Verkehr: In letzter Zeit kam es bei einigen Großprojekten in Österreich zu Problemen in der Planung und Projektleitung. Wie gelingt es Ihnen auf der derzeit größten Baustelle Österreichs, den Überblick zu bewahren?
Hermann Papouschek: Einer der Knackpunkte ist – wie bei jedem Projekt – eine funktionierende Kommunikation. Dazu muss man nur einige Regeln beachten. Meine Philosophie ist, einen wertschätzenden Umgang mit allen Projektteilnehmern zu pflegen. Das hat zur Folge, dass auf ein normales Gesprächsklima und eine offene Kommunikation – auch im Konfliktfall – Wert gelegt wird. Projektmanagement mit Hausverstand ist auch eines der Geheimnisse für ein Gelingen. Der Wiener Hauptbahnhof ist ein äußerst interdisziplinäres Projekt, das aus sehr vielen verschiedenen Sachgebieten besteht. Beginnend beim Verkehrsthema, über die Bahninfrastruktur, den Städtebau, die soziale Sicherheit, die sozialen Infrastruktur und den öffentlichen Verkehr, bis hin zum Individualverkehr. Es gibt bei diesem Projekt sehr viele Beteiligte. Die zwei größten Projektpartner sind sicherlich die Stadt Wien und die ÖBB.
Wie läuft Ihr Projektmanagement ab?
Papouschek: Es gibt einige „Muss-Komponenten“, die alle in einem Handbuch gesammelt sind. Das Wichtigste ist zunächst der Projektstrukturplan – das heißt, dass das Projekt in seine Teilprojekte und Teilarbeitspakete zerlegt werden muss. Wir haben rund 120 Arbeitspakete. Den Projektstrukturplan haben wir gemeinsam mit den wesentlichsten Partnern und Projektbeteiligten entwickelt. Damit sind die jeweiligen Verantwortlichkeiten klar festgelegt.
Wie können Sie sicherstellen, dass die geplanten Kosten nicht überschritten werden?
Papouschek: Worauf ich besonders achte, und was nicht umsonst am Anfang steht, ist die Projektabgrenzung! Örtlich, zeitlich, sachlich und geographisch. Bei vielen Projekten, bei welchen die Kosten überschritten wurden, haben die Auftraggeber im Laufe der Zeit ihre Pläne geändert. Es ist eine wichtige Eigenschaft eines Projektleiters, diese Änderungen abzuwehren – so unpopulär oder unbequem das auch ist. Die Projektgrenzen wurden einmal vertraglich festgelegt – und so bleiben sie auch. Ein Kostenplan ist ebenso zu erstellen. Aufgrund des langen Zeitrahmens habe ich bei der Kostenschätzung unterschiedliche Wissensstände. Für den südlichen Teil des Projekts gibt es derzeit nur grobe Kostenabschätzungen, da teilweise noch nicht einmal die Architektur feststeht. Aber ich werde trotzdem nach den Gesamtkosten befragt. Auch wenn das viele nicht hören wollen: Es gibt bei einer Grobkostenabschätzung eine ganz normale Schwankungsbreite von bis zu 30 Prozent. Genauer muss natürlich die tatsächliche Kostenverfolgung sein. Ich habe hier für den Hauptbahnhof aber ein dienststellenübergreifendes SAP-Projekt initiiert. So haben wir tagesaktuell alle Kosten auf Abruf bereit.
Wie läuft Ihr Risikomanagement bei diesem großen Projekt ab?
Papouschek: Eine Umfeldanalyse wird auch immer im Controlling überprüft (wer beeinflusst das Projekt positiv oder negativ). Zusätzlich haben wir ein Risikomanagement mit vier großen Klassen an Risken: technische, strategische, außenwirksame und finanzielle. Insgesamt umfasst unsere Risikoliste rund 100 Punkte. Das Risikomanagement muss bereits zu Beginn des Projekts vorhanden sein.
Worauf legen Sie bei Ihrer Projektleitung noch Wert?
Papouschek: Ein Kommunikationsplan ist auch ein Teil des Projekts. Darin ist festgehalten, wer mit wem wann und zu welchem Zweck sprechen darf. Damit konnten wir den vorherigen Besprechungstourismus unterbinden. Unser Kommunikationszentrum mit dem „bahnorama“-Turm ist ebenfalls eine Erfolgsgeschichte. Gerade durch den Besichtigungsturm haben sich vorab schon viele Fragestellungen (vor allem, was die angeblich weiten Wege zwischen dem Hauptbahnhof und der U-Bahn Linie 1 anbelangt) erledigt.
Bei einem Projekt gibt es immer einen definierten Anfang und ein definiertes Ende. Wann ist dieses Projekt abgeschlossen?
Papouschek: 2015 wird das Bahninfrastrukturprojekt fertiggestellt sein. Das Stadtviertel wird dann noch bis 2019/20 weitergebaut – das wird dann das Projektende sein.
Wo sehen Sie aus logistischer Sicht die Vorteile des neuen Hauptbahnhofs im internationalen Wettbewerb?
Papouschek: Mit dem Hauptbahnhof werden sich drei transeuropäische Netze in Wien treffen: von Paris nach Budapest, von Danzig nach Koper (Adria) und schließlich von Nürnberg bis ans Schwarze Meer. Das ist einer der Gründe, warum hier in Wien ein Durchgangs- und nicht ein Kopfbahnhof errichtet wird. Wichtig dabei sind aber alle baulichen Begleitmaßnahmen wie der Wienerwald-Tunnel, der Lainzer Tunnel, der Terminal Inzersdorf und die Klederinger Spange, die es erlauben, auch den Frachtverkehr im Süden von Wien abzuwickeln.
Wir danken für das Interview!