Laut aktueller Studie des Umweltbundesamts verursacht der Schwerverkehr auf Österreichs Straßen allein durch seine Schadstoff-, CO2- und Lärm-Emissionen im laufenden Jahr 2023 mehr als 560 Millionen Euro. In den kommenden beiden Jahren wachsen diese Kosten für die Allgemeinheit auf jeweils deutlich über 600 Millionen Euro an. Höchste Zeit also, den Güterverkehr weg von der Straße auf die Schiene zu bringen.
Weniger Emissionen, mehr Ruhe und Naturschutz
Der Transport von Gütern auf der Schiene verursacht 30 x weniger CO2-Emissionen und verbraucht auch 6 x weniger Energie als mit dem Lkw. Besonders wichtig ist die Transportverlagerung in dicht bewohnten Gebieten zum Schutz der Bevölkerung oder in sensiblen Berg- und Naturregionen. Beides trifft auf Österreichs westlichstes Bundesland zu. Vorarlberg verfügt über eine starke Wirtschaft, eine hohe Bevölkerungs- und Unternehmensdichte im Rheintal und naturbelassene, sensible Berggebiete. Die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene gewinnt gerade deshalb immer mehr an Bedeutung.
Gemeinsames Ziel
Die Vorarlberger Wirtschaft, die durch einen Mix an verschiedenen Wirtschaftsbereichen und eine hohe Exportquote gekennzeichnet ist, setzt bereits seit längerem auf die umweltfreundliche Schiene. Voraussetzung dafür sind leistungsfähige, zuverlässige Logistikservices und der einfache Zugang zum Bahntransport. Vorarlbergs Mobilitäts- und Klimaschutzlandesrat Daniel Zadra und ÖBB-CEO Andreas Matthä präsentierten vor kurzem bei der Firma Blum in Dornbirn gemeinsame Zielsetzungen und damit verbundene Maßnahmen, um künftig deutlich mehr Güter von der Straße auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern.
Lkw-Land oder Bahn-Land – that is the question …
Rund 3 Millionen Lkw rollen derzeit jedes Jahr über Vorarlbergs Straßen. Das bedeutet, dass rund 90 Prozent aller Güter über die Straße transportiert werden. Mit rund 10 Prozent ist der Modalanteil der Schiene im Güterverkehrsaufkommen in Vorarlberg noch viel zu gering. Dabei wäre gerade Vorarlberg für den Schienengüterverkehr prädestiniert. Durch die starke Exportorientierung der Wirtschaft überwiegt in Vorarlberg der Quell- und Zielverkehr, das heißt, die Gütertransporte kommen entweder aus dem Ausland, um in Vorarlberger Betrieben verarbeitet zu werden, oder sie werden ins Ausland exportiert. Mobilitätslandesrat Daniel Zadra betont daher beim Treffen mit ÖBB-CEO Andreas Matthä: „Wir müssen uns entscheiden, ob wir in einem Lkw-Transitland oder einem Bahnland leben wollen. Aus meiner Sicht ist die Entscheidung klar: Der Güterverkehr muss von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Daran wollen wir gemeinsam mit der Vorarlberger Wirtschaft arbeiten.“
Anschlussbahnen als Einstieg zum Umstieg
Ein wichtiger Anker für Transportverlagerung sind die Anschlussbahnen, so Matthä. Denn „Güter, die ab Werk auf Schiene sind, bleiben meistens bis ans Ziel auf Schiene. Für Kunden ohne eigenen Gleisanschluss stehen öffentliche Ladegleise zur Verladung auf die Schiene zur Verfügung und für den Kombinierten Verkehr sind intermodale Terminals die ideale Drehscheibe zwischen Straße und Schiene.“
Transformation braucht Zeit
„Es bleibt dabei: Ohne eine substanzielle Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene werden wir die Klimaziele nicht erreichen“, betont Zadra. „Zugleich muss uns allen klar sein, dass diese Transformationsprozesse Zeit brauchen – logistische Abläufe lassen sich nun einmal nicht von heute auf morgen auf den Kopf stellen. Doch eine Umfrage, die wir gemeinsam mit den ÖBB in den letzten Wochen durchgeführt haben, liefert uns wertvolle Erkenntnisse und belastbare Daten, auf deren Basis wir nun die Unterstützungsangebote für interessierte Unternehmen ausbauen wollen.“
Wichtige Informationen fehlen
Diese Umfrage der ÖBB und des Landes unter Vorarlberger Betrieben ergab, dass Unternehmen, die über eine Anschlussbahn verfügen, damit sehr zufrieden sind. Gleichzeitig fehlt es aber bei Unternehmen ohne Anschlussbahn an Informationen über die Rahmenbedingungen für Anschlussbahnen und die bestehenden Fördermöglichkeiten. Förderanreize sind allerdings ein wichtiger Hebel, um Anschlussbahnen attraktiver zu machen. Denn Errichtung und Betrieb einer Anschlussbahn fallen im Gegensatz zur Straßenerrichtung komplett in die Verantwortung des jeweiligen Unternehmens.
Güterverkehrskoordinatoren sollen Abhilfe leisten
Um die Attraktivität von Anschlussbahnen und öffentlichen Ladegleisen als Einfüllpunkte für den Schienengüterverkehr weiter zu steigern, wollen ÖBB und Land Vorarlberg auf Basis der Umfrageergebnisse zunächst die Information und Beratung rund um Transportverlagerung für Unternehmen ausbauen. „Dafür haben sowohl ÖBB als auch Land Vorarlberg die Funktion eines Güterverkehrskoordinators geschaffen“, erläutern Zadra und Matthä. „Auf Seiten des Landes steht ab sofort Jörg Zimmermann, auf Seiten der ÖBB Michael Bares für alle Fragen zur Verfügung, die sich im Zusammenhang mit der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ergeben. Es wird kein Anliegen zu klein und kein Problem zu groß sein.“
Die Zukunft der Anschlussbahnen in Vorarlberg
Neben dem ÖBB-Containerterminal in Wolfurt und dem kleineren Bahnterminal in Bludenz bestehen in Vorarlberg 24 firmeneigene Anschlussbahnen mit Anschluss ans ÖBB-Netz und weitere sieben auf der Montafonerbahn. Für die Unternehmen sind ihre Anschlussbahnen der direkte Zugang zum hochrangigen internationalen Bahnnetz und damit zu internationalen Häfen und Wirtschaftszentren.
Rund 60 Prozent des Gesamtgüteraufkommens kommen derzeit in ganz Österreich über Anschlussbahnen ins Transportsystem. Mit jeder zusätzlichen Anschlussbahn und jedem zusätzlichen Betrieb, der Ladegleise nutzt, steigt die Netzwirkung und damit die Gesamtattraktivität des Gütertransports auf der Schiene. „Unser Ziel ist, dass es für ein Unternehmen genauso einfach und günstig wird, einen Bahnanschluss zu bekommen wie einen Straßenanschluss“, bekräftigt der ÖBB-CEO seine Forderung nach fairen Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern. Die Errichtung und der Betrieb von Anschlussbahnen müssen derzeit von den verlagerungswilligen Unternehmen selbst bezahlt werden. Für den Neubau, die Erweiterung und Reaktivierung von Anschlussbahnen besteht ein Förderprogramm des Bundes, mit dem bis zu 50 Prozent der Kosten gefördert werden, abgewickelt über die bundeseigene Schieneninfrastrukturgesellschaft (SCHIG).
Ausbau von Flexibilität und Kapazität am ÖBB-Terminal Wolfurt
Zentraler Dreh- und Angelpunkt für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene ist der ÖBB Güterterminal Wolfurt. Mit derzeit 1.700 Vollcontainerlager-Stellplätzen im unmittelbaren Kranbereich sowie 3.500 Leercontainerlager-Stellplätzen ist der Terminal wichtigster Güterverkehrsknoten in Westösterreich und zugleich das Containertor von Vorarlberg in die ganze Welt. „Die Vorarlberger Wirtschaft nimmt den Terminal Wolfurt sehr gut an und wir sind mittlerweile schon fast an der Auslastungsgrenze“, so Andreas Matthä. Im Vorjahr wurden 150.000 ITE (intermodale Transporteinheiten = die Bezeichnung für Container, Wechselbehälter sowie Sattelanhänger, die sich für den intermodalen Verkehr eignen) umgeschlagen. „Die Nachfrage ist ungebrochen hoch, daher werden wir bis Ende 2029 in mehreren Etappen die Kapazität am Terminal Wolfurt verdoppeln und unser Service flexibler und nachfrageorientiert gestalten“, erläutert Matthä weiter. Bereits mit Jahreswechsel 2023/24 werden die Öffnungszeiten in einem Pilotversuch bei Bedarf von derzeit Montag 6.30 Uhr bis Freitag 22:00 (für Züge)auf Samstag 14:00 erweitert (Lkw und Züge). 2028 sollen schließlich die Arbeiten zur Erweiterung des Terminalgeländes beginnen.
Mit gutem Beispiel voran: Beschlägehersteller Blum
„Im Sinne der Nachhaltigkeit verschicken wir über 35 Prozent unserer Produkte via Schiene, der Wert steigt kontinuierlich und unser Ziel ist, 50 Prozent in den nächsten Jahren zu erreichen. Wir sind seit Jahren vom Erfolgsmodell Anschlussbahn überzeugt“, erklärt Gerhard Humpeler, Geschäftsleiter des Beschlägeherstellers Blum, und ergänzt: „Wir sparen durch die Bahntransporte bereits mehr als 138.000 Tonnen CO2-Emissionen und 7.000 Lkw-Fahrten ein. Für die Zukunft des Güterverkehrs ist ein Schienenausbau in Vorarlberg und die Erweiterung des Güterterminals in Wolfurt aber unumgänglich. Für eine Erhöhung des Anteils muss auch der internationale Ausbau und Zusammenarbeit mit Deutschland und der Schweiz verbessert werden.“
Gemeinsam mit der Rhomberg Gruppe betreibt Blum die Anschlussbahn Stöcken in Dornbirn, eine der aktivsten, regelmäßig genutzten Anschlussbahnen nicht nur in Vorarlberg, sondern in ganz Österreich. Allein im vergangenen Jahr haben die beiden Unternehmen über 220.000 Tonnen über die Anschlussbahn in die ganze Welt versandt. Zusätzlich bekommt Blum von den Lieferanten rund 60 Prozent der Stahllieferungen über den Terminal Wolfurt geliefert: „Wir arbeiten daran, diesen Anteil auf über 90 Prozent zu erhöhen. Für die Transporte zwischen unseren acht Werken kommen umweltfreundliche Biogas-Lkw zum Einsatz“, so Humpeler abschließend. All dies ist Teil der umfangreichen Nachhaltigkeitsstrategie von Blum.