Im Jahr 1996 traf die chinesische Regierung die strategische Entscheidung, in Shanghai an der Mündung des Jangtse-Flusses ein internationales Schifffahrtszentrum zu errichten. Dieses ehrgeizige und überaus langfristige Projekt hat im Laufe der letzten 27 Jahre zwei entscheidende Phasen durchlaufen. Die erste Phase war vor allem der Infrastrukturerrichtung gewidmet. Mit der Entwicklung und Öffnung des Bezirks Pudong im Jahr 1996 wurde der Bau des Shanghai International Shipping Centers offiziell begonnen. Dabei liegt Shanghai selbst im Zentrum und wird von den beiden Anlagen Jiangsu und Zhejiang flankiert. Seitdem wurden der Freihafen Waigaoqiao, der Tiefwasserkanal im Mündungsgebiet des Jangtse-Flusses, der Yangshan-Tiefwasserhafen, der internationale Flughafen Pudong und andere wichtige Anlagen gebaut, die das solide Fundament für die starke wirtschaftliche Entwicklung des Shanghai International Shipping Centers bieten.
Perle der BRI
In der zweiten Projektphase wurde zwar weiter in den Bau der Infrastruktur investiert, der Fokus lag jedoch auf der Förderung eines unternehmensfreundlichen Umfelds. Das entstandene internationale Schifffahrtszentrum sollte nicht nur maritime Ressourcen bündeln, sondern es sollte vor allem über eine moderne dienstleistungsorientierte Logistik- und Wirtschaftszone verfügen. Das chinesische Megaprojekt wurde zu einem vollen Erfolg, denn letztendlich ist der Hafen Shanghai heute die erklärte Perle der Belt and Road Initiative. Im vergangenen Jahr lag das Containeraufkommen des Hafens bei über 47,3 Millionen TEU. Trotz der Behinderungen aufgrund der Covid-bedingten Schließungen konnte der Hafen damit 14 Jahre in Folge den ersten Platz im weltweiten Containerhafen-Ranking erzielen. Zwar war das Wachstum des chinesischen Hafens gegenüber dem Vorjahr, als 47 Millionen TEU erreicht wurden, verhältnismäßig gering, trotzdem konnte man die Konkurrenz in Schach halten: Der an zweiter Stelle gelegene Hafen in Singapur schlug „nur“ 37,3 Millionen TEU um.
Konkurrenz rüstet auf
Im Herbst 2022 kündigten Vertreter des Hafens Shanghai Pläne für den Bau eines riesigen neuen Containerterminals an, das die Umschlagkapazität in der Region um fast ein Viertel erhöhen soll. Das Projekt, das Investitionen von mehr als sieben Milliarden Euro in die Hafenkapazität in der Jangtse-Region vorsieht, kommt zu einem Zeitpunkt, an dem der Standort zunehmendem Konkurrenzdruck ausgesetzt ist. Sowohl benachbarte Häfen im eigenen Land als auch der immer stärker werdende Hafen Singapur rücken der Nummer 1 zunehmend näher. Im September letzten Jahres wurde nach zehn Jahren der Planung und mit einer Investition von mehr als 14 Milliarden Euro in Singapur der erste Teil der neuen Tuas-Hafenanlage in Betrieb genommen. Das Tuas-Terminal allein soll nach seiner kompletten Fertigstellung bis 2040 über eine jährliche Umschlagkapazität von 65 Millionen TEU verfügen. Der Hafenkomplex ist ein wesentlicher Bestandteil der Pläne von Singapurs Regierung, nach denen die Position als regionaler Hub gestärkt und die Rolle als weltweit größte Transshipment-Drehscheibe für andere Teile des asiatischen Kontinents ausgebaut werden soll.
Hafen wächst weiter
Daher plant die Shanghai International Port Group (SIPG) den Bau eines neuen Containerterminals in Zhejiang, nördlich ihres derzeitigen Tiefseehafens Yangshan. Das neue Terminal wird über eine Kaianlage von über 5,5 km Länge verfügen, die über sieben Liegeplätze für die größten Containerschiffe und 15 Liegeplätze für kleinere Schiffe im Regionalverkehr bietet. Die Arbeiten an der neuen Terminalanlage haben bereits Ende des vergangenen Jahres begonnen. Sie sollen in mehreren Phasen bis zum Ende des Jahrzehnts abgeschlossen sein. Nach ihrer Fertigstellung soll die neue Anlage über eine jährliche Kapazität von 11,6 Millionen TEU verfügen.
Zentrum regionaler Entwicklung
Das neue Terminal in Zhejiang stellt einen wesentlichen Teil des Masterplans für die gesamte Region dar. So sollen zukünftig nicht nur die Umschlagkapazitäten der Seehäfen erweitert, sondern vor allem die Binnentransporte entlang des Jangtse-Flusses sowie die Transporte zwischen Fluss und Meer verbessert werden. Denn auch der südlich von Shanghai gelegene Hafenkomplex Ningbo-Zhoushan wächst weiter. Der im 2022er-Ranking weltweit drittgrößte Containerhafen konnte letztes Jahr teilweise von der Überlastung und den jüngsten COVID-bedingten Schließungen in Shanghai profitieren. Im Rekordmonat Juli 2022 wurden in Ningbo-Zhoushan fast 3,3 Millionen TEU umgeschlagen, was einem Anstieg des Volumens um 26 Prozent entspricht – bei mehr als 33 Millionen TEU lag das Umschlagvolumen im gesamten Jahr 2022.
Maersk investiert
Der dänische Logistikkonzern Maersk, der über seine Tochtergesellschaft APM Terminals am Shanghai East Container Terminal im Freihafen Waigaoqiao beteiligt ist, baut seine Investitionen in den Standort weiter aus.
Im März unterzeichnete APM mit seinem Joint-Venture-Partner Shanghai International Port Group eine strategische Kooperationsvereinbarung über die Errichtung einer Methanol-Treibstoffanlage. Denn die Maersk Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat, ihr Unternehmen bis zum Jahr 2040 emissionsfrei zu betreiben, will 2024 die ersten 19 Schiffe, die über einen Antrieb mit „grünem Methanol“ verfügen, in Betrieb nehmen. Die zusammen mit der SIPG geplante Schiff-zu-Schiff-Betankung mit Methanol im Hafen Shanghai stellt dabei einen wesentlichen Meilenstein zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie von Maersk dar.