Die Zukunft der Eisenbahn ist groß, doch die Gegenwart mühsam. Das schien in den einzelnen Reden beim 8. Eisenbahn Forum, das kürzlich in Berlin stattfand, durch. Etwa in jener von Oliver Terhaag, Vorstand von DB Regio Schiene: „Der Fachkräftemangel zieht sich durch das ganze Unternehmen. Die Infrastruktur ist in keinem guten Zustand. Die Lieferketten sind nicht mehr so zuverlässig. Wir können nicht mehr jeden Zug fahren. Das gefährdet am Ende die unternehmerische Zukunft“, klagte er.
Andererseits seien noch nie so viele Personen und Güter auf der Deutschen Bahn unterwegs gewesen wie heute, gab Mark Fisher, CTO des Bahninfrastrukturunternehmens Spitzke, zu bedenken. Und das Volumen werde trotz Sanierungsbedarf und Nadelöhren weiterwachsen. Den Lösungsansatz der DB – die Generalsanierung ganzer Strecken, um bis 2030 bereits 40 Prozent des Hochleistungsnetzes wieder fit zu haben – nahm genau Fisher unter die Lupe. „Damit steht die Bahnbausanierung vor der größter Herausforderung der nächsten zehn Jahre“, sagte er. Es sei komprimiertes, kompaktes Arbeiten erforderlich, meinte Fisher. „Wir erreichen damit eine bisher nicht erlebte Komplexität“, sagte er und wünschte sich, dass möglichst alle Beteiligten an einen Tisch zusammenkommen. Für da kompakte Bauen seien auch Machbarkeitsanalysen im Vorfeld und ausreichend technisches Equipment nötig.
Technologie
Digitalisierung, Elektrifizierung und Automatisierung waren die Begriffe, die immer wieder auftauchten, als es darum ging, wie die Bahn die massiven Herausforderungen der nahen Zukunft unter Zeitdruck erfolgreich meistern könne. Siemens lud die Branche ein, gemeinsam offene Schnittstellen zu benützen, statt jeweils nur firmeneigene Lösungen anzubieten. Dafür trat auch die DB-Vorständin für Digitalisierung und Technik, Daniela Gerd tom Markotten, ein: „KI kann dann ihre Kraft entfalten, wenn die Datenbasis gut ist. Die ist aber derzeit ein Problem“, sagte sie. „Heute haben wir innerhalb von wenigen Minuten Informationen, für die wir früher Stunden brauchten“, schwärmte die Digitalisierungs-Vorständin der Bahn. Bei Einfahrt in die Halle tastet ein 360-Grad-Scan mit 32 Kameras die Außenhaut der Fahrzeuge ab. Die Idee stammt von Gestalt Robotic, einem Service-und Technologieanbieter, der mit intelligenter Robotik und KI arbeitet. Aus der Vielzahl an Aufnahmen werden Anweisungen an die Arbeitenden errechnet. Die neue Technologie wird von der DB bereits an fünf Standorten eingesetzt. Solche Ideen für die Bahn von morgen kommen aus der DB mindbox. Sie stellt die Verbindung zwischen dem Konzern und Start-Ups her.
Optimismus verströmte die Vorständin des DB-Güterverkehrs, Sigrid Nikutta: „Wir haben als Bahnen und Bahnindustrie allen Grund optimistisch zu sein“, sagte sie und nannte drei notwendige Schwerpunkte für ihr Unternehmen: Komplexität reduzieren, Tempo erhöhen und Standardisierung durchsetzen. Nikuttas großes Projekt ist die Digitale Automatische Kupplung (DAK). „Da die Finanzierung nicht gegeben ist, verschiebt sich der Horizont von 2030 auf 2032“, sagte die DB-Güterverkehrs-Chefin. „Wir rechnen mit Kosten von acht bis zehn Milliarden Euro für die halbe Million Güterwagen in ganz Europa.“ Beim Personenverkehr ist die automatische Kupplung bereits vielfach umgesetzt, etwa bei den ICE, die in Hamm geteilt oder vereinigt werden, was nicht immer klappt. „Hamm ist ein Synonym für nicht geglückte Kupplungen“, räumte Nikutta ein.
Sicherheit
Laut Markus Fritz, Geschäftsführer des Thales-Unternehmens GTS Deutschland, bringt die Digitalisierung der Bahn viele Vorteile: deutliche Effizienzsteigerung, spürbar verbessertes Kundenerlebnis (Onlineticketing), effektiveres Infrastrukturmanagement (Sensoren, Datenanalyse), Innovationspotential (neue Geschäftsfelder). Aber: „Kein Innovationspotenzial ohne Risiko“, fügte er hinzu. Die Datensicherheit sei latent bedroht: Störungen im Bahnverkehr, Gefährdung der Privatsphäre der Kunden, Beeinträchtigung der Bahn-Infrastruktur, Einbußen beim Vertrauen der Fahrgäste. Um die digitale Schiene absolut integer zu halten, müsse die Cybersicherheit gestärkt werden, sagte Fritz: durch Prävention, Erkennung und Reaktion. „Wir müssen schnell beginnen die Digitalisierung als Jahrhundertaufgabe zu sehen.“ Sie sei als fortlaufende Lösung und nicht als einmalige Paketlösung zu betrachten.