News

Interview: Hauptbahnhof Wien wird Drehscheibe

Hermann Papouschek (Bild: MA53)

Hermann Papouschek, der Hauptbahnhof-Projektleiter im Dienst der Stadt Wien, erläutert im Verkehr-Interview den aktuellen Projektstatus und die Projektplanung auf der größten Baustelle Österreichs.

Verkehr: In letzter Zeit kam es bei einigen Großprojekten in Österreich zu Problemen in der Planung und Projektleitung. Wie gelingt es Ihnen auf der derzeit größten Baustelle Österreichs, den Überblick zu bewahren?

Hermann Papouschek: Einer der Knackpunkte ist – wie bei jedem Projekt – eine funktionierende Kommunikation. Dazu muss man nur einige Regeln beachten. Meine Philosophie ist, einen wertschätzenden Umgang mit allen Projektteilnehmern zu pflegen. Das hat zur Folge, dass auf ein normales Gesprächsklima und eine offene Kommunikation – auch im Konfliktfall – Wert gelegt wird. Projektmanagement mit Hausverstand ist auch eines der Geheimnisse für ein Gelingen. Der Wiener Hauptbahnhof ist ein äußerst interdisziplinäres Projekt, das aus sehr vielen verschiedenen Sachgebieten besteht. Beginnend beim Verkehrsthema, über die Bahninfrastruktur, den Städtebau, die soziale Sicherheit, die sozialen Infrastruktur und den öffentlichen Verkehr, bis hin zum Individualverkehr. Es gibt bei diesem Projekt sehr viele Beteiligte. Die zwei größten Projektpartner sind sicherlich die Stadt Wien und die ÖBB.

Wie läuft Ihr Projektmanagement ab?

Papouschek: Es gibt einige „Muss-Komponenten“, die alle in einem Handbuch gesammelt sind. Das Wichtigste ist zunächst der Projektstrukturplan – das heißt, dass das Projekt in seine Teilprojekte und Teilarbeitspakete zerlegt werden muss. Wir haben rund 120 Arbeitspakete. Den Projektstrukturplan haben wir gemeinsam mit den wesentlichsten Partnern und Projektbeteiligten entwickelt. Damit sind die jeweiligen Verantwortlichkeiten klar festgelegt.  

Wie können Sie sicherstellen, dass die geplanten Kosten nicht überschritten werden?

Papouschek:  Worauf ich besonders achte, und was nicht umsonst am Anfang steht, ist die Projektabgrenzung! Örtlich, zeitlich, sachlich und geographisch. Bei vielen Projekten, bei welchen die Kosten überschritten wurden, haben die Auftraggeber im Laufe der Zeit ihre Pläne geändert. Es ist eine wichtige Eigenschaft eines Projektleiters, diese Änderungen abzuwehren – so unpopulär oder unbequem das auch ist. Die Projektgrenzen wurden einmal vertraglich festgelegt – und so bleiben sie auch. Ein Kostenplan ist ebenso zu erstellen. Aufgrund des langen Zeitrahmens habe ich bei der Kostenschätzung unterschiedliche Wissensstände. Für den südlichen Teil des Projekts gibt es derzeit nur grobe Kostenabschätzungen, da teilweise noch nicht einmal die Architektur feststeht. Aber ich werde trotzdem nach den Gesamtkosten befragt. Auch wenn das viele nicht hören wollen: Es gibt bei einer Grobkostenabschätzung eine ganz normale Schwankungsbreite von bis zu 30 Prozent. Genauer muss natürlich die tatsächliche Kostenverfolgung sein. Ich habe hier für den Hauptbahnhof aber ein dienststellenübergreifendes SAP-Projekt initiiert. So haben wir tagesaktuell alle Kosten auf Abruf bereit.

Wie läuft Ihr Risikomanagement bei diesem großen Projekt ab?

Papouschek: Eine Umfeldanalyse wird auch immer im Controlling überprüft (wer beeinflusst das Projekt positiv oder negativ). Zusätzlich haben wir ein Risikomanagement mit vier großen Klassen an Risken: technische, strategische, außenwirksame und finanzielle. Insgesamt umfasst unsere Risikoliste rund 100 Punkte. Das Risikomanagement muss bereits zu Beginn des Projekts vorhanden sein.

Worauf legen Sie bei Ihrer Projektleitung noch Wert?

Papouschek: Ein Kommunikationsplan ist auch ein Teil des Projekts. Darin ist festgehalten, wer mit wem wann und zu welchem Zweck sprechen darf. Damit konnten wir den vorherigen Besprechungstourismus unterbinden. Unser Kommunikationszentrum mit dem „bahnorama“-Turm ist ebenfalls eine Erfolgsgeschichte. Gerade durch den Besichtigungsturm haben sich vorab schon viele Fragestellungen (vor allem, was die angeblich weiten Wege zwischen dem Hauptbahnhof und der U-Bahn Linie 1 anbelangt) erledigt.

Bei einem Projekt gibt es immer einen definierten Anfang und ein definiertes Ende. Wann ist dieses Projekt abgeschlossen?
Papouschek: 2015 wird das Bahninfrastrukturprojekt fertiggestellt sein. Das Stadtviertel wird dann noch bis 2019/20 weitergebaut – das wird dann das Projektende sein.

Wo sehen Sie aus logistischer Sicht die Vorteile des neuen Hauptbahnhofs im internationalen Wettbewerb?

Papouschek: Mit dem Hauptbahnhof werden sich drei transeuropäische Netze in Wien treffen: von Paris nach Budapest, von Danzig nach Koper (Adria) und schließlich von Nürnberg bis ans Schwarze Meer. Das ist einer der Gründe, warum hier in Wien ein Durchgangs- und nicht ein Kopfbahnhof errichtet wird. Wichtig dabei sind aber alle baulichen Begleitmaßnahmen wie der Wienerwald-Tunnel, der Lainzer Tunnel, der Terminal Inzersdorf und die Klederinger Spange, die es erlauben, auch den Frachtverkehr im Süden von Wien abzuwickeln.

Wir danken für das Interview!

 


Das könnte Sie auch noch interessieren
Foto: Zentralverband Spedition & Logistik

Jung, digital, innovativ: Drei Frauen dominieren den diesjährigen Nachwuchs-Wettbewerb des Zentralverbands Spedition & Logistik.

Weiterlesen
Foto: Ontime Logistics

Verkehr sprach mit den Geschäftsführern von Ontime Logistics Moritz Schäffner und Tassilo Posch über das aktuelle Marktumfeld, ihr…

Weiterlesen

Im Interview mit Verkehr spricht Mathias Marian, Geschäftsführer von Südost Cargo, über Highlights, die Entwicklung der Branche und seine Pläne für…

Weiterlesen

Die Bertschi Gruppe, Marktführer in der intermodalen Chemielogistik, hat den Betrieb am neu fertiggestellten Antwerp Zomerweg Terminal (AZT)…

Weiterlesen

Fast Dreiviertel (72 Prozent) der Flottenmanager sehen Bedarf für signifikante Veränderungen in ihrem Fuhrpark, um den aktuellen…

Weiterlesen

Am Container Terminal Burchardkai (CTB) der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sind vor kurzem zwei neue Containerbrücken eingetroffen, die für…

Weiterlesen
Foto: WP Holding / Bodo Tiedemann

Die vom Zwickauer Logistikdienstleister WP Holding zusammen mit dem Netzwerk Logistik Mitteldeutschland ausgerichtete Veranstaltung „Energiewende: Nur…

Weiterlesen

Die Duvenbeck Unternehmensgruppe erweitert durch die Akquisition der Sander Logistics Gruppe ihre Präsenz und Leistungsfähigkeit in Norddeutschland.…

Weiterlesen
Foto: eFuel Alliance Österreich / Weinwurm Fotografie

Es braucht dringend klare Rahmenbedingungen für eFuels in Österreich und Europa, damit die Produktion im großen Stil gestartet werden kann, fordert…

Weiterlesen

Der Grevener Logistikdienstleister Fiege entwickelt ein Multi-User-Center in Borna im Landkreis Leipzig. Seit September laufen die Erdarbeiten für die…

Weiterlesen

Schon gehört?

Der Podcast der Internationalen Wochenzeitung Verkehr in Kooperation mit Julia Schütze.

Hören Sie hier das Interview mit Andreas Matthä, CEO der ÖBB Holding.

Wenn Sie externe Inhalte von w.soundcloud.com aktivieren, werden Daten automatisiert an diesen Anbieter übertragen.

Termine

European Silk Road Summit 2024

Datum: 27.11.2024 bis 28.11.2024
Ort: Wien

4. Salzburger Logistik Tag + Südbayern Region 2024

Datum: 28.11.2024
Ort: Porsche Austria Mooncity / Salzburg

18. BME-/VDV-Forum Schienengüterverkehr

Datum: 29.01.2025 bis 30.01.2025
Ort: Berlin

FRUIT LOGISTICA 2025

Datum: 05.02.2025 bis 07.02.2025
Ort: Messe Berlin

Mehr Termine

Verkehr im Austria Kiosk

Aktuelle ePaper-Ausgaben der Wochenzeitung Verkehr können Sie direkt im Austria Kiosk kaufen.

Anmeldung zum Newsletter

Herr / Mr  Frau / Mrs