„Noch nie waren die Fenster für die Schiene so weit geöffnet“, erklärte Joachim Berends, Vizepräsident und Vorsitzender des Verwaltungsrates Schienengüterverkehr beim VDV sowie Vorstand der Bentheimer Eisenbahn AG, zu Beginn des Forums Schienengüterverkehr.
Erkenntnis 1: Es hapert an der Technik und Digitalisierung
Trotz „offener Fenster“ hatte das von der autofreundlichen FDP geführte Verkehrsministerium keinen Vertreter zur Tagung geschickt. Dennoch zeigten sich die Referenten optimistisch: „Die Technik ist da, wir können alles verladen“, sagte etwa Bernd Weisweiler, Direktor bei TX Logistik. „Aber die Prozesse und die Digitalisierung müssen ausgebaut werden.“ In Schweden war für TX Logistik ein mehr als 800 Meter langer Probezug mit 120 km/h erfolgreich unterwegs. Und: 90 Prozent aller Trailer seien nicht kranbar, sagte Weisweiler. Das im Unternehmen eigens entwickelte System „Easy Shift“ könne nicht kranbare Trailer aber kranbar machen.
Erkenntnis 2: Bahn zwar gute Alternative, aber nicht günstiger
Christoph Hempsch vertrat den mit sieben Millionen Paketen größten Paketdienstleister Deutsche Post DHL. Sein Unternehmen betreibt mehr als 50 Züge pro Woche. „Bereits sechs Prozent aller Pakete fahren auf der Schiene, vor allem auf langen Transportrelationen“, sagte Hempsch. Die Bahn sei eine gute Alternative zum Lkw, vor allem wegen des Wochenendfahrverbots und der Ruhezeiten für die Fahrer. Dennoch: „Die Bahn ist nicht günstiger als der Lkw.“ Hinzu komme das Verspätungsrisiko.
Erkenntnis 3: Mehr Flexibilität dank Kombination
Eine andere Partnerschaft, die vorgestellt wurde, ist jene zwischen Salzgitter Flachstahl und der Deutschen Bahn. 4,3 Millionen Tonnen Rohstahl werden in Salzgitter erzeugt. „Wir haben 19 Prozent Lkw-Anteil und 80 Prozent bei der Schiene – Letzteres wollen wir auf 85 Prozent erhöhen“, sagte Fabian Gerdes, Chef der Kundenlogistik von Salzgitter Flachstahl. Um flexibel bleiben zu können, würden Ganzzüge mit Einzelwagen kombiniert.
Erkenntnis 4: Tägliche Störungen bei DB = 20 Prozent Ausfälle für Bahntransporteure
So agiert auch ChemOil, eine 100-prozentige Tochter der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), die Raffinerieprodukte von den Niederlanden über die Schweiz nach Italien führt. Jede Woche werde nach einem fixen Fahrplan gefahren, sagte Claus Rütten, Geschäftsführer von Chemoil. „Dann kommt der tägliche Wahnsinn: Störungen bei DB Netz.“ Tägliche Mängel auf der Infrastruktur würden disruptive Effekte in Qualität und Kapazität erzeugen, bestätigte Michail Stahlhut, Chef des größten Anbieters von Kombiniertem Verkehr in Europa, Hupac. „20 Prozent Ausfälle total bedeutet 800 Züge pro Tag, das sind 1.600 Terminalslots, 400 ungebrauchte Loks und 800 Lokführer.“
Erkenntnis 5: Die BRI lebt …
Für manche überraschend kam die Botschaft, dass die Neue Seidenstraße zwischen China und Europa keineswegs tot ist, sondern dass der Transit auf der Schiene durch Russland weiterhin gewährleistet ist. „Wir glauben weiter an Wachstum“, sagte die Geschäftsführerin von DB Cargo Eurasia Tabea Klang. „Der eurasische Korridor birgt Potential.“ Denn noch immer würden auf ihm nur weniger als fünf Prozent der Güter per Schiene transportiert. Sie biete Nachhaltigkeit, Resilienz und günstigeren Preis als die Luftfahrt, sagte Klang.
Erkenntnis 6: ... und birgt Wachtumspotenzial
100 Züge wickle die Deutsche Bahn wöchentlich ab, neue Standorte in Brest und Budapest seien dazugekommen. Kürzlich habe die chinesische Eisenbahn den Transport von Elektro-Fahrzeugen freigegeben, sagte Klang. Das bedeute neues Potential mit großem Zuwachs. Unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges werde an einer weiteren Route gearbeitet: von China und Kasachstan über das Kaspische Meer, das Schwarze Meer, Rumänien, Ungarn, die Slowakei und Tschechien nach Deutschland. „Dieser Mittelkorridor wird an Bedeutung gewinnen, zumal mehrere Kunden nicht mehr über Russland transportieren“, prophezeite die DB-Managerin. Allerdings sei die Strecke um ein Drittel teurer und der Transport benötige 40 Tage.