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Deutsche Baustellen betreffen auch Österreich

Foto: Stefan May
„Wenn man mehr Kapazität auf der Schiene will, dann ist eine kürzere Trasse ein guter Weg”, betont Philipp Nagl, Vorstandsvorsitzender der deutschen Infrastrukturgesellschaft DB InfraGO AG. Nagl treibt derzeit ein Vier-Milliarden-Euro-teures Programm voran, um bis 2030 Pünktlichkeit und Kapazität im deutschen Schienennetz zu steigern.
Foto: Stefan May

Mitte Juli hat die DB InfraGO mit dem größten Sanierungsprogramm ihrer Infrastruktur begonnen. Vorstandsvorsitzender Philipp Nagl erklärt, was geplant ist.

von: Stefan May

Innerhalb von fünf Monaten wird die viel befahrene Strecke zwischen Frankfurt am Main und Mannheim generalsaniert. Nächstes Jahr folgen zwei weitere stark frequentierte Abschnitte, dann jährlich fünf bis sechs. 2031 soll die Komplett­sanierung von 41 Strecken im Kernnetz der Deutschen Bahn abgeschlossen sein. „Das Tempo, mit dem wir in die Infrastruktur investieren können, ist jetzt ein ganz anderes als noch vor zwei Jahren“, sagt Philipp Nagl, Vorstandsvorsitzender der deutschen Infrastrukturgesellschaft DB InfraGO AG.
Das mehrere Milliarden Euro teure Programm wird auch Auswirkungen auf Österreich haben: Denn 2027 wird die Strecke zwischen Freilassing und Rosenheim komplett erneuert und deshalb für mehrere Monate gesperrt – in erster Linie wird das den innerösterreichischen Fernverkehr über das Deutsche Eck zwischen Salzburg und Kufstein betreffen. „Heute sind dort Stellwerke im Einsatz, die noch aus den 60er-Jahren stammen“, sagt Nagl. Aber ganz generell: „Wir brauchen flächendeckend eine Infrastruktur, die so ist wie eine ganz neue Strecke.“

Korrodor-Erneuerung statt fragmentiertem Bauen
Mit Teilsperrungen sei es da nicht mehr getan: „Bisher haben wir die Strecke stückweise instandgesetzt, das geht aber nicht mehr.“ Nach der Korridorsanierung dieses Abschnitts würden die Störungen dort deutlich reduziert. Die neue Form einer Rundum-Erneuerung von Korridoren habe als Alternative gegenüber dem fragmentierten Bauen auch Kostenvorteile, sagt der InfraGO-Vorstand, denn bisher war es so: „Sie sperren eine Strecke ab 22 Uhr, anschließend muss man die Baustelle einrichten, die Oberleitung erden und die Geräte hineinbringen.“ Dann könne fünf oder sechs Stunden lang gearbeitet werden, doch bald sei wieder Zeit abzubauen, damit um 6 Uhr früh der erste Zug mit 200 km/h durchfahren könne. „Das ist natürlich sehr teuer, weil ein Großteil der Arbeit aus dem Auf- und Abrüsten der Baustelle auf der Strecke besteht.“

Leichter investieren
Den geplanten Komplettsanie­rungen kommt entgegen, dass mit Beginn dieses Jahres die Bereiche Netz sowie Station & Services der DB AG zur neuen Gesellschaft DB InfraGO AG zusammengeführt wurden. „GO“ steht dabei für „gemeinwohlorientiert“ und bedeutet, dass die Gewinne nicht mehr wie bisher an den Eigentümer Bund abgeführt, sondern direkt in die Infrastruktur reinvestiert werden. „Wir können bei den Generalsanierungen jetzt komplett Hand in Hand die Erneuerungen in Angriff nehmen. Diese sind bei den Bahnhöfen besonders dringend notwendig, weil sie in der Vergangenheit noch stärker unterinvestiert waren als die Strecken“, sagt Nagl.
Doch warum ist es in Deutschland so weit gekommen, dass derart massiv eingegriffen werden muss? Jahrelang sei in die Infrastruktur – Straße wie Schiene – in Deutschland zu wenig investiert worden, sagt der Chef von DB InfraGO. Im Vergleich zu seiner Heimat Österreich hätte Deutschland bisher andere Prioritäten gesetzt. Dabei erinnert er sich an seine Studienzeit in Wien: „Auf Platz eins derer, die am wenigsten öffentliches Geld in die Schiene investierten, lag Deutschland. Da hat man in Österreich gesagt: Warum muss man hier so viel mehr Steuergeld in die Schiene investieren als in Deutschland?“

Österreich investiert seit Jahren in die Schiene - Deutschland muss aufholen
Die Kritik habe damals gestimmt. Nagl sieht aber den Wendepunkt 2008/2009: „Bis dahin war es so, dass die Züge, die von Österreich nach Deutschland fuhren, unpünktlicher waren als jene, die von Deutschland nach Österreich fuhren. Seit damals ist es umgekehrt.“ Österreich habe zu jenem Zeitpunkt den großen Nachbarn an diesem Punkt überholt. Nun müsse in Deutschland eine Aufholjagd beginnen, denn die chronische Unpünktlichkeit der Bahn beeinflusse das tägliche Leben und damit die öffentliche Meinung: „Das ist schmerzhaft.“ In Österreich sei die Bahn stets parteiübergreifend gefördert worden, sagt Nagl: „Egal, welche Regierung es in Österreich seit den 90er-Jahren gab: Jede hat viel in die Bahn investiert.“ Dieser Konsens habe bisher auch gegenüber der Straße bestanden.

Ausbau der Infrastruktur
Parallel zur Sanierung kommt in Deutschland der Ausbau hinzu. Eines der vielen Beispiele ist die schon lange anstehende Errichtung des Nordzulaufs zum Brennerbasistunnel auf bayerischer Seite. Bisher sind alle Varianten an massiven Bürgerprotesten zwischen Rosenheim und Kufstein gescheitert. „Da hat man in Österreich und der Schweiz schon vor vielen Jahren einen ganz anderen Ansatz gewählt, indem man faktisch nur noch Tunnel baut“, sagt Nagl. Tunnel seien widerstandsfrei. Lange habe sich Deutschland dagegengestellt und auf diese Weise „eine breite Kultur von Bürgerinitiativen und Widerstand“ hervorgerufen. Der besagte Nordzulauf werde nun aber auf deutscher Seite ebenfalls weitgehend untergrund gebaut. Tunnel hätten jedoch den Nachteil, dass dadurch sehr teuer gebaut würde und man sich deshalb nicht so viele Eisenbahnkilometer leisten könne wie bei einer oberirdischen Trasse.
Ein weiteres Projekt, bei dem Österreich und Deutschland zusammenarbeiten, ist die geplante Schnellverbindung der Westbahn nach München über Linz, Wels und Mühldorf in Bayern. Die Trasse sei in Hinsicht auf die Kilometerzahl kürzer als jene über Salzburg, sagt Nagl, der unter dem einstigen Vorstandsvorsitzenden Christian Kern Strategiechef des ÖBB-Personenverkehrs war, bevor er zur DB wechselte. „Wenn man mehr Kapazität auf der Schiene will, dann ist eine kürzere Trasse ein guter Weg.“


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