Als 1994 im damaligen Jugoslawien der Krieg losbrach, waren die Transportwege von der Türkei nach Europa praktisch über Nacht gekappt und die türkische Transportbranche stand vor der Frage, wie sie die Gütertransporte abwickeln sollte, wenn auf dem Landweg nichts mehr ging. Aus dieser Not wurde vom damaligen türkischen Unternehmer Saffed Ulusoy die Idee geboren, die Lkw einfach in der Türkei auf Fähren zu verladen und sie nach Triest zu fahren, um so den Krisenherd Jugoslawien zu umschiffen. Begonnen wurde mit zwei gemieteten Schiffen und Ulusoy verstand es, an die 50 türkische Transportunternehmen dafür zu begeistern, dieses neue Alternativangebot über das Meer in Anspruch zu nehmen.
Eigener Terminal in Pendik
Das Projekt ist gelungen und heute hat die türkische Reederei U.N.RO-RO 240 Transportunternehmen auf der Kundenliste und 12 Fährschiffe deutscher Herkunft in der Flotte, berichtet Yavuz Kuscu, Europa-Delegierter von U.N.RO-RO mit Büro in Wien und Mitinitiator dieses Verlagerungsprojekts von der ersten Stunde an. Er agiert als Ansprechpartner für österreichische Spediteure und Frächter, die ihre Sattelauflieger auf die Schiffe bringen, wobei es freilich mehr österreichische Ladung sein könnte, wie Kuscu im Gespräch mit Verkehr meint.
Die Reederei U.N.RO-RO fährt mit ihren Schiffen von den türkischen Häfen Pendik und Tekirdag nach Triest (einmal täglich), von Mersin nach Triest (zweimal wöchentlich) und von Pendik in den französischen Hafen Toulon (dreimal wöchentlich). Vom ostanatolischen Mersin aus gibt es dreimal wöchentlich Verbindungen zum ägyptischen Hafen Damietta, von wo aus je nach Kundenbedarf Weiterleitungen nach Saudi-Arabien möglich sind.
Per RoLa durch Österreich
Die Reise der in erster Linie mit Trailern beladenen Schiffe von Mersin bzw. von der Region Istanbul nach Triest dauert zwischen 50 und 55 Stunden, die Lw-Fahrer haben während dieser Zeit frei, denn Mitfahren mit dem Schiff ist auf den U.N.RO-RO-Schiffen kein Thema. Die Lenker fliegen zwischen Mersin bzw. Istanbul und Ljubljana und werden mit dem Bus nach Triest gebracht; sie holen die Trailer vom Schiff ab, rollen im Idealfall das Fahrzeug auf die Rollende Landstraße von Triest nach Salzburg, umgehen so das österreichische Straßengenehmigungsregime und kommen erst wieder in Deutschland auf die Straße. Gleiches gilt für die umgekehrte Richtung.
Die RoLa Salzburg–Triest rollt zweimal täglich und hat pro Zug Platz für 62 Lkw oder Trailer. „Die Kombination von Fähre und Rollender Landstraße ist für die Transportunternehmen attraktiv“, betont Kuscu, der auch in der gemischten Kommission Österreich–Türkei im Rahmen des österreichischen Verkehrsministeriums sitzt.
Auf den Schiffen ist Platz für bis zu 280 Trailer und die Auslastung liegt aktuell bei 70 bis 80 Prozent. Es sind primär türkische Transporteure, die Schiff, RoLa und Straße miteinander kombinieren.
Weiter in den Mittleren Osten
Für europäische Exporte in Richtung Irak und möglicherweise bald auch in den sich öffnenden Iran ist die Route von Triest nach Mersin eine gute Wahl, weil hier die Weiterleitung via Ägypten in den arabischen Raum und den Mittleren Osten möglich ist. U.N.RO-RO betreibt im Hafen Pendik einen eigenen Ro-Ro-Terminal, in Triest gibt es seit 17 Jahren eine Kooperation mit dem örtlichen Handlingpartner Samer, der im Hafen die Be- und Entladung der Schiffe managt.
Die Sattelschlepper in Triest auf das Schiff zu bringen birgt nach den Worten von Kuscu gleich mehrere Vorteile: Das Equipment wird geschont, die Fahrer können die Ruhezeit als Freizeit nutzen, die Fähren verkehren nach fixem Fahrplan, es gibt unterwegs keine Grenzen und via Mersin gibt es einen günstigen Link in die arabische Welt. Hinter U.N.RO-RO steht geballte Investitionskraft in Form der Fondsgesellschaft Kohlberg Kravis & Roberts (KKR), in deren Besitz sich die Reederei derzeit befindet.