So ging der Containerumschlag in TEU um 5,5 Prozent zurück (in Tonnen: -9,6 Prozent), was vor allem dadurch zu erklären ist, dass der Containerverkehr von und nach Russland nach dem Überfall auf die Ukraine fast vollständig zum Erliegen kam. Die Anlieferung von LNG als Alternative für russisches Gas, vor allem aus den USA, nahm um 63,9 Prozent zu. Zugleich stieg der Import von Kohle um 17,9 Prozent an, da die Betriebszeiten der deutschen Kohlekraftwerke wieder hochgefahren wurden. Infolge der Sanktionen ging der Import von Öl, Ölprodukten und Kohle aus Russland zurück; es gelang, diese Rohstoffe aus anderen Quellen zu beschaffen.
Dringend Zahn zulegen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten
Allard Castelein, CEO des Hafenbetriebs Rotterdam: „2022 war in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Jahr. Der Krieg und die Sanktionen führten zu Veränderungen der weltweiten Energieströme und zu hohen Energiepreisen, was die Inflation anheizte und die Wirtschaft ausbremste. Die Rotterdamer Hafenindustrie und die Dienstleister haben jedoch schnell und adäquat auf die Veränderungen reagiert. Der Krieg führt uns klar vor Augen, welche Risiken es birgt, wenn man in systemrelevanten Bereichen stark von einem oder wenigen Ländern abhängig ist. In diesem Sinne muss uns der Krieg dazu veranlassen, die Wehrhaftigkeit des niederländischen und europäischen Energie- und Industriesektors zu stärken. Das bedeutet, dass wir die Produktion erneuerbarer Energien beschleunigen und strategische Branchen selbst in der Hand behalten müssen. Angesichts des schleppenden Fortschritts bei der Lösung der Stickstoffproblematik, der hohen Energiepreise in Europa und des Tempos und Maßstabs, in dem die amerikanische Regierung momentan die Ökologisierung der Industrie vorantreibt, drohen die Niederlande und Europa ins Hintertreffen zu geraten. Hier müssen wir dringend einen Zahn zulegen.“
Finanzen
Finanziell blickt der Hafenbetrieb auf ein gutes Jahr 2022 zurück. Die Erträge stiegen um 6,9 Prozent auf 825,7 Millionen Euro an. Auch die betrieblichen Aufwendungen erhöhten sich um 8,3 Prozent auf 282,2 Millionen Euro. Per Saldo nahm weiterhin das Betriebsergebnis vor Zinsen, Abschreibungen und Steuern (EBITDA) um 6,1 Prozent auf 543,5 Millionen Euro zu. Das Nettoergebnis blieb mit 247,2 Millionen Euro unverändert (2021: 247,2 Millionen Euro). Insgesamt investierte der Hafenbetrieb 257 Millionen Euro in den Hafen; 2021 waren es noch 226,3 Millionen Euro. Die wichtigsten Bestandteile des Umsatzes sind die Vertragseinnahmen (aus der Vermietung von Grundstücken) und die Hafengebühren. Infolge von Preisänderungen und neuen Verträgen stiegen die Vertragseinnahmen um 24,9 Millionen Euro an. Die Einnahmen aus Hafengebühren erhöhten sich trotz des nahezu unveränderten Umschlagvolumens um 27,8 Millionen Euro. Die betrieblichen Aufwendungen stiegen um 21,7 Millionen Euro an.
Nachhaltigkeitsziele
Das Ziel des Hafenbetriebs besteht in der Schaffung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Werte. Hierzu will er die Ökologisierung des Hafens vorantreiben und als smarter Partner in den Logistikketten fungieren. Investitionen in digitale Innovationen, die Infrastruktur, das Bildungswesen und die Schulung von Arbeitskräften, sind notwendig, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Trockenes Massengut
Im Gütersegment trockenes Massengut wurde ein Anstieg von 1,7 Prozent auf 80,1 Millionen Tonnen verzeichnet: Der Umschlag von Agrarmassengütern ging um 6,1 Prozent zurück. Es wurden außerdem 15,5 Prozent weniger Eisenerz angelandet. Beim Umschlag von Kohle wurde mit 17,9 Prozent ein starker Zuwachs verzeichnet. Der Umschlag von Biomasse erhöhte sich um 13,7 Prozent. Beim übrigen trockenen Massengut betrug der Anstieg 14,2 Prozent.
Flüssiges Massengut
Beim flüssigen Massengut wurde ein Volumenanstieg um 4,0 Prozent auf 212,8 Millionen Tonnen verzeichnet: Die Zunahme beim Rohöl betrug 5,9 Prozent. Der Umschlag von Ölprodukten ging um 10,8 zurück. Bei LNG wurde ein Zuwachs von 63,9 Prozent verzeichnet. Der Anstieg des übrigen flüssigen Massenguts belief sich auf 15,3 Prozent.
Container und Stückgut
Beim Containerumschlag wurde eine Abnahme um 5,5 Prozent in TEU und um 9,6 Prozent in Tonnen verzeichnet. Diese Differenz war eine Folge des starken Anstiegs der Anlandung voller Container aus Asien in den ersten neun Monaten des Jahres, was eine Folge der starken Nachfrage nach Konsumgütern war. Zugleich ging der Export zurück, wodurch auch weitaus mehr Leercontainer zurückverschifft wurden. Die Containerbranche wurde auch 2022 noch mit disruptiven Entwicklungen in der Logistikkette konfrontiert, da die hohe Nachfrage nach Transportkapazität mit gleichzeitigen Störungen infolge der Covid-19-Lockdowns und Kapazitätsengpässen einherging. Die Folge waren übervolle Terminals und Distributionszentren im Hafen und im Hinterland sowie Ungewissheit hinsichtlich der Lieferzeiten. Dadurch wurden vor allem Transshipment-Frachten auf andere Häfen verlagert, in denen noch Kapazitäten zur Verfügung standen.
Das Frachtvolumen ins Hinterland stieg 2022 weiter an. Die Hauptursache des Rückgangs des Containerumschlags war jedoch der Krieg in der Ukraine mit den darauf folgenden Sanktionen gegen Russland. Vor dem Krieg standen gut 8 Prozent (in TEU) des Rotterdamer Containerverkehrs mit Russland in Zusammenhang. Rotterdam hatte in diesem Fahrgebiet einen Marktanteil von 40 Prozent. Diese Volumen fielen ab März fast vollständig weg. Im vierten Quartal sorgten die hohe Inflation und der geringere Konsum in Kombination mit großen Vorräten für einen weiteren Rückgang des Containerumschlags. Infolgedessen sanken die Tarife für den Containertransport wieder auf das Niveau vor der Coronakrise, sodass die Schiffe gegen Ende des Jahres wieder zunehmend pünktlich verkehren konnten.
Der Roll-on-/Roll-off-Verkehr nahm um 13,5 Prozent zu. Der Bereich „sonstiges Stückgut“ verzeichnete einen Anstieg um 10,4 Prozent. Eine wichtige Ursache hierfür ist der zunehmende Import von Stahl und Nichteisenmetallen. Darüber hinaus sorgten die hohen Containertarife ebenso wie im Bereich „sonstige Flüssiggüter“ dafür, dass mehr Ladung als Stückgut verschifft wurde.
Digitalisierung und Innovation
Durch den Beitritt neuer Marktpartner konnten die Planungstools Routescanner und Nextlogic im Jahr 2022 optimiert werden. Routescanner erleichtert die Zusammenstellung nachhaltiger und effizienter Containertransportrouten auf dem Seeweg (Deepsea, Shortsea, RoRo), mit Binnenschiffen, über die Schiene und auf der Straße. Das Tool bietet nun auch einen CO2-Rechner, mit dem die auf verschiedenen Transportwegen entstehenden Emissionen miteinander verglichen werden können. Die Pilotphase von Nextlogic wurde Ende Dezember abgeschlossen. Das integrierte Planungstool für die Containerbinnenschifffahrt steht damit für den Live-Betrieb zur Verfügung.
Energiewende
Im letzten Jahr wurden einige wichtige Investitionsentscheidungen getroffen. Die umfangreichsten betreffen eine große Bioraffinerie und die europaweit größte Fabrik für grünen Wasserstoff. Darüber hinaus hat eine Gruppe von Unternehmen endgültig beschlossen, einen Importterminal für Ammoniak auszubauen, die Kapazität für das Recycling von Batterien zu erweitern, eine Wasserstofftankstelle für Lkw anzulegen und mehrere Landstromprojekte in Angriff zu nehmen. Diese Investitionsentscheidungen der Wirtschaft haben einen Umfang von insgesamt rund 3 Milliarden Euro. Je nach Projekt spielt der Hafenbetrieb eine spezifische Rolle, insbesondere bei der Realisierung der Infrastruktur: Für das CO2-Transport- und -Speicherprojekt Porthos wurde eine Garantieregelung mit dem Staat vereinbart, die es ermöglicht, im Vorfeld der endgültigen Investitionsentscheidung finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Die Leitungen für das im Hafen geplante Wasserstoffnetz wurden inzwischen geliefert. Das erste TenneT-Umspannwerk auf der Maasvlakte, an dem der von Offshore-Windparks erzeugte Strom angelandet wird, wurde in Betrieb genommen. Alle momentan laufenden Projekte führen zu einer potenziellen CO2-Reduktion von ungefähr 30 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Dies entspricht etwa 40 Prozent der nationalen Zielsetzung.
Ausblick
Die aktuelle geopolitische Lage bringt große Ungewissheit mit sich und die Inflation ist stark angestiegen. Soweit sich dies derzeit vorhersagen lässt, zeichnet sich für das Jahr 2023 eine Stagnation der Volkswirtschaften in den Niederlanden und Europa ab. Die Umschlagvolumen werden wahrscheinlich in begrenztem Maße sinken. Mit Blick auf die Energiewende, die für die Zukunft des Rotterdamer Hafens und die Erreichung der nationalen Klimaziele so wichtig ist, werden 2023 voraussichtlich wieder bedeutende Schritte unternommen, wobei die Geschwindigkeit auch davon abhängt, inwiefern es der Regierung gelingt, zügig einen Weg aus der Stickstoff-Sackgasse zu finden.