Der Chef von Brenntag Österreich ist gut auf die Bahn als Transportpartner zu sprechen. „Wir haben keinen Grund, über die Bahn zu schimpfen, weil sie funktioniert“, streut Albert Hart, Österreich-Geschäftsführer des weltweit präsenten Chemie-Distributeurs den ÖBB Rosen. Wo es möglich ist, werden die von Brenntag vertriebenen rund 30.000 verschiedenen Artikel auf der Schiene transportiert. Bis auf eine verfügen alle österreichischen Brenntag-Standorte in Guntramsdorf, Traun, Graz und Wiener Neustadt über Gleisanschlüsse. Somit steht dem Bahntransport von Standort zu Standort nichts im Wege.
80 Prozent mit der Bahn
„Im eingehenden Verkehr transportieren wir unsere Waren zu 80 Prozent per Bahn“, sagt Hart, der auf 34 Jahre Erfahrung im Transportgeschäft zurückblickt und seit 2011 als CEO für Österreich und die Länder Ex-Jugoslawiens verantwortlich zeichnet. Brenntag ist zu 70 Prozent Chemie-Händler und zu 30 Prozent selbst als Produzent von Waren tätig, die praktisch in allen Lebensbereichen gebraucht werden. So beispielsweise Ascorbin- oder Zitronensäure, aber auch Reinigungsmittel für die Lebensmittelindustrie (z.B. Molkereien oder Brauerein).
Es gibt kaum einen Lebensbereich, in dem keine chemischen Zusatzmittel benötigt werden. Das hat Brenntag zu einem weltweiten, börsenotierenden Konzern mit 9,8 Mrd. Euro Umsatz und 13.000 Mitarbeitern an 480 Standorten rund um den Globus gemacht. Das bekannte Logo von Volkswagen, das stilisierte V und W zu einem Markenemblem, wird beispielsweise mit Kunstoffanteilen von Brenntag hergestellt.
Brenntag hat in Österreich 16 eigene Wechselaufbauten im Fuhrpark und fährt mit diesen beispielsweise Verkehre vom Standort Traun per Lkw nach Wels und von dort auf der Schiene nach Hall in Tirol. Von hier aus erfolgt die Distribution der zu 80 Prozent als Gefahrgüter eingestuften Produkte zu den Kunden in der Fläche. Die Kombination von Schiene und Straße kommt den Bedürfnissen von Brenntag sehr entgegen, zumal gerade der Gefahrguttransport auf der Schiene als relativ sicher gilt. Auch im Importverkehr aus Übersee beispielsweise über die Häfen Rotterdam und Antwerpen hat die Bahn gegenüber dem Lkw die Nase vorn, weil erstere eben gut funktioniert.
Sicherheit ganz wichtig
Das jährliche bahnaffine Transportvolumen liegt derzeit bei mehr als 100.000 Tonnen. Aber auch ohne Lkw geht in der Chemiedistribution nichts. 35 Lkw umfasste einst die Brenntag-eigene Flotte in Österreich, heute sind es nur noch sieben eigene Tank-Lkw, die heikle Fracht transportieren. Ein gänzliches Outsourcing der Straßentransportleistung kommt für Hart nicht in Frage, weil der Zugriff auf eigene Kapazitäten auch mit Qualität zu tun hat.
Gerade beim Gefahrguttransport spielen gut geschulte Fahrer eine wichtige Rolle. Diese werden in Brenntag-eigenen Ausbildungsschienen ausgebildet, weil „für uns Sicherheit ganz wichtig ist“, unterstreicht Hart gegenüber Verkehr. Die externen Transportpartner müssen selbstredend ebenfalls hohe Sicherheitsstandards nachweisen. Deren Transportqualität wird von Brenntag genauestens über das ganze Jahr beobachtet und protokolliert. Bei den jährlichen Preisverhandlungen kommen diese Aufzeichnungen zur Sprache. Einer dieser Partner ist das oberösterreichische Transportunternehmen Hofmann & Neffe, das seine Lkw Brenntag zur Verfügung stellt und die alle mit Bordcomputer ausgestattet sind, um die optimale Kommunikation zwischen Fahrer und Dispositionszentrale zu gewährleisten.
Verkehre bündeln
Verkehre bündeln ist die große Herausforderung bei der strategischen Marschrichtung in die Zukunft. Derzeit läuft ein Projekt, wie die Inbound-Verkehre aus Übersee über die Häfen Rotterdam und Antwerpen in das Hinterland optimiert werden können. „Wir wollen Mengen und Frächter bündeln“, sagt Hart. Das ist freilich ein Riesenprojekt und soll unterm Strich Kosteneinsparungen bringen. Ebenfalls ein Riesenprojekt, aber aus Sicht von Brenntag sehr wünschenswert, wäre die Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften für den länderüberschreitenden Gefahrguttransport. Neben der „Gefahrgutbibel“ ADR gibt es auf nationaler Ebene häufig noch zusätzliche gesetzliche Auflagen, die von Land zu Land verschieden sind.
Angesprochen auf die heimische Verkehrspolitik wünscht sich Hart, dass man endlich aufhört, den Lkw zu verteufeln und ihn zu bestrafen wie beispielsweise mit den empfindlichen Lkw-Maut-Erhöhungen, 60 km/h-Beschränkungen während der Nacht oder Nachtfahrverboten, von denen es in Österreich solche sonder Zahl gibt. „Die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene muss mit Hirn erfolgen“, ist der Manager überzeugt. Mit Hirn meint er das Erkennen des Machbaren in Einklang mit den realen Verhältnissen.
Brenntag kauft von seinen zahlreichen Lieferanten große Mengen an Industrie- und Spezialchemikalien, kommissioniert diese in bedarfsgerechte Größen und bietet seinen Kunden weltweit ein umfassendes Sortiment an chemischen Produkten. Dazu zählen auch Mehrwertleistungen wie Just-in-time-Lieferung, Mischungen & Formulierungen, Neuverpackung, Bestandsverwaltung, Abwicklung der Gebinderückgabe und technischer Service. Brenntag führt das operative Geschäft dezentral durch regionale Niederlassungen. Die Kundenzielgruppen sind in vielen unterschiedlichen Abnehmermärkten tätig, wie etwa in den Branchen Beschichtungen, Nahrungsmittel, Öl & Gas, Automobil- und Stahlindustrie, Pharma, Körperpflege oder Trinkwasseraufbereitung.