1887 wurde Haeger & Schmidt in Antwerpen gegründet. Seit 2013 befindet sich das Traditionsunternehmen im Eigentum der Felbermayr-Gruppe. Mit europaweit über 200 Mitarbeitern erwirtschaftete Haeger & Schmidt zuletzt über 170 Millionen Euro Umsatz. Neben der klassischen Binnenschifffahrt bietet Haeger & Schmidt an seinen elf europaweiten Standorten auch port logistics, intermodal, short sea und shipping & forwarding an. Verkehr wollte deshalb mit der Geschäftsführung – Heiko Brückner, Per Nyström und Peter Stöttinger – über die aktuelle Marktentwicklung und die Zukunftspläne reden.
Verkehr: Haeger & Schmidt wurde vor sechs Jahren von der Felbermayr-Gruppe übernommen. Wie haben Sie diese Übernahme erlebt?
Heiko Brückner: Die Übernahme war ein absoluter Glücksfall für uns. Bis 1997 gehörten wir zur Thyssen-Gruppe, danach waren wir Teil der belgischen Bahn SNCB. 2012 wurde dort entschieden, dass wir nicht mehr zu deren Kerngeschäft gehören, so dass ein neuer Eigentümer gesucht und 2013 mit der Felbermayr-Gruppe auch gefunden wurde. Bei der Thyssen-Gruppe und dann speziell auch während unserer Zeit bei der SNCB hatten wir mit großen Investitions-Restriktionen zu kämpfen. Als wir von Felbermayr übernommen wurden, konnten wir endlich u. a. in neue Kräne investieren. Damit stieg natürlich auch wieder die Motivation in der Belegschaft.
Sie bieten umfangreiche logistische Dienstleistungen an. Wie hat sich bei Ihnen zuletzt die Binnnenschifffahrt entwickelt?
Brückner: Auf dem Rhein und teilweise auf der Mosel transportieren wir Trockengüter aller Art. Unsere Flotte von über 50 Schiffen verfügt dabei über Ladekapazitäten von bis zu 6.000 Tonnen. Bedingt durch das Niedrigwasser auf dem Rhein, vor allem in der zweiten Jahreshälfte im letzten Jahr, gingen die transportierten Mengen stark zurück – bleibt abzuwarten, wie sich dies heuer entwickeln wird. Ich gehe aber davon aus, dass wir in der Binnenschifffahrt kaum noch mit einem größeren Wachstum rechnen können. Es sei denn, die Politik schafft Rahmenbedingungen, die eine höhere Verlagerung von der Straße auf das Binnenschiff begünstigen.
Per Nyström: In den letzten 30 Jahren gab es eine Reihe an Berechnungen, laut denen der binnenschiffseitige Güterverkehr zunehmen würde. Rückblickend muss man aber feststellen, dass wir pro Jahr rund zwei Prozent unseres Volumens an den Container verlieren – und diese Tendenz wird anhalten.
Brückner: Das ist auch der Grund, warum die Bedeutung von Intermodalen Verkehren weiter ansteigen wird. Heute muss jeder Terminal einen Gleisanschluss haben, um konkurrenzfähig zu sein. Wir sind primär Verlader-orientiert und sind für die Ver- und Entsorgung von großen Fabriken verantwortlich. Gerade im letzten Jahr konnten wir trotz der Probleme am Rhein alle Transporte pünktlich abwickeln. Bis jetzt haben wir immer Lösungen gefunden.
Wie ist Ihnen dies gelungen?
Brückner: Wir organisierten eine Reihe von zusätzlichen Zugverbindungen. Aufgrund der großen Mengen, die wir vom Binnenschiff auf die Straße verlagern mussten, haben wir zusätzlich Lkw-Versorgungsbrücken, zum Beispiel bis nach Lüttich, aufgebaut; von dort ging es dann mit dem Binnenschiff weiter nach Antwerpen. Wir waren einfach sehr flexibel und kreativ.
Welche Schwerpunkte wollen Sie im multimodalen Schwertransport setzen?
Brückner: Im multimodalen Schwertransport ist vor allem Know-how gefragt. Zuletzt haben wir eine spezielle Schwerlast-Péniche für die französischen Kanäle entwickelt, weil dort der Erneuerungsbedarf, speziell in den Kohle- und Kernkraftwerken, enorm ist. Damit können wir Stückgüter mit bis zu 250 Tonnen Gewicht transportieren. Diese Entwicklung haben wir gemeinsam mit Felbermayr durchgeführt. Durch das Schleusensystem gibt es dort das Problem mit Niedrigwasser nicht.
Wäre dann ein Schleusensystem für den Rhein nicht auch erstrebenswert, um so die Niedrigwasserproblematik in den Griff zu bekommen?
Nyström: Wir haben hier in Duisburg die Brücke A40 über den Rhein. Allein das Verfahren, um die Brücke 1:1 zu ersetzen, kann in Summe durch die zahlreichen Einspruchsebenen rund sieben Jahre dauern. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, wenn wir hier in Deutschland über ein Schleusensystem auf dem Rhein diskutieren würden ...
Brückner: Im Prinzip wäre der Ansatz gut, aber die Entscheidungen dauern bei uns viel zu lang. Wenn hier keine Verbesserungen eintreten, muss man damit rechnen, dass Konzerne bei Neuinvestitionen zukünftig andere Standorte wählen.
Ihr Terminal im Duisburger Hafen ist mit einer Kailänge von 300 Metern und einer Gleislänge von 900 Metern auf den Umschlag von Stahlprodukten und Stückgut spezialisiert. Wie sehen dort Ihre weiteren Pläne aus?
Brückner: Auch hier bieten wir multimodale Lösungen durch unsere Anbindungen an die Straße, Schiene und das Wasser an. Mit der Port Logistics haben wir noch viel vor. So wollen wir heuer noch mit dem Bau einer neuen Halle mit Bahnanschluss beginnen, sodass ein großer bisheriger Außenbereich ebenfalls von Wind und Wetter geschützt ist. Im Intermodal-Bereich bewegen wir entlang der Rhein-Schiene klassisch Container von A nach B mittels Binnenschiffverkehr (u. a. von Duisburg nach Antwerpen bzw. Rotterdam), mit Ganzzugverbindungen (u. a. von Kehl bei Straßburg bis nach Rotterdam bzw. von Andernach bei Bonn bis nach Antwerpen) und durch Trucking im Nahverkehr. Neben dem Containerumschlag gehören auch hier Stuffing & Stripping sowie spezialisierte Dienstleistungen und Logistiklösungen rund um den Containertransport zu unserem Leistungsportfolio. In Summe wickeln wir hier mit weiterhin steigender Tendenz derzeit rund 400.000 TEU pro Jahr ab.
Nyström: Bemerkenswert ist auch, dass fallweise nun unter anderem auch Kohle oder Stahl in Containern transportiert werden; das wäre früher undenkbar gewesen. Hier hat sich absatzseitig das Kundenverhalten in den letzten Jahren verändert. Früher benötigte man zum Beispiel Großhändler, die schiffsweise den Stahl verteilt haben. Das ist heute durch den Containertransport wesentlich einfacher zu organisieren.
„Der Intermodale Verkehr wird an Bedeutung gewinnen“
Das Traditionsunternehmen Haeger & Schmidt Logistics mit zuletzt 9,1 Millionen Tonnen Umschlag und 400.000 TEU pro Jahr blickt auf eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung zurück. Verkehr besuchte die Firmenzentrale in Duisburg und hat sich nach den aktuellen Plänen erkundigt.
Sie fahren mit Ihren Ganzzügen auch regelmäßig Rotterdam an. Wie sehen Sie hier die zukünftige Entwicklung?
Brückner: Derzeit verbinden wir dreimal in der Woche unseren Standort in Kehl direkt mit Rotterdam, 80 TEU sind dabei auf einem Zug pro Richtung. Tendenziell rechnen wir auch hier schon allein aufgrund der Unsicherheit am Rhein mit einem Wachstum in den kommenden Jahren. Zusätzlich befindet sich in Kehl eine der weltweit größten privaten Papierfabriken. Heuer werden dort rund 300 Millionen Euro in neue Papiermaschinen investiert, um für den Export produzieren zu können. Hier muss die Logistik einwandfrei funktionieren. In der weiteren Nähe befindet sich Europas größter Weißblech-Produzent mit einem Volumen zuletzt von rund 1,6 Millionen Tonnen pro Jahr. Auch hier werden wir die Anzahl der Rundläufe auf der Schiene im kommenden Jahr ausbauen. Die Stahlexporte gehen primär über Antwerpen, die Importe kommen über Rotterdam.
Sie beschäftigen sich auch mit der Blockchain-Technologie. Wie weit sind Sie damit?
Brückner: Auf dem Oberrhein fahren zwölf Schiffe in einer Fahrgemeinschaft mit unterschiedlichen Betriebssystemen für uns. Wir haben uns mit einem jungen Unternehmen aus Düsseldorf zusammengesetzt, das unter anderem für einen großen deutschen Reisekonzern ein Blockchain-Projekt umgesetzt hat. Zwischen Hotel- und Schiffsdisposition sind die Unterschiede gar nicht so groß. Wir haben das Projekt im letzten Jahr gestartet und befinden uns derzeit bei der Datenerhebung. Unser Ziel ist, eine Plattform zu kreieren, auf der die Disposition der Schiffe automatisiert abläuft. Das Entscheidende, damit solche Projekte auch erfolgreich laufen, ist, dass auch die User mitgenommen werden, das heißt, es geht von Anfang an um Akzeptanz. Wir wollen aber Schritt für Schritt vorgehen. Die Blockchain bedeutet für uns Verlässlichkeit.
Nyström: Die Disposition der Schiffe wird sich durch die Digitalisierung in den kommenden Jahren sicherlich grundlegend verändern; einfachere Tätigkeiten werden automatisiert werden. Der Disponent von morgen wird dafür mehr in komplexere Aufgaben (wie unter anderem in der Störungsbehebung) involviert sein. Fachwissen und eine höhere Kompetenz werden bei den Mitarbeitern nach wie vor notwendig sein.
Peter Stöttinger: Ich denke, dass wir gerade im Container-Bereich durch die Einfachheit und die stete Wiederkehr des Geschäftsablaufs in weiterer Folge die Disposition automatisieren können. Es wird dann Buchungsplattformen ohne die Involvierung von Spediteuren geben.
Wie wird sich Haeger & Schmidt bis 2030 weiterentwickeln?
Brückner: Wir werden uns auf die bestehenden Hubs konzentrieren, weiter investieren und wollen dort jeweils Mehrleistungen in den kommenden Jahren anbieten – hier vor allem für die Last Mile.
Stöttinger: Durch das Projektgeschäft ist Haeger & Schmidt mit der Felbermayr-Gruppe zusammengewachsen. In Zukunft wollen wir uns verstärkt darauf fokussieren, die Zusammenarbeit zwischen dem Stahl- und dem Schwerlastterminal zu intensivieren. Auf der Last Mile haben wir als Felbermayr-Gruppe bereits Know-how aufgebaut, das wir auch bei Haeger & Schmidt verstärkt umsetzen wollen.
Was konnte Felbermayr von Haeger & Schmidt lernen?
Stöttinger: Wir konnten uns in der Projektlogistik deutlich weiterentwickeln. Im Binnenschiffsbereich haben wir bis 2013 immer nur mit Partnern zusammengearbeitet. Nun können wir auch diese Dienstleistung anbieten. Damit können wir unsere Kunden auch trimodal optimal bedienen.
Welche Wünsche haben Sie an die EU-Politik?
Brückner: Die Rheinvertiefung ist uns sehr wichtig. Zusätzlich müssen Maßnahmen getroffen werden, damit er langsamer abfließt. Die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf das Binnenschiff sollte nicht nur Lippenbekenntnisse der Politiker bleiben. Meistens wird außerdem nur vom Lkw- bzw. Bahntransport gesprochen – der Lkw-Verkehr ist natürlich wichtig, aber warum muss zum Beispiel ein Lkw von Hamburg nach Wien fahren? Gerade Deutschland ist das Stauland Nummer eins! Hier kann nur die Politik die Rahmenbedingungen steuern.
Stöttinger: Zusätzlich muss wieder verstärkt dereguliert werden. Es ist kaum mehr möglich, den Überblick über alle einzuhaltende Regulatorien zu behalten. Hier fehlt es oft an Augenmaß seitens der Politik.
Vielen Dank für das Gespräch!
Dieses Interview erschien in der Ausgabe VK 22/2019.
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