Herr Schwarzer, es tobt quasi ein Kampf um die Frage, ob eFuels oder die E-Mobilität die Zukunft bestimmen werden. Warum glauben Sie an eFuels? Was sind die Vorteile?
Es gibt viele Möglichkeiten, sich diesem Thema anzunähern. Wenn man einen Blick von der Makroebene darauf wirft, stellt man fest, dass Europa 62 Prozent seiner Energie aus Nicht EU-Ländern, hauptsächlich OPEC-Staaten und Russland, importiert.Es ist daher illusorisch zu glauben, dass wir ganz ohne Importe auskommen könnten. Energie werden wir immer importieren müssen aber die Frage ist: Welche Energie importieren wir und von wo kommt sie? Für mich sind nachhaltig produzierte eFuels die erste Adresse. Sie sind ohne Energieverlust zu transportieren und zu lagern. Was für mich zusätzlich dafür spricht: Die Voraussetzungen für die Produktion von grünen eFuels (wie zum Beispiel eine hohe Sonneneinstrahlung) sind in über 100 Staaten gegeben und wir wären somit weniger abhängig von einzelnen Staaten.
Das heißt, dass eFuels für Sie nicht nur ein Weg sind, um die Mobilität und Industrie grüner zu machen, sondern auch um die Resilienz in puncto Energieversorgung zu erhöhen?
So ist es. Ich finde, dass man die Resilienz höher bewerten muss als die Frage nachdem Wirkungsgrad von eFuels. Wenn ich von 100 Ländern abhängig bin, bin ich von keinem Land abhängig. Dagegen spricht auch nicht der vermeintlich schlechte Wirkungsgrad: Wenn in einer Wüste große Mengen Solarenergie brach liegen, ist jede Gigawattstunde eFuel in den Tanks ein gewaltiger Fortschritt. Jetzt wird die Energie zurückgeschickt, dann kann sie anstelle fossiler Produkte genutzt werden.
Am 11. Juni finden die mittlerweile 4. Energy Transition Innovation Talks und im Titel wird die Frage gestellt: „Klimaneutrale Energieträger als Wegbereiter der künftigen (Güter)Mobilität. Wie schaffen wir den Quantensprung?“. Können Sie schon vorab eine Antwort auf diese Frage geben? Was muss eigentlich schon eher gestern als morgen passieren?
Projekte gibt es en masse, das ist nicht das Nadelöhr. Die Regulative sind der Flaschenlhals. Zunächst einmal muss die Politik den Wandel wirklich wollen, davon sehen wir aktuell wenig. Es braucht nicht nur eine Strategie für die Abscheidung von CO2, sondern auch eine für eFuels. Da sind alle säumig. die EU und die Regierungen der einzelnen Länder sollten sich überlegen, wie wir am schnellsten zum größtmöglichen Nutzen kommen könnten. Es gibt aber eine Reihe an weiteren konkreten Schritten, die gesetzt werden müssen, darunter die Anrechenbarkeit von eFuels als klimaneutraler Kraftstoff. Das wäre das Signal an Investoren, dass sie die Produktion hochfahren können. Denn sie starten klarerweise nur dann mit der großflächigen Herstellung, wenn es Abnehmer gibt und die gibt es erst dann, wenn eFuels als klimaneutral gewertet werden. Es gibt aber auch abseits von dieser Frage einige Dinge, die im Steuerrecht verankert werden müssen, zum Beispiel, dass eFuels bei CO2-Lenkungsabgaben nicht im gleichen Maße wie Mineralöle besteuert werden dürfen.
Die Mühlen der EU mahlen nur langsam aber die Politik ist nur ein Glied, das andere stellt die Wirtschaft und hier konkret Logistiker und Transporteure dar. Hat sich Ihrer Meinung nach bei ihnen die Wahrnehmung von eFuels in den letzten paar Jahren verändert?
Es gibt immer noch sehr viel Gegenwind. Aber ich vergleich das gerne mit dem synthetischen Kraftstoff HVO100. Es hat lange gedauert, bis es zugelassen wurde und dann stieg die Nachfrage rasant. Dabei ist es gar nicht so "schlimm", dass HVO100 um ein paar Cent teurer ist als herkömmlicher Kraftstoff. Alle in der Wirtschaft haben den Druck, die CO2-Emissionen zu senken, und dafür kommen alle Möglichkeiten in Betracht. Es ist wesentlich leichter, den Treibstoff zu wechseln, als eine nennenswerte Zahl von E-Fahrzeugen anzuschaffen. Ich bin avon überzeugt, dass das auch bei eFuels so laufen wird. Sobald sie da sind, wird ihr Einsatz steigen.
Wann werden sie denn in den von der Wirtschaft benötigten Mengen da sein?
Da wären wir zurück bei der Politik. Die Projekte sind da und es wird auf das bereits ausständige Signal der EU gewartet. Solche Anlagen brauchen Abnehmer und zwar nicht für ein Jahr, sondern für gleich zehn oder zwanzig Jahre, damit sie sich rentieren. Abnehmer wiederum brauchen die Sicherheit, dass sie was Grünes kaufen. Aber wir gehen schon davon aus, dass wir bis 2030 die ersten großen Mengen haben werden. Wie die Internationale Energieagentur der Politik ins Stammbuch schreibt: mit politischem Rückenwind geht es schneller, also macht was.
Wird es auch eFuels aus lokaler Produktion geben?
Es gibt in Europa zahlreiche Produktionsstandorte, zum Beispiel in Spanien, Deutschland, Norwegen und in Österreich reift eine Demo-Anlage. Aber wir werden trotzdem, wie ich schon sagte, importieren müssen. Wir haben nun mal sehr ambitionierte Klimaziele und diese können wir nicht erreichen, indem man den Fahrzeugbestand bis 2045 auf elektrisch umstellt. Das ist viel zu langsam und braucht enorme Mengen an Rohstoffen mit entsprechendem CO2-Fußabdruck. Es braucht eFuels, um mit den bestehenden Lkw den Güterverkehr zu dekarbonisieren. Und durch die Importe springt der Funke der Energiewende auf andere Länder über, die aus eigener Kraft nicht viel vorantreiben können.
Sie haben vorhin den Gegenwind der Wirtschaft angesprochen. Sehr lange waren die höheren Kosten der größte Störfaktor. Hat sich was daran geändert?
Natürlich sind die Kosten am Anfang höher, aber das gilt ja für jede neue Technologie. Wenn die Produktion einmal in Hochtouren anläuft und dann nicht mehr tausende sondern Millionen von Liter hergestellt werden, sinken auch die Kosten. Und deshalb finde ich es wichtig zu sagen, dass man eFuels jetzt gerade wegen der hohen Kosten unterstützen sollte, statt sie abzuschreiben. Weil die Kosten dann rascher sinken.
Wir haben heuer ja das Super-Wahljahr, wo nicht nur die EU-Wahl im Juni sondern auch die Nationalratswahl im Herbst ansteht. Welche Forderungen haben Sie an die heimische Politik?
Das A und O ist es, CO2 nicht nur am Auspuff zu messen. Die aktuellen Verordnungen setzen E-Antriebe immer als klimaneutral , auch wenn sie mit „schmutzigem“ Strom aufgeladen werden. Auf der anderen Seite wird CO2 grüner Provinienz immer als 100% fossil eingestuft. Diese Ungerechtigkeit muss korrigiert werden und hierzu gibt es auch schon konkrete Vorschläge, nämlich dass man zwischen fossilem und klimaneutralem CO2, der im Kreislauf geführt wird, unterscheidet und alles was klimaneutral ist zulässt. Das wird der EU-Gesetzgeber spätestens 2026 beschließen.