Verkehr: Wie hat sich Corona auf die Geschäftsentwicklung von Duisport ausgewirkt? Ist es zu erheblichen Mengenrückgängen gekommen?
Erich Staake: Auch der Duisburger Hafen hat die negativen wirtschaftlichen Entwicklungen sowie Beschränkungen rund um die Corona-Pandemie zu spüren bekommen. Wir haben diese aber als Chance gesehen und rasch unsere Hausaufgaben gemacht: Schon im Lockdown haben wir systematisch vorhandene Lagerflächen erweitert und für unsere Kunden Lösungen für den Weitertransport bereitgestellt. Wir nutzen unsere Kapazitäten zu 100 Prozent. Das dritte Quartal liegt in puncto Containerumschlag deutlich über dem Vorjahr. Unsere Statistik weist für die ersten neun Monate im TEU-Bereich nun ein Plus von zwei Prozent über dem Vorjahreswert aus – das war aufgrund der Pandemie nicht zu erwarten.
Zu den Stärken von Duisport zählen auch die Schienenverbindungen von und nach China. Wie haben sich hier die Mengen entwickelt? Welche Regionen in China will Duisport verstärkt fokussieren und welche Märkte würden sich dadurch eröffnen?
Staake: Schauen Sie bitte nicht nur auf die wachsenden Mengen und Frequenzen, sondern auf die wachsende Anzahl von Destinationen. Unser Netzwerk wächst kontinuierlich: Erst vor kurzem hat Duisport gemeinsam mit Sinotrans eine zusätzliche Zugverbindung zwischen Shenzhen und Duisburg etabliert. Mit der neuen Verbindung zwischen der Greater Bay Area (Anm. d. Red.: Perlflussdelta) haben wir gemeinsam ein neues Angebot für den Güterverkehr zwischen China und Europa entwickelt. Durch die Einbindung von Jinan (Nordostchina) und Changsha (Zentralchina) im Frühjahr in unser Netzwerk verfügen wir nun über ein flächendeckend starkes China-Netzwerk für den Schienengüterverkehr. Hinsichtlich der Mengen und Frequenzen verzeichnen wir seit Aufhebung der Abriegelungen in China konstant einen Anstieg bei den Warenverkehren: Im April stiegen die Züge auf ein Rekordniveau von 50 pro Woche (April 2019: 35 Züge pro Woche), im Mai waren es über 50 Züge pro Woche. Mittlerweile sind wir bei rund 60 Zügen, die zwischen Duisburg und China verkehren.
Auf welche mittel- und langfris- tigen Veränderungen entlang der Neuen Seidenstraße stellt sich Duisport ein?
Staake: Wir setzen auf Laufzeitenreduktion und mehr Verkehre aus Europa nach China. Duisport hat dafür gute Voraussetzungen: Wir sind Transport-Hub Nummer eins in Zentraleuropa und fungieren als Gateway-Hub für die großen Seehäfen an der Nordsee. Heute sind die transkontinentalen Bahnverkehre eine echte Alternative zu Luft- und Seefracht. Duisport verfügt über ein Netzwerk mit mehr als 400 Zugverbindungen pro Woche im Kombinierten Verkehr (KV) zu 100 nationalen und internationalen Zielen.
Duisport hat im Sommer eine kräftige Investition in Triest getätigt. Was war der Grund dafür?
Staake: Unsere Ambitionen basieren auf der seit Sommer 2017 bestehenden strategischen Zusammenarbeit zwischen Duisport und der Hafenbehörde Triest. Wir haben das enorme Potenzial des Hafens bereits vor Jahren erkannt und die gemeinsame Entwicklung von logistischen Dienstleistungen forciert. Triest ist der größte Seehafen des oberen Adriatischen Meeres, eine Beteiligung vor Ort ist eine sinnvolle Erweiterung unseres internationalen Netzwerks – besonders für unsere Kunden mit Schwerpunkt Warentransport im europäischen Raum.
Aufgrund der Corona-Krise vermuten Experten, dass es zu einer Rückverlagerung der Produktion
nach Europa kommen wird. Wie sehen Sie das?
Staake: Ja, das ist bereits zu spüren. Die Auslagerung von Produktionen nach Osteuropa oder Asien war in den letzten drei Jahrzehnten ein echter Megatrend, der zum Wachstum globaler Wertschöpfungsketten beigetragen hat. Ich vermute aber, dass nicht allein die Pandemie Auslöser der Rückverlagerung ist, die wir vor allem im Pharma-Bereich beobachten können. Durch Industrie 4.0 und steigende Anforderungen an die Flexibilität und Lieferfähigkeit unserer Industrien erwarte ich in Zukunft eine Zunahme von technologisch anspruchsvoller Produktion hier. Auch neue Verfahren werden eine Rolle spielen – so wird sich zum Beispiel durch die Fortschritte im 3D-Druck einiges verändern. Aber das ist Spekulation.
Welche Trends bemerken Sie allgemein in der Logistik?
Staake: Als ich vor über 20 Jahren in der Logistik anfing, war Amazon noch ein Online-Buchladen. Keiner von den sogenannten Experten hat damals prognostiziert, dass dieses Unternehmen einmal ein Game Changer in der Logistik wird und beispielsweise eine eigene Flugzeugflotte aufbaut. In Deutschland ist der Logistikmarkt nach der Automobilbranche und dem Handel einer der wichtigsten Wirtschaftsbereiche. Gleichzeitig zählt hier die Transport- und Logistikindustrie zu den Branchen, in der die digitale Transformation noch etwas hinterherhinkt. Ich bin mir sicher: Wer in Zukunft die besten digitalen Prozesse organisiert und die Logistik als Teil der Wertschöpfung begreift, wird auf den globalen Märkten das Rennen machen. Und in diesem Wettbewerb haben globale Akteure wie Amazon oder Alibaba sehr gute, wenn nicht die besten Karten.
Apropos Digitalisierung: Welchen Stellenwert nimmt sie bei Duisport ein und wie soll sie sich entwickeln?
Staake: Wir setzen nicht auf zentrale Digitalisierungsprojekte, sondern auf die Schwarmintelligenz. Derzeit haben wir daher unser Gründer-Hub Startport mit rund 50 Start-ups mit dem Schwerpunkt Logistik im Fokus. Wir bieten hier auf einer großen Co-Working-Plattform gemeinsam mit Partnern erstklassige Räume, zielführende Beratung und auch Kapitalgeber für weiteres Wachstum an. Damit sind wir heute schon in Deutschland einer der führenden Digitalisierungs-Hubs in der Logistik. Diesen Weg werden wir fortsetzen.
Welche Schritte setzt Duisport in Sachen Nachhaltigkeit?
Staake: Ich halte nichts von Greenwashing. Wir setzen auf konkrete Projekte und verfolgen seit Jahren eine langfristige Strategie in Richtung positiver Energiezukunft und „nachhaltiger Hafen“. Fachleute haben uns bescheinigt, dass wir durch umweltfreundliche Verkehrs- und Logistikkonzepte klimarelevante Emissionen bereits um 30 Prozent reduzieren konnten. Ein Beispiel: Mit der Einführung eines Verkehrsleitsystems sind die Einwohner in Duisburg hinsichtlich Verkehrslärm kräftig entlastet worden. Gleichzeitig konnten wir einen großen Anteil des Güterverkehrs von der Straße auf die Bahn und das Binnenschiff verlagern – so vermeiden wir jährlich über 100.000 Lkw-Fahrten auf den Straßen um und in Duisburg.
Wenn Sie einen Wunsch an die Regierung richten könnten, wie würde dieser lauten?
Staake: Bringt der Logistik mehr Wertschätzung entgegen – in Deutschland gibt es noch zu wenig Anerkennung. Unsere Branche ist das Rückgrat der wertschöpfenden Industrien und Branchen, aber das ist bei zu vielen Politikern und Regierungen noch nicht angekommen. Mit einer verbesserten Haltung uns gegenüber wären wir auch in vielen Sachfragen rasch weiter.
Vielen Dank für das Gespräch!