Welche Herausforderungen sehen Sie in Ihrer Rolle als Vorständin für Produktion und Instandhaltung bei der RCG?
Eine der größten Herausforderungen ist sicherlich der europäische Fleckerlteppich an Infrastrukturen und Rahmenbedingungen. Unterschiedliche Stromsysteme, nicht europäisch abgestimmte sicherheitsrelevante Standards oder Sprachanforderungen für das Personal sind dabei große Hürden. Unsere Kunden erwarten aber eine effiziente Einbettung der Transportlösungen in deren internationale Supply Chains mit hoher Qualität und schnellen Lösungen bei nicht vorhersehbaren Ereignissen. Das muss möglich sein. Meine Vision ist deshalb klar: Einen Zug durch Europa zu fahren, muss so einfach sein wie einen Lkw. Obwohl noch ein weiter Weg vor uns liegt, bin ich aufgrund des aktuellen Umdenkprozesses auf europäischer Ebene wieder zuversichtlich.
Meiner Meinung nach ist gerade jetzt ein guter Zeitpunkt, um mit innovativen Lösungen zu punkten. Während sich internationale Unternehmen in der letzten Zeit sehr stark mit Visualisierungen wie digitalen Lösungen und Transparenz in der Supply Chain beschäftigt haben, bemerkt man seit ca. einem Jahr ein starkes Umdenken – nachhaltige Lösungen spielen eine verstärkte Rolle. Ich glaube fest an den Schienengüterverkehr und die Vorteile davon für Unternehmen in internationalen Supply Chains. Dabei ist die richtige Verknüpfung der Verkehrsträger ganz wesentlich.
Mit welchen Strategien treiben Sie die internationale Wachstumsstrategie voran?
Internationalisierung ist für uns von zentraler Bedeutung, und hier kann der Schienengüterverkehr seine Stärken voll ausspielen. Ein Schwerpunkt der RCG liegt auf Produktinnovationen, insbesondere auf unseren zahlreichen TransFER-Verbindungen – das sind regelmäßige Verkehre mit fixen Fahrplänen, die Wirtschaftszentren und Häfen miteinander verknüpfen. Auch multimodale Logistik gewinnt zunehmend an Bedeutung, da wir auch kleineren Unternehmen ohne eigenen Gleisanschluss einen nachhaltigen Bahntransport ermöglichen möchten.
Zur Internationalisierung gehört aber noch viel mehr, zum Beispiel durchgängige und wettbewerbsfähige Produktionskonzepte, unabhängig von Ländergrenzen. Und damit einher geht die abgestimmte Ausrichtung unserer 14 Carrier-Ländergesellschaften. Wir konzentrieren uns auf eine durchgängige Planung und Steuerung. Denn Kunden denken vielfach ohne Grenzen, und das sollten wir auch.
Parallel dazu optimieren wir kontinuierlich unser Produktionsnetzwerk und bauen es resilienter aus. Mir ist es besonders wichtig, den Schienengüterverkehr im Rahmen der Möglichkeiten flexibler zu gestalten, damit wir unseren Kunden bei unvorhergesehenen Ereignissen rasche Lösungen und Alternativen anbieten können.
Welche Rolle soll der Eigentraktion in dieser Wachstumsstrategie zukommen?
Die stetige Erweiterung unseres Eigentraktionsnetzwerks ist ein wichtiger Schritt unserer Wachstumsstrategie, denn es stellt einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil dar. Kunden erwarten effiziente und abgestimmte Lösungen aus einer Hand. Mein Ziel ist es, so viel wie möglich „selbst“ – also in Eigentraktion – zu fahren, um den Kundenanforderungen gerecht zu werden.
Wie sehen Sie die Zukunft der Bahnlogistik und welche Rolle soll die RCG dabei spielen?
Die Zukunft der Logistik liegt auf der Schiene. Wir beobachten einen rasanten Wandel im Schienengüterverkehrsmarkt in Europa, getrieben durch neue Trends in der Branche, Digitalisierung, Innovation und vor allem Nachhaltigkeit. Die Bahnlogistik spielt eine Schlüsselrolle, um die europäischen Klimaziele zu erreichen, und der Modalanteil der Schiene muss steigen. Wir als Rail Cargo Group kämpfen täglich dafür, die Bahn als klima- und systemrelevanten Verkehrsträger weiter zu stärken und die Weichen für eine grünere Zukunft zu stellen.
Europa ist ein Fleckerlteppich. Was braucht es für die Interoperabilität?
EVU müssen zum einen ihre Hausaufgaben machen, um schneller, moderner und kundenzentrierter zu werden. Zweitens benötigt es in Europa eine einheitliche leistungsfähige Schieneninfrastruktur. Dabei ist es erforderlich, so manche „national“ orientierten Interessen hintanzustellen und Europa als Ganzes zu sehen. Und drittens brauchen wir faire wirtschaftliche und verkehrspolitische Rahmenbedingungen.
Denn wer glaubt, dass der Lkw-Transport günstig ist, vergisst die externen Kosten für Mensch und Umwelt, die wir über Umwege bezahlen: CO2-Emissionen, Verkehrssicherheit, Stau- und Unfallkosten. Diese Schäden muss die Politik stärker berücksichtigen und entweder die Schiene fördern oder die Straße mehr mit diesen externen Kosten belasten.
Auf welche Innovationen setzen Sie, um die Effizienz und Nachhaltigkeit zu verbessern?
Wir investieren intensiv in Digitalisierung und Innovationen, um den Schienengüterverkehr der Zukunft aktiv mitzugestalten. Dabei setzen wir auf eine kontinuierliche Entwicklung von innovativen Güterwagen hin zum intelligenten Güterzug und haben einen konkreten Fahrplan festgelegt: Bis 2025 modernisieren wir unsere Güterwagen mit Leichtbau, modularen Konzepten, innovativen Radsätzen sowie Telematik und Sensorik. Bis 2030 wollen wir diese Innovationen weiterentwickeln und intelligente Güterzüge einführen, die eine automatisierte Zugvorbereitung und effizientere Betriebsabläufe ermöglichen. Hierbei spielt die Digitale Automatische Kupplung (DAK) eine zentrale Rolle, die mittels Strom- und Datenmanagement die Interoperabilität und Effizienz im Schienengüterverkehr erheblich verbessern wird.
Unsere Vision für die weitere Zukunft ist die autonome Produktion, für die der (teil-)automatisierte Güterzug ein entscheidender Baustein ist. Hierzu zählen die autonome „First & Last Mile“ sowie das autonome Lenken und Bremsen des Zuges mit der Überwachung eines Lokführers. Während wir den innovativen Güterwagen als Wegbereiter voranbringen, erfordert der intelligente Güterzug eine enge Zusammenarbeit auf EU-Ebene, um eine nahtlose Interoperabilität zu erreichen.
Und natürlich entwickeln wir laufend unsere IT-Systeme weiter und digitalisieren unsere Services, Leistungen und Prozesse – der Zugang zum System Schiene soll noch einfacher gestaltet werden.
Welche Ziele wollen Sie als Vorständin erreichen?
Wir haben bereits wichtige Fortschritte gemacht, dazu zählt die Optimierung unserer Produktionsprozesse und der Ausbau unseres Eigentraktionsnetzwerks. Es gibt aber noch viel zu tun. Unser Ziel ist es, unser Produktionsnetzwerk weiter zu harmonisieren und die Zusammenarbeit unserer 14 Carrier-Gesellschaften zu verbessern. Das wird die Planung und Steuerung international vereinfachen und die Prozesse näher an unsere Kunden bringen.
Langfristig wollen wir den Modal-Anteil der Schiene bis 2030 auf 30 Prozent erhöhen, um die Klimaziele zu erreichen und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. So bleiben wir unserer Vision gerecht, das nachhaltige logistische Rückgrat der europäischen Wirtschaft zu sein.