 und 2021 zum Gelingen beigetragen. Ein großer Erfolg für Pekings militärisch-industriellen Komplex, dem es, trotz eines seit 1989 aktiven Waffenembargos, gelungen ist, diese für die moderne Kriegsführung unverzichtbare „dual use“-Technologie zu erwerben.
Offiziell vertrat die EU zwar die Ansicht, dass es sich ausschließlich um eine Forschung für die zivile Nutzung handelt. Es ist aber unwahrscheinlich, dass man in Brüssel den tatsächlichen Hintergrund nicht erkannte: Die Shareholder von „China Galileo“ waren hochrangige Anbieter für Militärtechnologie wie die China Aerospace Science and Industry Corporation oder die China Academy of Space Technology.