Die Wahlen zum Europäischen Parlament haben einen politischen Richtungswechsel eingeleitet, der durch ein neues Kommissionskollegium und einen neuen Arbeitsplan der Kommission bis Ende des Jahres in seiner Gesamtheit sichtbar werden wird. Wo und wie wird sich der Kombinierte Verkehr in dieses neu entstehende EU-Bild einfügen, das von Schlagwörtern wie Wettbewerbsfähigkeit, Reindustrialisierung, Sicherheit und Resilienz beherrscht wird? Der „Clean Industrial Deal“ soll den „Green Deal“ ablösen, die Ziele bleiben bestehen. „Effizienz und Produktivität sind die Bausteine der Wettbewerbsfähigkeit, und der Kombinierte Verkehr bietet in mehreren seiner wichtigsten Bereiche höchste Effizienz“, stellt Ralf-Charley Schultze, Generaldirektor des Branchenverbands des europäischen Kombinierten Verkehrs (UIRR), gegenüber Verkehr fest.
Der Kombinierte Verkehr verbraucht heute im Vergleich zum Lkw bis zu 70 Prozent weniger Kilowattstunden, um einen Tonnenkilometer Transportleistung zu erbringen. Da batteriebetriebene Lkw eine größere Rolle bei den Straßenabschnitten des Kombinierten Verkehrs spielen und die verbleibenden noch nicht elektrifizierten Abschnitte des europäischen Eisenbahninfrastrukturnetzes nun elektrifiziert werden, wird sich diese Energieeffizienzleistung noch weiter verbessern.
Ein im Kombinierten Verkehr beschäftigter Arbeitnehmer erbringt ein Vielfaches an Tonnenkilometern als sein Pendant im Fernverkehr auf der Straße. Die Beschäftigten im Kombinierten Verkehr üben Tätigkeiten mit einer hohen Wertschöpfung aus, die auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bieten. Dies ist ein attraktives Angebot, insbesondere wenn man den grassierenden Lkw-Fahrermangel in ganz Europa bedenkt. Außerdem: „Der Kombinierte Verkehr setzt im Vergleich zum Lkw-Verkehr bis zu 90 Prozent weniger Treibhausgase und einen Bruchteil schädlicher Schadstoffe frei“, so Schultze.
Mehr Awareness
Die UIRR ist zuversichtlich, dass die europäischen Entscheidungsträger die durch den Kombinierten Verkehr ermöglichte Verlagerung weiterhin entschlossen unterstützen werden. „Um diesen Trend zu verstärken, wird die UIRR heuer die CT4EU-Kampagne (Combined Transport for Europe) in eine zweite Phase führen und neu durchstarten. Sie wird die oben beschriebenen Vorteile allen betroffenen Entscheidungsträgern nahebringen“, so Schultze. Und er ergänzt: „Der europäische Gesetzgeber wird die Gelegenheit haben, seine Unterstützung durch eine fortschrittliche Überarbeitung der Richtlinie zum Kombinierten Verkehr, die Verabschiedung der neuen Verordnung über das Kapazitätsmanagement der Eisenbahninfrastruktur sowie der neuen Leitlinien für staatliche Beihilfen für den Landverkehr und den multimodalen Verkehr, der neuen Gruppenfreistellungsverordnung für den Verkehr und der neuen Leitlinien für Wegeentgelte zum Ausdruck zu bringen.“ Die Regierungen der Mitgliedstaaten werden gemeinsam mit der neuen Europäischen Kommission an einer fristgerechten Umsetzung dieser neuen sowie weiterer in den vergangenen Jahren verabschiedeten europäischen Rechtsvorschriften, wie etwa ETS2, der Eurovignetten-Richtlinie, der Verordnung über elektronische Güterverkehrsinformationen (eFTI) und der TEN-V-Leitlinienverordnung, arbeiten müssen.
Visionen
Die intermodale Gemeinschaft in Europa wird ihre Investitionsprogramme in die Digitalisierung und in intermodale Anlagen und Vermögenswerte wie intermodale Ladeeinheiten, intermodale Güterwagen, Sattelauflieger und nicht zuletzt auch intermodale Umschlagterminalkapazitäten konsequent fortsetzen. „Wenn jeder Akteur nach seinen Möglichkeiten die Leistungen erbringt, bin ich davon überzeugt, dass die Europäische Union im Jahr 2029 über ein wesentlich wettbewerbsfähigeres und belastbareres Güterfernverkehrssystem verfügen wird, das auf den Schultern des Kombinierten Haus-zu-Haus-Verkehrs ruht“, ist Schultze überzeugt. Gleichzeitig sollte dann die Abhängigkeit vom Lkw im Fernverkehr deutlich abgenommen haben. Gemeinsam mit den Unterstützern der CT4EU-Kampagne wird die UIRR alles daransetzen, diese Vision zu verwirklichen.