„Derzeit ist der Zubau an Elektrolysekapazitäten zu gering, um die Einhaltung der Pariser Klimaziele zu erreichen. In den 2030er-Jahren müssen wir daher jedes Jahr so viel Kapazität zubauen wie im gesamten Jahrzehnt zuvor“, sagt Yvonne Ruf, Partnerin bei Roland Berger. „Die verbleibenden Jahre des laufenden Jahrzehnts sind entscheidend, um die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, dass die nächste Dekade eine Phase der Beschleunigung sein kann. Denn wenn sich Wasserstoff nicht als wettbewerbsfähige Alternative zur Dekarbonisierung festigt, könnte sich die Debatte auf die Verlagerung energieintensiver Industrien in Länder verschieben, die dank kostengünstiger sauberer Energie, finanzieller Anreize oder besserer rechtlicher Rahmenbedingungen niedrigere Produktionskosten ermöglichen.“
„Roaring ’30s“ – die 2030er Jahre werden entscheidendes Jahrzehnt
Nach Berechnungen der Studienautoren wird die globale Wasserstoffproduktion bis 2030 jährlich im Schnitt um zwei Prozent wachsen. Rund zwölf Prozent des Gesamtvolumens von 2030 wird grüner Wasserstoff sein, der mithilfe erneuerbarer Energien klimaneutral produziert wird. „Wir schätzen den Zubau an Wasserstoffelektrolyse-Anlagen bis 2030 auf 119 Gigawatt (GW). Das ist weniger als die Hälfte der 260 GW, zu denen sich Regierungen global verpflichtet haben und nur rund ein Fünftel der 590 GW, die zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels notwendig wären“, erklärt Uwe Weichenhain, Partner bei Roland Berger. „Die 2030er-Jahre werden daher zum kritischen Jahrzehnt für die Wasserstoffindustrie werden. Wir werden eine massive Beschleunigung der Dekarbonisierung und der Wasserstoffproduktion erleben.“
Diversifizierte Nachfrage
Laut der Prognose von Roland Berger auf der Basis der historischen Ausbaurate wird die jährliche Produktionsmenge bis 2040 wohl auf 240 Mt Wasserstoff steigen. Dies würde einem Bedarf von 1 TW installierter Elektrolysekapazität entsprechen. Die Nachfrage wird sich 2040 zunehmend diversifizieren. Neben der verarbeitenden Industrie, die knapp die Hälfte (48 Prozent) des produzierten Wasserstoffs verbrauchen wird, werden vor allem der Mobilitäts- und der Energiesektor mit 30 Prozent beziehungsweise 15 Prozent auf der Nachfrageseite eine große Rolle spielen. Die Beheizung von Gebäuden wird sieben Prozent der Nachfrage ausmachen.
Strukturpolitische Maßnahmen notwendig
Der wichtigste Erfolgsfaktor für die in der Studie skizzierte Wasserstoffstrategie sind attraktive wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die sauberen Wasserstoff zu einer bezahlbaren Alternative machen. Laut Studienautoren sei es an der Zeit, von Diskussionen über Detailfragen wie Standards, Definitionen für grünen Wasserstoff oder Messmethoden für CO2-Emissionen wegzukommen. „Die zentrale Aufgabe für den Rest dieses Jahrzehnts ist es, strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen, denn isolierte Anreize und Regulierungen führen zu isolierten Projekten“, sagt Ruf.
Grundlagen für Beschleunigung schaffen
Erste Initiativen finden bereits statt. So unterstützen beispielsweise Steuerbegünstigungen im Rahmen des Inflation Reduction Acts in den USA die preisgünstige Produktion von sauberem Wasserstoff. In Europa haben Vorgaben wie Sustainable Aviation Fuels und Quoten für alternative Kraftstoffe einen zuverlässigen Markt für Wasserstoff geschaffen. Solche strukturpolitischen Entscheidungen müssten nun skaliert und erweitert werden, betont Weichenhain: „Wenn wir heute die Grundlagen schaffen, können wir die dringend benötigte Beschleunigung der Wasserstoffproduktion erreichen und sicherstellen, dass wir das globale Ziel der Dekarbonisierung erreichen.“