Luftfracht zählt zu den teuersten Transportwegen. Hier zählt jeder Zentimeter. Im Frachtraum der Passagier- und Transportflugzeuge kommt es daher auf eine maximale Auslastung an. Jeder nicht genutzte Zentimeter ist verschenktes Geld.
Am größten deutschen Verkehrsflughafen Frankfurt Main bedient FIEGE Air Cargo Logistics, ein Tochterunternehmen der FIEGE Gruppe, seit 2020 die Lufthansa Cargo AG.
Und es hat etwas vom Computerspiel-Klassiker Tetris, wenn die Mitarbeitenden von FIEGE Air Cargo Logistics die unterschiedlichsten Kisten und Kartons möglichst effizient auf einem Unit Load Devise (ULD) zusammenpuzzeln. Die Maße dieser Spezialpalette entsprechen den spezifischen Konturen und Abmessungen jenes Abschnitts des Frachtraums im Flugzeug, wo sie später platziert werden soll. Wie beim Tetris-Bauklötze-Stapeln müssen die Logistikfachkräfte die verschiedenen Stückgüter so zu einer Sendung zusammenfügen, dass nichts über das vorgegebene Gesamtvolumen der Palette hinausragt.
Breakdown- und Build-Up-Prozess im Luftfrachthandling
Im Luftfrachthandling spielen der Breakdown- und der Build-Up-Prozess eine zentrale Rolle. Beim Breakdown werden ankommende Luftfrachtpaletten entladen und zerlegt. Der Build-Up-Prozess hingegen umfasst das Zusammenstellen und Verpacken neuer ULD für den Versand. Das erfordert Präzision: Jede Palette muss optimal beladen werden, um den verfügbaren Platz im Frachtraum maximal auszunutzen und gleichzeitig die Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Fehler können zu Verzögerungen, zusätzlichen Kosten und sogar Vertragsstrafen führen.
Mögliche Konsequenzen von Build-up-Fehlern
- Verspätete Lieferungen und Verzögerungen im Flugbetrieb: Werden Luftfrachtpaletten oder -container falsch gepackt, kann das zu zeitaufwändigen Wiederholungen des Build-up-Prozesses und – sollte die Fracht deshalb den Flieger verpassen – zu Umsatzeinbußen seitens der Airline führen.
- Beschädigung von Gütern: Bei fehlerhafter Stapelung oder Sicherung besteht die Gefahr von Warenschäden.
- Sicherheitsrisiken: Ein unsachgemäßer Aufbau könnte die Stabilität der Ladung gefährden und im schlimmsten Fall zu Unfällen während des Verladens oder des Transports führen.
- Erhöhte Kosten: Zeitverzögerungen aufgrund von Fehlern im Build-up-Prozess können zusätzliche Arbeitsaufwände, Kosten und möglicherweise Vertragsstrafen nach sich ziehen.
- Kundenzufriedenheit: Fehler, die zu Verspätungen oder Beschädigungen führen, können die Kundenzufriedenheit erheblich reduzieren.
- Reputationsschäden: Wiederholte Fehler beeinträchtigen das Vertrauen der Kunden und Partner.
Enormer Aufwand: Luftfracht sicher und effizient zusammenstellen
Worauf kommt es also an? Entscheidend ist es, die Konturgrenzen der Flugzeugpaletten einzuhalten, um das Volumen im Frachtraum maximal auszunutzen. Damit die Luftfrachtpalette also später exakt in den Frachtraum des Flugzeugs passt, erfolgt nach dem Aufbau eine sogenannte Konturprüfung, die die Mitarbeiter mit hohem Aufwand und manueller Präzisionsarbeit durchführen mussten. Die Fachkräfte prüften die Beladung individuell für die jeweiligen Frachträume der unterschiedlichen Flugzeugtypen mit ihren geschulten Augen oder mithilfe haptischer Konturschablonen – ein zeitaufwendiger Prozess, der trotz aller Sorgfalt zu Messfehlern führen kann. „Wird beim Beladen die vorgesehene Kontur nicht eingehalten, hebt die Maschine ohne oder nur mit verringerter Ladung ab. Das kann für unseren Kunden schnell einen hohen Umsatzverlust bedeuten“, erklärt Benjamin Looser, Managing Director bei FIEGE Air Cargo Logistics. „Außerdem besteht die Gefahr, dass die Spezialpalette durch den Überstand nicht sicher im Flugzeug fixiert wird.“
Berechnung und Korrektur in Echtzeit
FIEGE Air Cargo Logistics, die Luftfrachtsparte des Logistikunternehmens FIEGE, hat sich deshalb mit der Deutschen Telekom zusammengetan, um diesen Prüfschritt zu digitalisieren. Das Ziel: eine schnellere und zuverlässigere Konturprüfung von Luftfrachtpaletten.
Die Lösung: Die Telekom entwickelte gemeinsam mit FIEGE das digitale Assistenzsystem „Build Up Eye“ und implementierten es am Frankfurter Flughafen. Das digitale Prüfsystem überwacht Paletten bereits bei der Beladung in der Frachthalle. Die Software führt eine dreidimensionale Vermessung und Konturprüfung der Paletten mithilfe von LiDAR-Kameras durch. Diese sind in Deckenhöhe rund um den Packplatz der Paletten angebracht und erfassen Maße wie Tiefedaten und Entfernung der ULD in Echtzeit.
An einem digitalen Arbeitsplatz oder auf einem Tablet wählt ein Mitarbeitender nun die gewünschte digitale Kontur-Schablone aus und legt sie virtuell über die Abbildung der Palette und simuliert damit die jeweils vorgegebene Kontur. AI-Vision – eine KI-gestützte Bild- und Videoanalyseplattform der Telekom – wertet im Anschluss die 3D-Daten vor Ort in Echtzeit aus. Sie zeigt Konturverletzungen bzw. mögliche Kollisionsstellen mit der Kontur schon während des laufenden Beladevorgangs an. Das Personal kann unmittelbar eingreifen und die Ladung korrigieren. Die Technologie bietet zudem die Möglichkeit, den Anteil nicht genutzter Fläche zu berechnen, was eine optimale Ausnutzung der Paletten ermöglicht.
Vernetzung über Mobilfunk für schnelle Anpassungen
Das System ist über ein IoT-Gateway via LTE mit der Cloud verbunden. Die Vernetzung über Mobilfunk bietet zahlreiche Vorteile: Durch die zuverlässige und schnelle Datenübertragung können die erfassten Daten in Echtzeit an eine zentrale Datenbank gesendet und analysiert werden. Dies ermöglicht eine sofortige Rückmeldung und schnelle Anpassungen bei Abweichungen. Dank LTE-Konnektivität können Techniker auch aus der Ferne auf das System zugreifen, um Störungen zu beheben, Kalibrierungen durchzuführen oder neue Funktionen zu implementieren. Dies reduziert die Ausfallzeiten und gewährleistet einen reibungslosen Betrieb. Zudem macht die LTE-Vernetzung die Lösung flexibel und skalierbar: FIEGE kann sie an verschiedenen Standorten einsetzen, ohne dass eine aufwendige Netz-Infrastruktur erforderlich ist.
Mehr Sicherheit, Effizienz und Geschwindigkeit im Build-Up-Prozess
Durch die Digitalisierung und Automatisierung steigen Effizienz und Geschwindigkeit des Build-Up-Prozesses deutlich. Die präzise Vermessung der Paletten sorgt dafür, dass die Fracht den vorgegebenen Konturen entspricht und sicher im Flugzeug verstaut werden kann. Die kontinuierliche digitale Dokumentation der Packprozesse ermöglicht es FIEGE außerdem, Optimierungsbedarfe zu erkennen und langfristig noch effizienter zu arbeiten. Die Transportkapazitäten des Flugzeugs werden besser ausgenutzt, was die Gesamtwirtschaftlichkeit erhöht und Frachtflüge zudem klimafreundlicher macht. Zusätzlich verbessert die automatisierte Vermessung die Qualitätssicherung, da Fehler sofort erkannt und korrigiert werden können.
Für Maximilian Ahrens, Managing Director T Digital, zählen vor allem zwei Vorteile der neuen Lösung, die in enger Kooperation der Deutschen Telekom IoT GmbH und der Deutschen Telekom MMS GmbH entstand: „Zum einen die Effizienz, da die ungenutzte Fläche der Palette für eine optimale Auslastung direkt während der Beladung von der KI berechnet wird und zum anderen der sichere Betrieb und die Fernwartung über Mobilfunk, unabhängig von lokalen Infrastrukturen.“
Innovation mit Potential
Nach dem erfolgreichen Einsatz der Technologie an einem Packplatz plant FIEGE, das System auf weitere Packplätze und Flughäfen auszurollen. Langfristig ist auch eine Erweiterung der Funktionalitäten denkbar, etwa um kameragestützt die Qualität der Paletten zu überprüfen. Dadurch ließe sich die manuelle Arbeit bei der Zustandsbeurteilung und Zählung von Paletten reduzieren.