Gestern fand in der FH des BFI Wien die gemeinsam mit dem VNL Verein Netzwerk Logistik organisierte Infoveranstaltung "Corona-Epidemie - logistische Auswirkungen" statt.
Es diskutieren unter der Moderation von FH Rektor Andreas Breinbauer, Alexander Till (Leiter Repräsentanz Wien Hafen Hamburg Marketing), Günter Gruber (Head of Group Logistics, Semperit Technische Produkte), Myriam Glatz (Leiterin Seefracht RHI Magnesita) und Harald Nitschinger (Co-Founder & Managing Director Prewave).
Aktuelle Situation in China
* Im Vergleich zu anderen Viruserkrankungen kann die Inkubationszeit (d.h. die Zeit zwischen der Ansteckung und dem Ausbrechen einer Infektionskrankheit) beim Coronavirus bis zu 27 Tage dauern (zum Vergleich bei der herkömmlichen Grippe sind dies rund bis drei Tage beim SARS-Virus waren es bis zu sieben Tage).
* Der aktuelle Stand der Ausbreitung des Coroanvirus ist hier ersichtlich: https://www.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6
* Das chinesische Neujahr wurde aufgrund des Coronavirus verlängert. Seit rund zwei Wochen haben vor Ort viele Produktionen wieder begonnen zu arbeiten. Beim chinesischen Neujahr sind rund 385 Millionen Menschen (meist Wanderarbeiter) in China unterwegs zu ihren Familien. Dies ist mit Abstand die weltweit größte Migrationsbewegung. Aufgrund des Coronavirus sind derzeit einige Regionen in China abgeriegelt, d.h. die Arbeiter können nicht zu ihren Arbeitsstätten zurückkehren. Dieser Personalmangel wirkt sich natürlich auch entsprechend auf die Produktionsleistungen aus. Aktuell sind z.B. in der Region Guangdong rund 56 Prozent der Produktionen wieder in Betrieb; in Peking sind es ca. 61 Prozent mit einer Rückkehrrate der Arbeiter von rund 48 Prozent. Von den Automobilwerken haben in China VW am 24. Februar wieder ihre Arbeit aufgenommen, bei BMW war es am 17. Februar und bei TESLA sogar schon der 12. Februar. Von den österreichischen Unternehmen haben beispielsweise Lenzing am 21. Februar und voestalpine am 12. Februar (7 von 9 Werken) wieder begonnen zu produzieren.
Effekte in Asien und Europa durch das Coronavirus
* Es bleibt abzuwarten, wie sich das Coronavirus in Asien bzw. in Europa ausbreitet und es dadurch etwaig auch hier zu Produktionsausfällen kommt.
* Durch verzögerte Lieferungen aus China, ist mit temporären Werksschließungen bzw. Kurzarbeit in europäischen und asiatischen Werken zu rechnen.
* Mehr und mehr ist nun auch zu spüren, dass der chinesische Absatz aktuell weggebrochen ist. Beispielsweise hat VW derzeit einen Absatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr in China von 92 Prozent. Adidas verzeichnet ein Minus von 85 Prozent.
Leercontainer werden knapp
* Laut Alexander Till sind derzeit noch keine mengenmäßigen Auswirkungen in den Ein- und Ausgängen bei den Transportvolumina am Hafen Hambrug zu sehen. Das ist aber auch durch die Transportzeit von China nach Europa von rund fünf bis sechs Wochen begründet. Derzeit sind Containerschiffe im Suezkanal nach Europa unterwegs mit Fassungsvermögen von jeweils 24.000 TEU, aber es sind aktuell nur jeweils ca. 6.000 TEU an Board. Im Normalfall sind dieses Schiffe zu rund 90 Prozent ausgelastet. In der nächste Welle werden"Blanksailings" zwischen China und Europa , d.h. Ausfall von Schiffabfahrten die Transportkapazitäten wesentlich reduzieren; d.h. ab jetzt gerechnet wird dies in ca. vier bis fünf Wochen in den europäischen Häfen spürbar sein - dann aber heftig. Alexander Till rechnet mit einem Rückgang der Asienimporte nach Europa von rund 50 Prozent. Das wird auch zu einem Engpass von Leecontainern in Europa führen, das wiederum den Export beeinflussen kann. Um dem entgegenzuwirken können als Überbrückung Leercontainer aus dem arabischen Raum und den USA bezogen werden.