Wie sind Sie als Quereinsteigerin eigentlich zur Logistik gekommen?
Jacqueline Kreismayr: Ich bin nach meiner Schulausbildung am Universitätsklinikum St. Pölten in einer wirtschaftlichen Abteilung gelandet, die auch den Bereich Lagerhaltung und Beschaffung für das Klinikum überhatte. Ich habe dann neben meiner Tätigkeit dort begonnen, Gesundheitsmanagement zu studieren. In die Logistik bin ich dann „hineingerutscht“, als zwei Logistikzentren in Niederösterreich errichtet wurden, in deren Planung wir als Wirtschaftsabteilung miteingebunden waren, eines in St. Pölten, das zweite in Wr. Neustadt. 2014 bin ich dann endgültig als stellvertretende Leiterin in das Logistikzentrum gewechselt. Zwei Jahre später, nach Abschluss meines Studiums, habe ich dann die Leitung übernommen. Mittlerweile arbeite ich bei der Landesgesundheitsagentur, die 2020 aus der Landeskliniken-Holding hervorgegangen ist, und kümmere mich in dieser Funktion um Logistikthemen für das ganze Bundesland. Die Agentur ist für 77 Einrichtungen, davon 27 Kliniken und 50 Pflege- und Betreuungszentren verantwortlich.
Im Bereich Gesundheitslogistik waren Sie in den vergangenen Jahren sehr beschäftigt.
Kreismayr: Ja, die Covid-Pandemie war eine große Herausforderung für uns alle. Das war eine echte Ausnahmesituation. Wir haben in dieser Zeit von unseren beiden Zentren aus viele Einrichtungen in Niederösterreich mitversorgt, die wir normalerweise nicht betreuen. Denn die Verfügbarkeit von Materialien, beispielsweise des ganzen Schutzmaterials wie Masken, Handschuhe oder Desinfektionsmittel, war sehr eingeschränkt. Daher haben wir die Versorgung für das ganze Bundesland in den beiden Zentren gebündelt. Das war alles sehr gut durchorganisiert. Logistik ist leider noch immer etwas, das im Hintergrund einfach passiert und nicht genug wahrgenommen wird. Durch Covid haben jetzt aber alle gelernt, wie wichtig und wertschöpfend dieser Zweig tatsächlich ist und wie resilient er aufgestellt sein muss, damit alles richtig funktioniert – besonders im Gesundheitswesen. Und das ist noch immer nicht genug am Schirm, denn Gesundheitslogistik ist sehr komplex. Diese Zentralisierung der Versorgung hat ja in den letzten Jahren überhaupt erst gestartet.
Was wird in Ihrem Bereich unter dem Begriff „Logistik“ alles zusammengefasst?
Kreismayr: Im Gesundheitswesen ist die Logistik nicht ein Anhängsel des Supply Chain Managements, sondern die beiden Bereiche sind gleichwertig aufgestellt, weil sie Hand in Hand arbeiten müssen. Am Ende der Kette steht immer der Patient als maßgebender Faktor. Das heißt, wir haben eher eine „Demand Chain“, die, um optimal zu funktionieren, parallel mit der Logistik auf Augenhöhe arbeiten muss. In unseren Logistikzentren wird nicht nur die Versorgung mit Verbrauchsmaterial bewerkstelligt, auch das Apothekenlager mit sämtlichen Medikamenten ist dort integriert. Das bedeutet, dass Arzneimittel bzw. die medizinischen und nichtmedizinischen Ge- und Verbrauchsgüter eine gemeinsame Lagerhaltung haben. Diese Materialien werden dann auch konsolidiert pro Station an das jeweilige Lieferziel gesendet. Diese Konsolidierung ist auch der große Vorteil für die medizinischen Einrichtungen, hat aber zu Beginn aufgrund des zum Teil gekühlten Transports von Medikamenten zu Herausforderungen geführt. Man braucht beispielsweise Kühlboxen, eine Temperaturüberwachung, aber auch Spediteure, die temperaturgeführte Transporte durchführen können.
Welche Aufgaben haben die Logistikzentren sonst noch?
Kreismayr: Neben der Lagerhaltung haben wir in unseren beiden Logistikzentren noch eine zweite Sparte, nämlich die Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte. An beiden Standorten können wiederverwendbare Instrumente wie gebrauchte OP-Bestecke aus der gesamten Region aufbereitet werden. Hier versuchen wir, in der Transportlogistik entsprechende Synergien zu heben. Wenn also beispielsweise am Abend die gebrauchten Medizinprodukte abgeholt werden, können wir im Gegenzug dringende Materialbestellungen, die tagsüber eingegangen sind, auch gleich zustellen. Für unsere Transporte arbeiten wir dabei mit einem externen Partner zusammen. Diese Form eines zentralisierten Versorgungsverbunds gibt es in dieser Form derzeit nur in Niederösterreich. Wir planen gerade einen dritten Standort.
Tauschen Sie sich auch branchenübergreifend mit anderen Logistikern aus?
Kreismayr: Mir ist der Austausch mit anderen Logistikexperten ganz besonders wichtig. Als Vorstandsmitglied bei der BVL Österreich bin ich derzeit auch Mitorganisatorin der Logistik-Akademie, denn ich möchte Menschen für diese Sparte begeistern, weil die Logistik so ein spannendes Feld ist und ein großes Potenzial hat. Die BVL Österreich ist hierfür eine gute Plattform, um branchenübergreifend zu netzwerken. Denn mir ist als Quereinsteigerin sehr wohl bewusst, dass wir im Gesundheitssektor mit ganz anderen logistischen Herausforderungen konfrontiert sind als der Handel oder die fertigende Industrie. Deswegen ist der gegenseitige Austausch für die Weiterentwicklung der Gesundheitslogistik so notwendig, denn sie muss trotz all ihrer spezifischen Rahmenbedingungen nicht unbedingt zukünftig ein Sonderfall bleiben. Da ist es hilfreich, sich die „Logistikbrille“ aufzusetzen und aus dieser Perspektive einmal nachzufragen, welche Lösungen in einer anderen Branche gut funktionieren und wie man solche Lösungen in die Gesundheitsversorgung integrieren könnte.
Was sind ihre persönlichen Ziele als Frau in der Logistik?
Kreismayr: Frauen in der Logistik ist ein Thema, das viel zu selten angesprochen und viel zu wenig gefördert wird. Ich will Frauen dazu motivieren, auch wichtige Positionen auf Entscheiderebene einzunehmen. Ich habe mir meinen Werdegang im Logistikbereich hart erarbeitet und war auch mit den klassischen Vorurteilen konfrontiert. Deswegen will ich Frauen Mut machen, sich etwas zuzutrauen und ganz nach vorne zu gehen – und nicht in der zweiten oder dritten Reihe hängen zu bleiben. Meiner Erfahrung nach funktionieren Führungsteams aus Frauen und Männern deswegen besonders gut, weil sich ihre Stärken und Kompetenzen unabhängig von allem Fachwissen hervorragend ergänzen.
Vielen Dank für das Gespräch.