Verkehr: Frau Czipetits, Sie sind Geschäftsführerin der Wiener Lokalbahnen – Verkehrsdienste. Was fällt unter Ihrem Verantwortungsbereich?
Beatrix Czipetits: Wir sind ein Unternehmen mit 270 MitarbeiterInnen und 160 Fahrzeugen, überwiegend Kleinbusse. Unser Kerngeschäft ist, Menschen mit Behinderung zu befördern – sei es in die Schule, in die Arbeit oder zu Freizeitaktivitäten. In den letzten fünf Jahren haben wir aber auch neue Geschäftsfelder etabliert. Wir haben zum Beispiel alle Rufbusse, die früher Anrufsammeltaxi hießen, für Wien übernommen. Das sind 18 Linien. Ebenso haben wir innovative, digitale On-Demand- sowie Last-Mile-Lösungen aufgebaut und sind auch in die City-Logistik eingestiegen. Hier haben wir zum Beispiel eine Kooperation mit dem Hafen Wien, die sich HUBERT nennt. Das Konzept sieht so aus, dass alle Bestellungen, die ein Unternehmen bei unterschiedlichen Zulieferern tätigt, in einen Hub kommen, dort gebündelt werden und dann von nur einem Dienstleister, zum Beispiel uns als Kooperations-partner, zugestellt werden. Dieses und andere neue Ausliefer-Projekte helfen dabei, dass die Auslastung der LenkerInnen außerhalb der Früh- und Nachmittagsspitze gut ist.
Und wie hat sich das Geschäft in dieser Zeit entwickelt?
Czipetits: In den letzten fünf Jahren haben wir unseren Umsatz verdoppelt. Neben den neuen Geschäftsfeldern sind wir auch im Kerngeschäft deutlich gewachsen. Die Mitarbeiterzahl sowie die Anzahl an Fahrzeugen ist um jeweils ein Drittel gestiegen. Als erstes Unternehmen in Österreich haben wir elektrisch angetriebene rollstuhlgerechte Fahrzeuge eingeführt. Diese haben eine Reichweite von ca. 400 Kilometern. Wir entwickeln diese Fahrzeuge gemeinsam mit den Herstellern und testen sie mit unserer Zielgruppe. Es freut mich auch, dass wir ein neues Corporate Design mit blitzblauen Bussen und Slogan umgesetzt haben, das deutlich zeigt: „Die WLV hat sich innen wie außen top neu aufgestellt.“
Um die neuen Tätigkeitsfelder sozusagen „absorbieren“ zu können, mussten Sie sicherlich auch intern umstrukturieren.
Czipetits: Natürlich, wir haben uns komplett neu organisiert. Die größte Abteilung des Unternehmens habe ich gleich zu Beginn aufgeteilt in die Disposition, verantwortlich für die Fahrteneinteilung, und das Fahrtenmanagement, verantwortlich für die Führung der Lenker. Zusätzlich habe ich die Position „Koordinator“ etabliert. Das sind Personen, die einzelne Standorte betreuen. Das hat sehr zur Qualitätssteigerung beigetragen. Ebenso haben wir Teamleiter eingeführt, um die Kommunikation zu den Mitarbeitern weiter zu verbessern. Auch unsere Digitalisierungsprojekte haben Vieles vereinfacht. Denn neben dem strukturellen Wandel sprechen wir hier vor allem von einem Kulturwandel. Um die neuen Aufgaben zu meistern, haben wir auch neue Mitarbeiter benötigt. Hier setzen wir schon traditionell auf Diversität, das ist eine Bereicherung. Wir haben Mitarbeiter aus 25 verschiedenen Ländern, immer mehr Frauen. In den führenden Managementfunktionen liegt die Frauenquote bei über 50 Prozent. Es ist nur leider immer noch schwierig, Frauen als Fahrerinnen zu finden.
Was könnte man denn dagegen unternehmen?
Czipetits: Wir haben gemerkt, dass es hilft, wenn wir Frauen am Gelände einfach mal fahren lassen. Dann fallen ihre Ängste, sie trauen sich. Ein Entgegenkommen bei der Arbeitszeit-gestaltung hilft, damit die Arbeit mit anderen Aspekten des Lebens besser vereinbar wird.
Wie haben Sie zur Mobilitätsbranche gefunden?
Czipetits: Ich habe meine Karriere in der Mobilität angefangen, nämlich bei den Wiener Linien im Jahr 2002. Ich wechselte dann über verschiedenen Stationen im Konzern zur Wiener Stadtwerke Holding, wurde dann Aufsichtsrätin der Wiener Lokalbahnen – Verkehrsdienste und 2017 Geschäftsführerin des Unternehmens. Die Mobilität hat mich also durchgehend in meiner Karriere begleitet. So spannend wie jetzt war die Branche noch nie, weil man sehr viel gestalten kann.
Sie sind auch Mitglied des DamenLogistikClubs. Was hat Sie motiviert beizutreten?
Czipetits: Ich kenne die Technische Geschäftsführerin des Hafen Wien, Doris Pulker-Rohrhofer, schon länger und einmal fragte sie mich, ob ich denn nicht beitreten möchte. Das war sofort interessant für mich, weil wir eine Gruppe außergewöhnlicher Frauen in der Logistik sind. Das Programm des DLC ist toll, man lernt viel. Wir waren unlängst in einem Windkanal, wo Züge auf Aerodynamik getestet werden. Aber auch der Austausch untereinander ist sehr bereichernd, man unterstützt sich gegenseitig. Im Club sind auch junge Frauen. Denn junge Frauen, die sich am Anfang der Karriere befinden, müssen wissen: traut euch! Vieles ist möglich, wenn man sich einfach traut.
Vielen Dank für das Gespräch!