Herr Sertic, die vergangenen zwei Jahre waren aufgrund von aufeinanderfolgenden Krisen nicht unbedingt die einfachsten. Wie hat sich UnitCargo hier geschlagen?
Davor Sertic: Das kann ich mit zwei Zahlen leicht erklären. Wir hatten vor der Corona-Krise einen Jahresumsatz von 40 Millionen Euro und 2021 konnten wir mit einem Gesamtumsatz von 50 Millionen abschließen. Heuer rechnen wir sogar mit 60 Millionen. Wir haben unseren Umsatz, aber auch das transportierte Volumen um jeweils ca. 30 Prozent gesteigert. Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal 50.000 Transporte abgewickelt. Heuer werden es 60.000 bis 70.000 werden – das sind 1.000 Lkw pro Woche. Geholfen hat uns dabei, dass wir über die Jahre eine gute Kundenbasis aufgebaut haben – aktuell sind es etwa 1.500 Kunden europaweit. Dabei haben wir darauf geschaut, unsere Kunden zu diversifizieren, um nicht von einem Sektor oder einem Kunden abhängig zu sein – von Stahlproduzenten bis hin zu Plastik- und Chemiekunden ist hier alles dabei. Und so verfügen wir jetzt über einen großen Kundenstock mit stabilen Mengen, die wir so gesteuert haben, dass bloß keine Abhängigkeiten entstehen.
Sie fahren für Ihre Kunden nahezu ganz Europa an. Die Ukraine ist zwar keine Destination, aber die Länder rundherum schon. Bemerken Sie da schon die Folgen des Krieges?
Sertic: Unser wichtigster Korridor führt von Skandinavien über Zentraleuropa und die Benelux-Länder nach Südosteuropa, wo er in Bulgarien und Griechenland endet. Die Ukraine oder Russland haben wir aus unterschiedlichsten Gründen nicht bedient, entsprechend haben wir anfangs keine Folgen gespürt. Aber so langsam beginnt sich das in Ländern, in denen russische Investoren stark vertreten sind, für uns zu ändern. Wir haben in Polen einen Kunden mit einem russischen Eigentümer – er hat seine Produktion stoppen müssen, somit fallen unsere Transporte für ihn gänzlich weg. Ein riesiger Stahlkunde hat uns erst kürzlich informiert, dass er aufgrund von Rohstoffmangel seine Produktion runterfahren muss und wir deswegen weniger zu transportieren haben werden. Hier möchte ich nochmal betonen, wie wichtig es für uns war, unsere Kundenbasis zu diversifizieren, weil wir dann solche Wegfälle besser abfangen können. Aber es wird noch spannend. Ich denke, dass wir mit einer heftigen Krise rechnen müssen.
Sie haben vorhin Polen erwähnt, wo Sie auch eine Niederlassung betreiben. Dort gibt es momentan einen massiven Mangel an Lkw-Fahrern. Spüren Sie diesen?
Sertic: Nicht wirklich, da wir auch bei den Frächtern diversifiziert haben, um auch hier keine Abhängigkeiten zuzulassen. Aber es ist allgemein bekannt, dass in Polen derzeit ca. 80.000 Lkw auf einen Fahrer warten. Das Mobilitätspaket der EU hat dieses Problem schon befeuert, weil viele Fahrer in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt sind, und nun hat der Krieg in der Ukraine die Situation noch einmal massiv verschärft. Dadurch sinkt natülich der verfügbare Laderaum, was wiederum den Transportpreis verteuert. Das wollen manche Kunden nicht verstehen, weil sie sich nur am Dieselpreis orientiert haben; ausschlaggebend ist aber der Marktpreis und dieser steigt, je weniger Ladekapazitäten es gibt. Wenn man das als Kunde nicht akzeptiert, wird man sich schwer tun, Kapazitäten zu finden.
2019, also kurz vor der Corona-Pandemie, hat UnitCargo die erste Niederlassung in Serbien eröffnet. Wie hat sich dort das Geschäft entwickelt?
Sertic: Das Land hat eine Krise erlebt. Aber: Viele Produzenten haben ihre Produktion aus Asien nach Serbien verlagert, was wiederum die Marktverluste kompensiert hat. Somit konnten wir dort unser Geschäft stabil halten. Anders sieht es in Rumänien, Polen und Bulgarien aus, wo wir sehr starke Zuwächse verzeichneten.
Seit Jahren sind Sie eine der stärksten Stimmen für den Bereich Nachhaltige Logistik. Wie ist Ihre Vision von Green Logistics aus?
Sertic: Für mich liegt die Lösung für viele Probleme der Branche im Aufbau von Intermodalen Verkehren. Die einzige Hürde dafür ist ökonomischer Natur. Ein Großverlader kann problemlos einen Ganzzug aus Land A nach Land B organisieren, weil sie die Mengen haben. Ein KMU schafft das nicht. Man kann die Transportmengen nicht immer bündeln. Es muss daher eine europaweite Lösung gefunden werden, wie man den Einstieg in den Intermodal-Verkehr erleichtern kann. Es muss einen Anreiz geben, einzelne Einheiten flexibel zu beladen. So könnte man dann 80 bis 90 Prozent der Strecke auf die Schiene verlagern. Es wäre also machbar, es muss nur ökonomisch werden. Wir haben ein Jahr lang versucht, unsere eigenen Kalkulationen zu optimieren, lagen aber immer 30 bis 40 Prozent über dem Marktpreis eines reinen Lkw-Transports. Kunden sind nicht gewillt, diesen Mehrpreis zu zahlen. Es braucht daher Förderungen des Staates. Jene, die wir jetzt haben, sind meiner Meinung nach falsch, denn es wird der Kauf eines kranbaren Aufliegers gefördert. Den brauche ich aber als KMU nicht, wenn ich nicht ökonomisch transportieren kann. Es sollte also der Transport selbst oder hier zumindest der Bahnanteil gefördert werden. Was man zum Beispiel machen könnte: Ein Großverlader soll keine Ganzzüge mehr buchen können, sondern nur maximal 80 bis 85 Prozent davon. Die restlichen Kapazitäten werden flexibel an KMU vergeben und das mit einer Förderung.
Kommen wir zu einem weiteren Problem der Branche: der Mangel an Fachkräften. Wie gehen Sie dagegen vor?
Sertic: Wir haben schon vor langer Zeit erkannt, dass wir in Österreich schwer gutes Personal finden können, weil der Wettbewerb hoch ist. Wir haben uns daher dafür entschieden, Branch-Offices in Südosteuropa zu gründen, weil wir dort leichter topausgebildetes Personal finden können – und sind zugleich näher an den dortigen Kunden. Wir brauchen mehr Mitarbeiter – zurzeit sind wir 120 und bis Ende des Jahres wollen wir auf 140 wachsen. Unsere HR-Managerin ist permanent mit dem Recruiting beschäftigt.
Einer der Gründe dafür, dass die Branche schwer Mitarbeiter findet, ist ihr schlechter Ruf. Vor einigen Jahren haben das BMK, die BVL, der ZV, die IV, die VNL und die WKO die Dachmarke „Austrian Logistics“ ins Leben gerufen, um die Spitzen-Leistungen der Branche hervorzuheben. Sie sind seit Anfang an als Marken-Partner dabei.
Sertic: Das ist schon eine sehr gute Initiative, die ich gerne unterstütze; aber meiner Meinung nach muss das noch proaktiver betrieben und viel mehr beworben werden. Diese Initiative muss mehr „leben“.
Vielen Dank für das Gespräch!