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Es geht um viel in Grönland. Erstens kommt durch den Rückgang der Eisdecke im hohen Norden ein völlig neues militärisches Operationsgebiet zum Vorschein. Nuklearbestückte U-Boote können sich nicht mehr unter dem Eis verstecken, und vorgeschobene Lenkwaffenzerstörer haben das Potenzial, das nukleare Gleichgewicht empfindlich zu stören. Die USA müssen also handeln, um China und Russland keine weiteren strategischen Vorteile zu ermöglichen.
Zweitens verfügt Grönland genau über die Rohstoffe, die für einen „Green New Deal“ notwendig wären. Drittens geht es auch um eine Umgestaltung der aktuell chinesisch-dominierten globalen Handelsrouten. Es darf an dieser Stelle die Frage aufgeworfen werden, wie ernst eigentlich die aktuellen EU-Strategien oder auch das Drängen auf europäische Verteidigungsfähigkeit zu nehmen sind, wenn es bei derartigen Themen der lautstarken Intervention des US-Präsidenten bedarf?
Es geht um Einfluss, Macht und Bodenschätze
Grönland ist reich an unterschiedlichen Bodenschätzen. 25 der 34 Rohstoffe, die in Grönland vorkommen, werden von der EU-Kommission als „kritisch“ eingestuft – dazu zählen Graphit, Lithium, Seltene Erden, aber auch Gallium, welches zur Herstellung von Batterien und Leistungshalbleitern für E-Autos und Windturbinen notwendig ist. Alle gelten als „Strategische Technologien“ in der EU. Wer baut dort aber primär ab? China. Das Land baut nämlich schon Eisen in Isua sowie Seltene Erden in Kvanefjeld ab.
Das Angebot der China Communications Construction Company, zwei Flughäfen zu errichten, wurde auf Druck der USA zurückgezogen. Tanbreez Mining, ein Unternehmen, das vor allem Seltene Erden abbaut, hätte an ein chinesisches Konsortium verkauft werden sollen. Im Laufe des vorigen Jahres wurde es auf Druck der USA an das New Yorker Unternehmen Critical Metals veräußert.
Chinesisch-dominierte Handelsrouten
Neben dem Rohstoffabbau in der Arktis ist die Schätzung, dass die Nordost-Passage und andere arktische Transitrouten in 15 Jahren ganzjährig schiffbar sein werden, ein wesentlicher Antrieb für das Engagement des selbsternannten „Near-Arctic State“ im hohen Norden. Ein Transit von China nach Europa über die Arktis würde die Reisedauer – im Vergleich zur aktuellen Route via Suez-Kanal – deutlich verkürzen und käme einer logistischen Revolution gleich. Diese potenzielle Revolution wäre chinesisch dominiert und ist der Grund für die seit Jahren vorangetriebene Einflussnahme in den nordeuropäischen Häfen sowie auf die „Polare Seidenstraße“, die seit 2017 zunehmend an Relevanz gewinnt.
Der Kern europäischer Interessen
Es handelt sich also um ein ganzes Portfolio europäischer Interessen: Rohstoffe für die europäischen Zukunftstechnologien, Sicherheit für die im Krisenfall vitalen transatlantischen Nachschublinien und Autonomie in der Gestaltung europäischer Transport- und Handelsinteressen. Hätte Präsident Trump das Thema nicht auf die politische Agenda gesetzt, hätte die EU wieder tatenlos zugesehen, wie Peking erneut Fakten gegen Europas Interessen schafft.
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Bernhard Seyringer ist Analyst,
Kolumnist und Experte für
digitale Geopolitik.
(Foto: privat)