Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der WU Wien: "Natürlich sind von der geplanten deutschen PKW-Maut viele Österreicherinnen und Österreicher betroffen. Da die "Infrastrukturabgabe" ja auf allen deutschen Straßen anfallen soll gilt das selbst für kleine Deutsche Eck. Es werden also fast alle PKW-Fahrten zwischen Westösterreich und den anderen Bundesländern mautpflichtig.
Aus verkehrswissenschaftlicher Sicht sind vor allem
* die komplizierte Konstruktion (Der Preis für eine Jahresvignette richtet sich nach Art des Treibstoffs (Benzin oder Diesel), Öko-Klasse und der Hubraum-Größe der Fahrzeuge
* Der vorliegende Vorschlag der flächendeckende PKW-Maut ist im Grunde eine "Kfz-Steuer bei der der Ökoanreiz ja durch die Kompensation in Deutschland völlig entfällt und für die meisten Ausländer aufgrund der einheitlichen Preise für 10 Tages (€ 10) und 2 Monatsvignetten (€ 20) nicht wirkt. (eine gewisse Wirkung wäre lediglich bei ausländischen Haltern, die eine deutsche Jahresvignette kaufen, aber ob dadurch mehr umweltfreundliche Fahrzeuge eingesetzt werden ist mehr als fraglich).
* Die hohen Systemkosten für Verwaltung, Verschickung und Enforcement (Mautkontrolle), die ca. 25 % der Einnahmen betragen, während die österreichische Mauterhebung nur ca. 7 % kostet.
* Das Ungleichgewicht der unterjährigen Vignetten zu den Jahresvignetten bei umweltfreundlichen Benzin Fahrzeugen. So zahlt ein neuer ausländischer Polo mit 1,2 Liter Hubraum € 20 für 2 Monat. Die Jahresvignette dafür beträgt aber nur ca. € 24. Hier wäre ggf. ein Ansatzpunkt für eine Klage, wenn man denn unbedingt klagen will.
* Es macht keinen Sinn bei Beträgen von weniger als € 30 pro Jahr Jahresgebühren zu erheben, da hier die Kosten für Aussendung, Verwaltung und Kontrolle größer sind.
Insofern ist Sie vor allem für Deutschland eine Katastrophe und ein Musterbeispiel für schlechte Politik, bei der leichtfertig gemachte Wahlversprechen dann mit aller Macht umgesetzt werden und dabei nur Schmarrn herauskommt.
So sehr man den Ärger verstehen kann und so geschickt, sich Frau Bundesministerin Bures im Sinne der politischen Ökonomie der Wählerstimmen gegen die deutsche Maut positioniert. Ich denke, dass eine Klage, die das Ziel hat die Gegenfinanzierung zu verhindern Österreich wenig nützt denn:
a) ob Deutschland seinen Bürgern die Maut erstattet oder nicht ist für die österreichischen PKW-Fahrerinnen und Fahrer vielleicht emotional von Bedeutung, zahlen müssen Sie so oder so.
b) Eine Klage birgt immer gewisse Risiken und hohe Kosten. Auch ist eine Argumentation gegen die Kompensation nicht unproblematisch, denn eine Kompensation über eine Reduktion der Kfz-Steuer hat Österreich bei der Einführung der LKW-Maut auch angewendet. In Italien erhalten inländischen Frächter Mineralölsteuerrückvergütungen, die ausländischen LKW defacto nicht zustehen.
c) Man verärgert die CSU und Bayern noch mehr und Nachbarschaftsstreite sind zwar beliebt aber wenig ergiebig.
d) Vor allem behebt eine Klage nicht das eigentliche Problem, nämlich, dass es ärgerlich ist, dass es in Europa einen Mautflickenteppich gibt, bei der man bei der Fahrt in den Urlaub über die unterschiedlichen Mautregelungen informieren muss. Es gibt in Europa zur Zeit 20, mit Deutschland dann 21 unterschiedliche Lösungen für PKW-Mauten
In diesem Sinne wäre es eigentlich an der Zeit eine europäische Lösung für PKW zu forcieren, zumindest aber für die Übergangszeit eine DACH-Vignette zu generieren, bei der die deutschen, schweizer und österreichischen PKW-Fahrer durch Zuzahlung von z.B. € 20 zu ihrer Jahresvignette das Recht erhalten würden, die Straßen der 3 Länder zu befahren. Ich denke, dass würde vielen Österreicherinnen und Österreichern, aber auch unseren Nachbarländern mehr nützen als Klagen."
Anbei der Link zur ZIB mit live Interview mit Uni. Prof. Dr. Sebastian Kummer : http://tvthek.orf.at/program/ZIB-24/1225/ZIB-24/8153031