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Griechische Logistik: Es stürmt über Hellas

Griechenland liegt wirtschaftlich schief. Und die Logistikbranche bekommt das massiv zu spüren. Verkehr recherchierte vor Ort über die Auswirkungen der Schuldenkrise auf die Transportwirtschaft.

Griechenland leidet massiv unter dem wirtschaftlichen Sturm, der zurzeit über das Land tobt. Jeden Tag kommen neue Hiobsbotschaften aus Athen, dass das Land möglicherweise doch nicht "die Kurve kratzt" und an der schwersten Wirtschaftskrise zerbricht, aus der Euro-Zone ausscheidet, mit unvorhersehbaren Konsequenzen sowohl für das Land selbst als auch für die anderen Euro-Länder und letztlich auch für die Europäische Gemeinschaft.

Die Exporte aus Hellas hinaus in die Welt bewegen sich auf niedrigem Niveau. Gemüse, Olivenöl und Tourismus sind die gängigen Exportartikel, die das Land zu bieten hat. Die Importe nach Griechenland halten sich ebenfalls in Grenzen, zumal die Kaufkraft der Bevölkerung massiv sinkt, was eine Folge des von EU-Ländern und der Regierung in Athen auferlegten radikalen Sparkurses ist.

Handelsbeziehungen zu Österreich

Der Handel zwischen Österreich und Griechenland präsentiert allerdings ein anderes Bild. Österreichs Importe aus Hellas haben im ersten Halbjahr dieses Jahres um sechs Prozent zugelegt, gleichzeitig fielen die heimischen Exporte nach Griechenland im gleichen Zeitraum um acht Prozent zurück.

Dennoch: Im Vorjahr fiel die österreichische Handelsbilanz mit dem krisengeschüttelten Land positiv aus: Heimischen Exporten von 434 Mio. Euro standen Importe von 182 Mio. Euro gegenüber, weiß Bruno Freytag, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Athen, im Gespräch mit Verkehr. Sein Büro befindet sich um die Ecke des griechischen Parlaments am Syntagma-Platz, wo seit Wochen immer wieder turbulente Demonstrationen stattfinden und über die Fernsehschirme in ganz Europa Bilder flimmern, als würde ganz Griechenland brennen. Die Aufregung spiele sich gerade einmal auf einem 500 m2 großen Platz ab und repräsentierte nicht die Stimmung aller Griechen, auch wenn sie unter den auf EU-Druck von der Regierung beschlossenen Sparmaßnahmen litten, sagt Joanna Kourela, Fachjournalistin für Transport und Logistik und ORF-Mitarbeiterin, im feinen Koronaki-Viertel, wo sie ihr Büro mit herrlichem Blick auf die Akropolis hat.

Die aktuelle Krise sei nicht über Nacht gekommen, sondern sei der bedauerliche Höhepunkt politischer Unzulänglichkeiten im Land. Ein Land mit 10 Mio. Einwohnern muss eine Mio. pragmatisierte Beamte aushalten. Auf EU-Druck sollen es weniger werden. Kourela: "Die Bürger sind verunsichert und haben kein Vertrauen mehr in die Politiker. Niemand weiß, wie es weitergeht." Das Land sitzt auf einem Schuldenberg von 190 Prozent des BIP, täglich wird dieser Berg höher und treibt aufgebrachte Bürger auf den Syntagma-Platz, wo sie Luft ablassen. Im Land sind mehr als 50 Prozent der Jugendlichen arbeitslos, die Job-Aussichten sind triste. Die Erkenntnis für viele davon: Die Heimat verlassen und nach Norden ziehen. "Das Land verliert in Scharen gut ausgebildete junge Leute, besonders viele Ärzte gehen weg", beobachtet Kourela.

Logistikbranche als Retter in der Not

Die Auswirkungen der Krise auf die Logistik Branche sind unübersehbar. In den vergangenen Monaten sind gleich zwei ehemals namhafte griechische Logistikunternehmen, nämlich Omega und Imperio, in die Insolvenz geschlittert. Die Bahntransporte in das Land aus dem restlichen Europa sind spürbar eingebrochen und der Landverkehr allgemein zeigt sinkenden Tendenzen, beobachtet Elmar Wieland, Vorstandschef von Schenker & Co AG Österreich und Südosteuropa. Hellas gehört zum Verantwortungsbereich von Wieland und Schenker musste sich in Reaktion auf die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung im Land verkleinern, musste Personal freistellen und die Kapazitäten den Gegebenheiten anpassen.

"Das mussten wir tun, weil das Volumen kleiner geworden ist", sagt Wieland gegenüber Verkehr. Das Bahntransportgeschäft von und nach Griechenland hat Tradition, ist aber im Sinken. Im Landverkehr konnte sich Schenker bislang gut halten, See- und Luftfrachtgeschäfte spielen in Hellas eher ein ungeordnete Rolle. DB Schenker Logistics fährt nach wie vor Ganzzüge vom ungarischen Sopron nach Südosteuropa und so auch nach Griechenland, wobei hier der Endpunkt meist Saloniki ist. Die Hafenstadt scheint wirtschaftlich stabiler dazustehen als etwa die Region rund um Athen, so Wielands Eindruck.

Schenker ist in Griechenland in die dortigen Anlagen langfristig eingemietet und versucht, freie Lagerkapazitäten dennoch optimal auszulasten oder anderweitig zu bewirtschaften. Dass sich das Land wirtschaftlich wieder aufrappelt und das Schlimmste übersteht, darauf hoffen freilich alle, die geschäftliche Kontakte zum Land pflegen. Die geostrategische Lage des Landes mit seiner stark ausgeprägten Reeder-Tradition könnte ein Rettungsanker sein.

Würde man die Häfen ausbauen und sie als internationale Logistikdrehscheiben platzieren, "könnte man vermutlich auf Dauer viel verdienen", glaubt Holger Schmieding, Chefvolkswirt von der Berenberg Bank. Der Hafen Piräus, wichtigster Hafen des Landes, bekam - was nicht wenige Logistiker überrascht - erst in diesem Jahr einen Bahnanschluss. Im Hafen selbst brummt das Umschlagsgeschäft durchaus. Griechische Reeder sind auf der ganzen Welt zu Hause. Gemeinsam mit der Logistik-Branche auf dem Festland und einem nicht unattraktiven Hinterland wie beispielsweise Bulgarien, Rumänien, Moldawien, aber auch Serbien oder Mazedonien könnte die Logistik-Branche in Griechenland erstarken und zu einem tragfähigen Wirtschaftszweig werden, so die Einschätzung des Bankers, wenn er gedanklich nach Griechenland blickt. Griechenlands Handelsflotte hält derzeit bei mehr als 3.000 Schiffen mit einer Tragfähigkeit von über 112 Mio. Bruttoregistertonnen. Internationale Experten schätzen die Wachstumschancen dieser maritimen Wirtschaft auf drei bis vier Prozent pro Jahr ein.

Interesse von Investoren

Die Logistik-Branche wird zunehmend als Rising-Star hoch gelobt. Griechenland könnte sich aufgrund seiner geografischen Lage gut zu einem Regional-Hub entwickeln, glaubt Freytag. "Die Bedeutung der Verkehrswirtschaft ist sehr groß." Deren Anteil am BIP wird auf 10 bis 12 Prozent geschätzt. Das Potenzial ist vorhanden, mit 3PL- oder 4PL-Logistik kann man aber noch nicht viel anfangen. Russische Investoren zeigen Interesse, in dem griechischen Infrastruktursektor investieren zu wollen. Ebenso Chinesen, die in Piräus schon kräftig Flagge zeigen und dort einen eigenen Container-Terminal betreiben und weitere Expansionsschritte überlegen.

Wie alle Bereiche der Wirtschaft so hadert auch die Logistik-Branche im Land mit der überbordenden Bürokratie, mit der bis zur letzten Instanz nach oben geschobenen Entscheidungsbereitschaft in oft simplen Angelegenheiten, weiß Kourela. Seit Kurzem macht sich der griechische Industrieverband stark und fordert einen Bürokratieabbau und eine Stärkung des Landes als Logistik-Drehscheibe. Logistik-Anlagen befinden sich in Griechenland häufig in städtischem Gebiet, ohne brauchbare Anbindung an Bahn und Autobahn. Beim Bau von Hallen dürfen bestimmte Höhen nicht überschritten werden, die Dienstleistung in den Logistikzentren ist mitunter verbesserungswürdig, die Preise sind zu hoch.

Autor: Josef Müller


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