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Rainer Will: Der Markt ist hart umkämpft

Foto: Stephan Doleschal
Der E-Commerce-Markt in Österreich wird weiter wachsen, so Will. Das wird eigene Herausforderungen, aber auch Chancen mit sich bringen. Alleine im vergangenen Jahr schafften es zum Beispiel 58 neue Online-Shops ins Ranking der Top-250-Online-Händler Österreichs.
Foto: Stephan Doleschal

Verkehr sprach mit dem Geschäftsführer des Österreichischen Handelsverbands Rainer Will über die aktuellen Entwicklungen im rot-weiß-roten Online-Handel. Innovative Logistiklösungen sind laut Will gefragt, um sich auf diesem hart umkämpften Markt behaupten zu können.

von: Bernd Winter

Verkehr: Wie hat sich der E-Commerce in Österreich 2017 entwickelt?
Rainer Will:
Der heimische E-Commerce hat 2017 erneut massiv an Bedeutung gewonnen. Der Vertriebskanal hat um 14,2 Prozent höhere Privatausgaben generiert als noch 2016. Insgesamt ist der Distanzhandel - also E-Commerce, Versandhandel und Telesales - im letzten Jahr zehnmal schneller gewachsen als der stationäre Handel. Das Wachstum findet sich allerdings vor allem bei den 150 umsatzstärksten Online-Shops - danach sind die Wachstumsraten geringer oder sogar negativ. Insgesamt ist das Handelsvolumen auf über 8,7 Milliarden Euro angestiegen, wovon 4,9 Milliarden Euro einzelhandelsrelevant sind. Mittlerweile liegt der Anteil des Distanzhandels an den einzelhandelsrelevanten Ausgaben in Österreich bei über 8 Prozent. Die Online-Händler befinden sich allerdings in einem hart umkämpften Wettbewerbsfeld, das von großen internationalen Playern dominiert wird.

Wie schätzen Sie die heurige Entwicklung ein?
Will:
E-Commerce wird weiterhin dynamisch wachsen, wobei insbesondere der M-Commerce - also Smartphone-Shopping - ein Wachstumstreiber ist. Die großen Plattformen wie Amazon, Otto oder Zalando werden weiterhin Marktanteile an sich ziehen. Die haben nicht nur ihre Hausaufgaben gemacht, sondern auch die Ressourcen, um eine optimierte Customer Journey zu bieten. Nach wie vor bietet der Online-Markt aber auch Chancen für Neueinsteiger mit innovativen Geschäftsideen. So schafften es im vergangenen Jahr 58 neue Online-Shops ins Ranking der Top-250-Online-Händler Österreichs. Wer 2018 reüssieren wird, ist schwer vorherzusagen, ich rechne aber damit, dass der Omnichannel-Handel noch mehr in den Vordergrund drängen wird. Die Zeit des Silo-Denkens und der getrennt bespielten Kanäle ist vorbei, die Zukunft gehört der integrierten digitalen Customer Experience über alle relevanten Touchpoints hinweg. Der Handelsverband hat hierzu gemeinsam mit Google und Mindtake Research einen eigenen bundesweiten Benchmark entwickelt: Unser Omnichannel Readiness Index (ORI) bietet einen Leitfaden und Fahrplan mit konkreten Empfehlungen für künftige Entwicklungen und Investitionen für den gesamten Markt, vom KMU-Retailer bis zum großen Handelsunternehmen. Neben einem detaillierten Branchenvergleich liefert der ORI spannende Insights beim Vergleich der Kundenwünsche mit den realen Services der Händler. Beispielsweise hinkt die Transparenz beim Versand, der Bezahlung und bei den Retouren den Konsumentenerwartungen hinterher.

Wie wird sich der E-Commerce in Österreich in den kommenden Jahren entwickeln?
Will:
Wir gehen von einer Fortsetzung des Wachstumskurses aus. Blickt man auf die E-Commerce-Vorreiter wie Großbritannien oder die USA, sehen wir eine massive Verschiebung der Umsatzanteile vom stationären Handel ins Internet. In Großbritannien werden beispielsweise rund 60 Prozent des Handelsumsatzes im Elektro-Bereich online erwirtschaftet, Österreich liegt hier bei lediglich 18 Prozent. Im Bereich Bekleidung sieht es ähnlich aus: Österreich hat einen Online-Anteil von 19 Prozent, auf der britischen Insel wird bereits die Hälfte im E-Commerce abgesetzt. Spannend ist auch die Entwicklung der Marktkonzentration im E-Commerce. In den vergangenen Jahren ist diese stetig gewachsen, zuletzt hat sie sich jedoch etwas eingebremst. Wir rechnen in den nächsten fünf Jahren mit einer leichten Zunahme, d. h., die umsatzstärksten Online-Shops werden sich weiterhin einen großen Teil des E-Commerce-Kuchens sichern. Aktuell erwirtschafteten die zehn umsatzstärksten Online-Shops in Österreich zusammen mit etwa 1,2 Milliarden Euro knapp die Hälfte des Gesamtumsatzes der Top 250. Allein amazon.de kommt auf mehr als 550 Millionen, wobei hier die Plattform-Umsätze noch nicht eingerechnet sind.

Welche Anforderungen für bzw. Erwartungen an die heimischen Logistikdienstleister ergeben sich daraus?
Will:
Für die Logistikdienstleister ist das eine riesige Herausforderung. 2017 lag die Zahl der zugestellten Pakete allein im B2C-Bereich bei unglaublichen 105 Millionen - ein Wachstum von mehr als 27 Prozent in nur einem Jahr. Damit wächst der Paketzustellmarkt noch deutlich stärker als der Distanzhandel. Die Hauptgründe für diese Paketlawine sind neben dem generellen E-Commerce-Boom v. a. überproportional steigende Teillieferungen und Retouren. Mittlerweile wird mehr als ein Drittel aller Sendungen gesplittet. Um diese Herausforderung bewältigen zu können, werden innovative Logistik-Technologien wie autonome Zustellung, 3D-Druck, Drohnen oder Anticipatory Shipping künftig noch stärker in den Fokus rücken. Mehr Pakete sind aber sicher nicht die schlechteste Nachricht für die in Österreich tätigen KEP-Dienstleister.

Haben heimische Online-Plattformen wie "shöpping.at" oder "regionale-shops.at" überhaupt eine Chance, gegen die ganz großen in der Branche zu bestehen?
Will:
Der E-Commerce-Markt ist hart umkämpft, und die führenden Plattformen haben einen ganz großen Vorteil: ihre Kundendaten. Der Marktführer Amazon besitzt beispielsweise die Daten von 93 Prozent aller österreichischen Online-Shopper und kann seine personalisierten Angebote perfekt darauf abstimmen. Außerdem verfügen sie über einen erstklassigen Kundenservice und eine immer breiter werdende integrierte Produktpalette - von Amazon Prime über Web Services und den Lebensmittel-Zustelldienst Amazon Fresh bis hin zum Voice-Commerce-System Alexa. Im Prinzip ist das ein völlig neues und höchst erfolgreiches Geschäftsmodell, das kontinuierlich weiterentwickelt wird. Der Kunde wiederum hat sich an diese Services längst gewöhnt, daher wird auch jede neue regionale Plattform an diesen Benchmarks gemessen. Das macht es für Shöpping und Co. extrem schwer, am Markt zu reüssieren. Hinzu kommt, dass die regulativen Rahmenbedingungen in ganz Europa nationale Anbieter gegenüber der internationalen Konkurrenz benachteiligen.


Lesen Sie die Fortsetzung dieses Interviews in unserer frischgedruckten Ausgabe VK 24/2018 oder digital im Austria Kiosk.


Weitere Themen in der Ausgabe 24/2018:

- Eine Branche im Sog der Transformation:
Immer mehr Waren werden lokal produziert. Globalisierte Supply Chains könnten daher bald der Vergangenheit angehören. Welche Auswirkungen wird das auf die Schi fahrt haben? Und welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?

- Wissenstransfer zum Thema Export: Der Österreichische Exporttag gilt als größte Infoveranstaltung zum Thema Export. Für die heurige Veranstaltung wurden spannende Schwerpunkte gesetzt. Ein Vorbericht.

- Der Algorithmus, der mich kennt: Der Konsument wird beäugt, erforscht und sein Verhalten von Algorithmen ausgewertet. Deep-Learning-Systeme und Künstliche Intelligenz liefern völlig neue Herangehensweisen in einem großen und faszinierenden Bereich: dem menschlichen Konsumverhalten.

- Datenschutz und Steuervorteile im Fokus des Handelsverbandes: Unter dem Motto "Ein Europa, das schützt" übernimmt Österreich mit 1. Juli den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Neben der Hoffnung auf eine standortstärkende Weichenstellung bei der Verordnung für ePrivacy fordert die Wirtschaft eine fairere Regelung bei der Besteuerung von Online-Konzernen.

- Neuigkeiten aus der Welt des E-Commerce: Der E-Commerce-Markt wächst, aber er bringt auch Herausforderungen mit sich, für die sich Unternehmen rüsten sollten, rät Martin Schwemmer. Man solle einen Blick auf die Schi fahrt werfen, um ähnliche Fehler zu vermeiden.

- Alles wird smart vernetzt: Die Künstliche Intelligenz fordert den Menschen und die Infrastruktur heraus. Beim heurigen BVL Logistik Dialog wurden entsprechende Strategien besprochen.

- Nach dem Ausstieg des Unternehmensgründers: Der ungarische Logistikriese Waberer's schrieb auch 2017 gute Zahlen. Das Unternehmen holte sich mit seinem Börsengang frisches Kapital. Dennoch ist Gründer György Wáberer ausgestiegen - und das nicht ganz friktionsfrei.

- Wünsche an die Politik: Thomas Doblinger, Geschäftsführer Rhenus Logistics Austria.


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