Die Lage auf dem Markt war alles andere als rosig. Eine Kombination aus geopolitischen Überraschungen, klimabedingten Störungen des Welthandels sowie einer De-Risking- und Entkopplungsstrategie in puncto China traf die Wirtschaft erheblich. Umfangreiche Arbeitskampfmaßnahmen sowohl in Frankreich als auch in Deutschland, Unfälle und Naturkatastrophen sowie eine riesige Anzahl an Baumaßnahmen an der Eisenbahninfrastruktur kamen erschwerend hinzu. In der Folge wirkten sich alle diese Faktoren negativ auf die Qualitätsleistung des Kombinierten Verkehrs aus, der stark beeinträchtigt wurde. „Die Konjunkturabschwächung führte zu einem generellen Rückgang der Nachfrage im Güterverkehr. Spediteure hatten plötzlich Überkapazitäten, was einen unerwarteten Preisverfall im Lkw-Verkehr auslöste“, blickt Ralf-Charley Schultze, Präsident der UIRR, auf Anfrage von Verkehr auf die jüngere Vergangenheit zurück.
Große Herausforderungen - Krisenmanagement zeigt erste Erfolge
Der Preisrückgang im Straßengüterverkehr wurde durch den niedrigeren Ölpreis und die daraus resultierenden Einsparungen bei den Lkw-Betriebskosten noch weiter angeheizt. Gleichzeitig waren die Operateure des Kombinierten Verkehrs gezwungen, Energiezuschläge zu verlangen, da das Preisniveau für den Bahnstrom nicht im gleichen Maße gesenkt wurde. Das Ergebnis war ein Verlust der relativen preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Faktum ist: „In der gleichen Zeit hat die Gemeinschaft des Kombinierten Verkehrs aber die Umsetzung ihrer Investitionsprogramme weiter fortgesetzt“, so Schultze. Diese konzentrierten sich auf intermodale Vermögenswerte wie Terminals, Wagen, Ladeeinheiten, aber auch auf die Digitalisierung. Schultze: „Der Kombinierte Verkehr wird die stürmischen Zeiten überstehen und ist heute schlanker und leistungsfähiger denn je. Kapazitäten sind vorhanden und die Produktivität wurde gesteigert. Das Krisenmanagement der Akteure und der Branchenverbände trägt erste Früchte.“
Industrial Deal
Unter diesen Rahmenbedingungen kommt es jetzt auf EU-Ebene zu einem politischen Wandel. Aufgrund der verschärften externen Umstände müssen nun über den „Green Deal“ hinaus auch die wirtschaftliche Resilienz und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden – von einem „Industrial Deal“ ist die Rede. Aus Sicht des Güterverkehrs bedeutet dies die Notwendigkeit der Verbesserung der Ressourceneffizienz. Die Wahl des Verkehrsträgers durch die Wirtschaftsakteure – Verlader und Logistiker – wird den Lösungen zugutekommen, die am wenigsten Energie, Arbeitszeit und Infrastruktur verbrauchen, die die Umwelt am wenigsten belasten und häufige Unfälle vermeiden. Schultze ist überzeugt: „Der Kombinierte Haus-zu-Haus-Verkehr ist im Prinzip gut aufgestellt. Selbst Skeptiker geben zu, dass die Kapazität derzeit nicht mehr die größte Herausforderung darstellt.“ Die jährliche intermodale Verkehrsleistung in Europa liegt um zwei Millionen TEU unter ihrem historischen Höchststand, und die Netto-Neuinvestitionen der letzten Jahre haben ebenfalls zu mehr Kapazitäten beigetragen. Auch der Rechtsrahmen wird sich für den Kombinierten Verkehrs verbessern, wenn die in den letzten Jahren verabschiedeten EU-Rechtsvorschriften wie das Mobilitätspaket, die Änderung der Eurovignetten-Richtlinie, die TEN-V-Verordnung und die eFTI-Verordnung umgesetzt werden.
Greening Freight Transport Package: Politik muss realistischen Weg aufzeigen
Im Zusammenhang mit dem derzeit diskutierten Paket zur Ökologisierung des Güterverkehrs (Greening Freight Transport Package) gibt es nach Ansicht des UIRR noch einige offene Fragen. Die verzögerte Veröffentlichung der Legislativvorschläge durch die Europäische Kommission hat dazu geführt, dass die geplanten Gesetzesänderungen nicht vor den Wahlen in Kraft treten konnten. Der Kombinierte Verkehr, der von mehreren Interessengruppen aus dem Schienengüterverkehr und der Schifffahrt unterstützt wird, kämpft daher mit Nachdruck dafür, einen realistischen Weg aufzuzeigen, bei dem die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden von den politischen Entscheidungsträgern erkannt und erfüllt werden. Es geht hierbei um weitere und qualitativ bessere Trassen für intermodale Güterzüge, verstärkte technische Interoperabilität zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern, eine klare, nachvollziehbare und umsetzbare Definition des Kombinierten Verkehrs in der KV-Richtlinie und ein allgemein unterstützendes, ermutigendes politisches Umfeld, das die Verkehrsverlagerung auf andere nachhaltige Verkehrsträger fördert.
Neuer Verwaltungsrat
Im Mai wurde auf der ordentlichen Generalversammlung der UIRR der Verwaltunsrat für drei Jahre neu besetzt. Michail Stahlhut, CEO von Hupac, wurde vom Führungsteam für die nächsten eineinhalb Jahre zum Chairman gewählt; Jürgen Albersmann, CEO von Contargo, wurde zum Vice-Chairman bestellt. Schultze erklärt: „Die starke Stimme der UIRR wird damit von einem vielseitigen, repräsentativen und hoch motivierten Verwaltungsrat getragen und weiterhin von einem erfahrenen und engagierten UIRR-Team intensiv unterstützt.“ Die enge Zusammenarbeit mit den Verbänden in den Mitgliedstaaten, die im Rahmen der CT4EU-Kampagne in den letzten Jahren verstärkt wurde, hat zum Ziel, dass die Botschaft des Kombinierten-Haus-zu-Haus-Verkehrs weitere politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger erreicht – viel mehr als je zuvor in den vergangenen Jahren.